
Borat ist wieder da und sorgt für Ärger. In Kasachstan kam es bereits zu mehreren Protesten gegen die Veröffentlichung des Ende Oktober erschienenen „Borat Anschluss Moviefilm“. Wütende Demonstranten skandierten vor dem US-amerikanischen Konsulat in Almaty: „Sacha, verrecke!“ Der Grund für die Empörung: Nach Meinung der Protestierenden werden Kasachen in den USA wegen der Borat-Filme diskriminiert.
Ein fiktiver Journalist entdeckt die USA
Sacha, der verrecken soll, ist Sacha Baron Cohen. Der britische Komiker hat 2006 die Kunstfigur „Borat“ auf die Kinoleinwände gebracht. In seinem gleichnamigen Film spielt Cohen den fiktiven Journalisten Borat Sagdijew aus Kasachstan, der im Auftrag des kasachischen Innenministeriums in die USA reist, um die amerikanische Kultur besser kennenzulernen.
In dem Streifen wird Kasachstan als hinterwäldlerischer Staat dargestellt, in dem Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus an der Tagesordnung sind. Die Regierung der ehemaligen Sowjetrepublik untersagte deshalb Vorführungen der Mockumentary in den kasachischen Kinos. In Deutschland und den USA wurde der Film hingegen zum Kassenschlager.
Empörung über „Borat 2“
Nun ist „Borat 2“ auf der Streaming-Plattform Amazon Prime Video angelaufen. Schon als Anfang Oktober der Trailer erschien, forderten Aktivisten, den Streifen zu verbieten. Sie empfinden den neuen Borat-Film als Beleidigung und verlangten von Cohen eine Entschuldigung für die angebliche „Verletzung ihrer Würde“. Der Hashtag #cancelborat wurde in den sozialen Medien tausendfach genutzt.
Anders als jedoch vor 14 Jahren zeigte sich die kasachische Staatsführung dieses Mal entspannter. Auf eine Medienanfrage des Portals Liter antwortete das Informationsministerium, dass man den Film im Internet nicht verbieten könne. Und auch sonst scheint die Regierung dazugelernt zu haben. Statt den Film zu verdammen, nutzt man den Erfolg von Borat für sich. Bereits vor einigen Jahren hatte ein Regierungsvertreter zugegeben, dass sich nach dem ersten Film die Besucherzahlen in Kasachstan verzehnfacht hatten.
Nun wirbt das Tourismus-Komitee mit Borats Kultspruch „very nice“ um Reisende aus dem Ausland. Die Idee dazu hatte der in Almaty lebende Amerikaner Dennis Keen. Er ist Reiseleiter und hat sogar eine eigene Show im kasachischen Fernsehen. Nach Veröffentlichung des Borat-Trailers startete er einen Aufruf in den sozialen Medien. Keen suchte Unterstützung für kurze Werbefilme, in denen Touristen zwischen beeindruckenden Berglandschaften, modernen Bauten und traditionellen Gerichten Borats bekannten Filmspruch zitieren. Das Tourismus-Komitee unterstütze Keen bei der Umsetzung und nur drei Wochen später, pünktlich zur Veröffentlichung von „Borat 2“, erschienen vier Clips auf YouTube.
Ein Affe als Minister
Sacha Baron Cohen verzichtet auch in der Fortsetzung auf jegliche politische Korrektheit und legt einen aberwitzig anmutenden Plot vor. So wurde Borat von Staatsführer Nursultan Nasarbajew in einen Steinbruch verbannt, weil sein erster Film Schande über Kasachstan gebracht hatte. Nun soll er das Ansehen seiner Nation wiederherstellen, indem er US-Vizepräsident Michael Pence ein Geschenk überreicht. Das Präsent ist absurderweise der Affe Johnny, seines Zeichens Minister für Kultur und berühmtester Pornostar des Landes. Anstelle Johnnys landet jedoch Borats Tochter Tutar in den USA.

Es beginnt eine verrückte Aschenputtelgeschichte, in deren Verlauf Tutar zu einer selbstbewussten jungen Frau wird. Je mehr sie sich von Borat emanzipiert, desto stärker werden seine Vatergefühle für sie. Gerade diese Komponente ist es, die viele Menschen in Kasachstan so wütend macht, glaubt der Filmkritiker Karim Kadyrbajew. Auf Facebook lobt er Cohen für seinen überaus aktuellen Film, der Frauenrechte in den Mittelpunkt stelle. Seiner Meinung nach reagieren die Menschen deshalb so aggressiv, weil „ihnen klar wird, dass Borat 2 eine Light-Version dessen ist, was wirklich in unserem Land vor sich geht.“ Kadyrbajew meint damit vor allem die allgegenwärtige Gewalt gegen Frauen in Kasachstan.
„Warum wird er nicht verboten?“
Dabei geht es Cohen gar nicht darum, Kasachstan bloßzustellen, sondern vielmehr darum, den Rassismus und Sexismus in den USA aufzuzeigen. Nach eigener Aussage wollte der Brite den Amerikanern noch vor der Präsidentschaftswahl zeigen, von wem sie eigentlich regiert werden. Den Demonstranten in Almaty ist dieses Anliegen unbegreiflich. Sie verstehen nicht, wie die amerikanische Regierung es zulassen kann, dass die USA in ein so schlechtes Licht gerückt werden. „In Amerika passiert alles, was im Film gezeigt wird. Warum wird er nicht verboten?“, fragen sie.
Zum Beweis haben die Protestierenden Schlagzeilen über sexistische und rassistische Vorfälle ausgedruckt und auf Plakate geklebt. Außerdem haben sie einen Sarg aus Pappmaché mitgebracht. Darin wollen sie Borat beerdigen – und mit ihm gleich die amerikanische Demokratie.
Als Cohen erfuhr, dass die Regierung Kasachstans seinen Film nun nicht mehr verurteilt und seinen Spruch „very nice“ sogar für Marketingzwecke nutzt, schrieb er eine E-Mail an die New York Times. „Dies ist eine Komödie, und das Kasachstan in dem Film hat nichts mit dem wirklichen Land zu tun“, so Cohen. „Ich habe Kasachstan ausgewählt, weil es ein Ort war, über den in den USA kaum jemand etwas wusste, was uns erlaubte, eine wilde, komödiantische, falsche Welt zu schaffen. Das wirkliche Kasachstan ist ein schönes Land mit einer modernen, stolzen Gesellschaft – das Gegenteil von Borats Version.“
Othmara Glas