Der Moskauer Wohnungsmarkt in Zahlen und Meinungen

Neubauwohnungen in Moskau werden immer kleiner. Dieser Trend hat sich auch in diesem Jahr ungebremst fortgesetzt. Ansonsten erlebte der Immobilienmarkt vor allem unruhige Zeiten, ohne allerdings total aus dem Tritt zu geraten.

Der Moskauer Immobilienmarkt hat mit vielen Unwägbarkeiten zu kämpfen. (Foto: Tino Künzel)

In Moskau lebt es sich vergleichsweise beengt. Das ist angesichts von offiziell 13 Millionen Einwohnern nicht unbedingt überraschend, doch so manche Statistik fördert dann doch Interessantes zutage. So lag die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Moskau nach Angaben der Promswjasbank im vergangenen Jahr bei 22,3 Quadratmetern. Andere Analysten taxierten sie sogar auf unter 20 Quadratmeter, Tendenz sinkend. Das ist einer der niedrigsten Werte in ganz Russland. Im Landesdurchschnitt sind es immerhin rund 28 Quadratmeter. Zum Vergleich: In Deutschland stehen pro Person 47,7 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung.

Mehr vom Weniger

Ein ähnliches Bild liefern auch die Zahlen zur durchschnittlichen Wohnungsgröße in Neubauten. Für das zweite Quartal des laufenden Jahres wird sie von der Immobilienagentur Metrium in Moskau mit 46,8 Quadratmetern angegeben. So wenige waren es in der gesamten postsowjetischen Geschichte Russlands noch nie. Allein in den vergangenen zwei Jahren sei der Wert um zehn Quadratmeter gesunken, so die Analysten.

Dabei handelt es sich nach Einschätzung von Marktexperten um einen langfristigen Trend, der mindestens schon seit der Finanzkrise von 2008 zu beobachten sei. Damals war eine Neubauwohnung immerhin noch fast 70 Quadratmeter groß, schreibt das Wirtschaftsblatt RBK unter Berufung auf die Agentur CIAN. Anfang der 2000er Jahre sei in Neubauten der Anteil von Dreiraumwohnungen mit 37 Prozent am höchsten gewesen. Nach 2008 machten sie demnach noch 20 Prozent des Gesamtangebots aus. Bis heute fiel ihr Anteil im untersten Preissegment weiter auf 14 Prozent.

Preise auf Westniveau

Als Gründe für die Verkleinerung der Wohnungen werden in erster Linie steigende Baukosten bei sinkenden Realeinkommen genannt. Immer mehr Menschen können sich die Preise einfach nicht mehr leisten. Im Juni schlug der Quadratmeter in einer neuen Eigentumswohnung im Massensegment laut Metrium mit 282.000 Rubel zu Buche, das sind umgerechnet 4700 Euro und durchaus westliche Verhältnisse. Die Teuerung habe binnen zwei Jahren 55 Prozent betragen, schreibt Metrium.

Um die Wohnungen halbwegs erschwinglich zu halten und nicht auf ihren schönen neuen Immobilien sitzenzubleiben, verringert die Branche die Wohnungsgröße. Eine 20-Quadratmeter-Wohnung koste heute mehr als eine 30-Quadratmeter-Wohnung vor fünf Jahren, wird die Chefin einer Immobiliengesellschaft von der „Nesawissimaja Gaseta“ zitiert. Der Trend geht zu Einraumwohnungen und Studios, die heute 58 Prozent des Erstmarkts stellen. Eine vergleichbare Entwicklung ist im Übrigen wegen exorbitanter Mieten auch in deutschen Großstädten festzustellen, nur auf anderem Niveau, was die Wohngröße betrifft.

Heftige Ausschläge auf dem Markt

Ganz besonders zugesetzt haben dem Moskauer Wohnungsmarkt in diesem Jahr aber die Erschütterungen rund um die „Sonderoperation“ in der Ukraine. Jede Krise macht sich sofort im Immobiliensektor bemerkbar, weil sich viele Privatkunden nicht zum Kauf einer Wohnung entscheiden, wenn die Zeiten unsicher sind und sie die Risiken nicht überschauen können. Insofern war der 24. Februar ein Tiefschlag für den Markt, von dem er sich bis zum Sommer jedoch wieder erholte. Vergünstigte Hypothekenzinsen hatten die Nachfrage stabilisiert. Als dann am 21. September eine Teilmobilmachung ausgerufen wurde, sei das ein „neuer Schock“ gewesen, sagte der Moskauer Immobilienmakler Jewgeni Konopljow der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Experten berichten, in den darauffolgenden Wochen sei die Nachfrage zum Teil um ein Drittel und mehr eingebrochen. Dennoch bezeichnete Julia Sawinich, Geschäftsführerin der Immobilienagentur Inkom, den Markt im Vergleich zu früheren Krisen als „stabil und gelassen“. Ein Preisverfall auf breiter Front ist bisher ebenso wenig eingetreten wie ein Kampf um die Kunden mit riesigen Rabatten. Die meisten Marktbeobachter gehen von einer Stagnation aus, danach könnten auch die Preise moderat sinken. Aber die Prognosen sind in diesen Zeiten mehr als vorsichtig.

Tino Künzel

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