„Dies ist das dritte Mal in den letzten Jahren. Aber es war das erste Mal, dass es eine so schwere Überschwemmung gab“, erzählt Anastassija Konyrewa den Journalisten. Sie alle stehen fast bis zur Hüfte im Wasser in der Tiefgarage des Wohnkomplexes „Dmitrowskij Park“. Anastassija zeigt ihr kürzlich gekauftes Auto, das gerade auf der ersten Ebene der Tiefgarage schwimmt. Dafür hat die junge Frau nach eigenen Angaben 6 Millionen Rubel (etwa 60 000 Euro) bezahlt. Der Parkplatz kostete weitere 3 Millionen Rubel.
Der Wohnkomplex „Dmitrowskij Park“ ist recht neu: Er wurde im vergangenen Jahr vollständig fertiggestellt. Er hat fast 4000 Wohnungen. Und die Tiefgarage ist für etwa 900 Autos ausgelegt. Deshalb parken viele Bewohner ihre Autos draußen. Manche im Hof. Und diejenigen, die nicht das Glück haben, dort einen Platz zu finden, parken auf der Kljasminskaja-Straße. Sie verläuft entlang des Wohnkomplexes.
Die Kljasminskaja-Straße
Diese Straße ist eigentlich unauffällig. Sie liegt am Stadtrand von Moskau und wurde nach dem Fluss Kljasma benannt, dessen Quelle sich in der Nähe befindet. Ihre Gesamtlänge beträgt 2,2 Kilometer. Hier stehen hauptsächlich Wohnhäuser.
Im Juni stand aber die Kljasminskaja zweimal an der Spitze der Medienberichte. Es war ein sehr regnerischer Monat in der Hauptstadt, und diese Straße – gerade der Teil, der entlang des Wohnkomplexes verläuft – war zweimal überschwemmt. Geparkte Autos und am 13. Juni auch ein Bus mit Fahrgästen wurden wie Anastassijas Auto überflutet.
„Die Nachtigallen sangen laut“
Nikolaj Gulikow wohnt in der Kljasminskaja-Straße in einem 14-stöckigen Gebäude gegenüber dem Wohnkomplex. „Sobald es stark regnet, gibt es eine Überschwemmung“, sagt der 52-Jährige. Seine Familie hat hier in den 1980er Jahren eine Wohnung bekommen. Er erinnert sich an diese Zeit, als es auf dem Gelände des Wohnkomplexes ein einstöckiges Militärkrankenhaus und einen Park gab. „Die Nachtigallen sangen so laut, dass man nicht schlafen konnte. Und jetzt schauen wir in die Fenster der Häuser der Wohnsiedlung, was ist daran gut?“, fragt er.
In letzter Zeit ist täglich der Moswodokanal-Wagen von seinem Fenster aus zu sehen. Er steht dort für den Fall eines Regengusses. Moswodokanal ist für die Entwässerungssysteme Moskaus zuständig.
Am 20. Juni war sehr starker Regen angesagt, und ein Dutzend solcher Autos wurde zur Kljasminskaja-Straße gezogen, um das Wasser schnell abzupumpen. Ein weiteres Auto stand am Eingang zur Tiefgarage. Die Autobesitzer hatten sich ebenfalls auf den Wolkenbruch vorbereitet. Die Einfahrt war mit einer Mauer aus Sandsäcken und mit Holzzaun versperrt. Die Sandsäcke, die bei dem vorangegangenen Regenguss auch vorhanden waren, halfen jedoch nicht. Der Regen war so stark, dass die Wassermassen sie einfach aus dem Weg spülten. Am 20. Juni war der Regen in ein paar Minuten vorbei. Es blieben nur ein paar Pfützen zurück.
„Nichts hat geholfen“
Olga Zygankowa lebt seit 12 Jahren in dem Haus neben Nikolaj. Die Frau ist sich sicher: Der problematische 100-Meter-Abschnitt entstand aufgrund von Fehlern beim Bau des Wohnkomplexes. „Es war ein Landschaftsschutzgebiet“, sagt sie. „Im Jahr 2017 wurde der Status des Grundstücks geändert und das Gebiet zur Bebauung verkauft. Wir haben dagegen demonstriert, eine Petition unterschrieben und vor Gericht geklagt. Nichts hat geholfen“.
Aber die Straße ist schon früher überflutet worden, wenn auch nicht so oft. Eine Aufzeichnung des Hochwassers in der Kljasminskaja-Straße aus dem Sommer 1999 ist im Internet erhalten geblieben.
Warum?
Warum versickert das Wasser hier nicht im Boden? „Das ist eine Niederung, ein sumpfiges Gebiet. Irgendwo in der Nähe floss der Fluss Lichoborka, der in Rohren versteckt wurde. Die Regenwasserkanäle sind hier besonders überlastet“, vermutet Nikolaj Gulikow.
Die Regenwasserkanäle in Moskau werden oft dafür verantwortlich gemacht. Schließlich ist es nicht nur die Kljasminskaja, die überschwemmt wird. Experten sagen, dass diese alten Abwasserkanäle nicht für tropische Regengüsse ausgelegt sind. Und wegen der globalen Erwärmung treten sie in Moskau immer häufiger auf.
Was ist nun zu tun?
Nach der Überschwemmung am 13. Juni fand eine Sitzung unter Beteiligung der Abgeordneten der Moskauer Stadtduma, Nadeshda Perfilowa, Moswodokanal, Vertretern der Anwohner und der Verwaltung des „Dmitrowskij Park“ statt. Gleich danach schrieb Nadeshda Perfilowa auf ihrer Seite im Sozialen Netzwerk: „Die Situation hier ist sehr kompliziert und erfordert seit Langem ernsthafte technische Lösungen. Man ist sich einig, dass wir einen Regulierungsteich brauchen, in den das Regenwasser abgeleitet wird, eine Erweiterung der Sammelleitungen und funktionierende Entwässerungssysteme in den Häusern selbst“.
Mit anderen Worten: all das, woran man nicht gedacht hat, als man in der Niederung ein Dutzend 16- und 33-stöckige Gebäude errichtete.
Olga Silantjewa