Manche Ereignisse mögen noch so bedeutend sein, sie stehen einfach im Schatten von etwas Größerem. Am 15. November 1970 startete die sowjetische Sonde Luna 17 mit dem Mondmobil Lunochod-1 an Bord. Zwei Tage später öffnete sich die Luke des Raumfahrzeugs und ein achträdriges Gefährt namens Lunochod-1 rollte hinab auf den Mondboden.
Es war eine Premiere in der Raumfahrtgeschichte. Die Weltöffentlichkeit konnte man damit jedoch nur noch bedingt beeindrucken, hatte doch mit Neil Armstrong im Jahr zuvor der erste Mensch den Mond betreten. Dazu kam die spektakuläre Rettungsaktion bei der missglückten Mission Apollo 13 im April 1970.
Seit dem Sputnik-Schock 1957 und Jurij Gagarins Weltraumflug waren schon einige Jahre vergangen und die Sowjetunion hatte ihre Vorrangstellung in der Raumfahrt eingebüßt. Noch 1966 hatten es die sowjetischen Ingenieure geschafft, mit Luna 9 erstmals eine Sonde weich auf dem Mond zu landen.
Ein Bild alle 20 Sekunden
Doch während die Öffentlichkeit die Mission des ersten Mondfahrzeugs nur am Rande zur Kenntnis nahm, war sie für die Raumfahrt ein bedeutender Erfolg.
Lunochod-1 wurde von einem fünfköpfigen Team von der Erde aus ferngesteuert. Das Gefährt wog etwa eine dreiviertel Tonne und maß etwas mehr als zweimal zwei Meter. Seine Energie bezog Lunochod-1 aus einem mit Solarzellen versehenen Deckel. Um zu verhindern, dass die Batterien in der kalten Mondnacht auskühlen, wurde dem Mondmobil eine Portion radioaktives Polonium-210 beigegeben, das bei seinem Zerfall Wärme abgibt.
Mit seinen zwei Kameras auf der Front, einem Bodensensor und einem Neigungsmesser konnte Lunochod-1 von der Kommandozentrale in Simferopol aus gesteuert werden. Wie das vonstattenging erklärt Sergej Gerasjutin vom Kosmonautenmuseum in Moskau: „Auf dem Bedienpult befand sich ein Videomonitor, der Informationen von den auf Lunochod-1 installierten Kameras übertrug. Das Bild wurde einmal in 20 Sekunden aktualisiert. Während dieser Zeit konnte sich das Fahrzeug 1,6 Meter fortbewegen, dann erhielten die Bediener ein neues Bild.“ Diese Bilder wurden aufgezeichnet und konnten so beliebig vervielfältigt werden.
Länger im Einsatz als geplant
Die Mission war für drei Mondtage geplant, was grob drei Monaten auf der Erde entspricht. Am Ende reichte es jedoch für ganze 302 Tage, bis am 14. September 1971 der Funkkontakt endgültig abbrach. Das Polonium-210 war soweit zerfallen, dass die Wärme schließlich nicht mehr ausreichte, die Batterien über Nacht vor dem Entleeren zu schützen.
In dieser Zeit machte Lunochod-1 etwa 20.000 Fotos und 206 Panorama-Aufnahmen, an 500 Stellen wurde die Oberfläche des Mondes untersucht. Insgesamt bewegte sich das Mondmobil über zehn Kilometer weit fort. Im Jahr 1973 gab es noch einen Nachfolger, Lunochod-2. Er legte gar ganze 39 Kilometer zurück und hielt damit bis 2014 den Rekord für die längste auf einem fremden Himmelskörper gefahrene Strecke. Neuer Rekordhalter ist seither der amerikanische Marsroboter Opportunity.
Der projektierte Lunochod-3 kam schließlich nicht mehr zum Einsatz. Nachdem die Amerikaner das Rennen zum Mond gewonnen hatten, schwand das sowjetische Interesse am Erdtrabanten.
Bis 2010 galt Lunochod-1 als verschollen
Lunochod-1 war nach dem Abbruch des Funkkontakts lange verschollen. Forscher der University of California in San Diego fanden ihn schließlich 2010 auf Aufnahmen der NASA-Sonde LRO, einige Kilometer vom vermuteten Standort entfernt. Und das war kein Zufallsfund. Mittels Laserstrahlen arbeiteten sie daran, die Umlaufbahn des Mondes millimetergenau zu vermessen. Dabei nutzten sie die Reflektoren früherer Raumfahrzeuge, etwa von den Apollo-Missionen. Lunochod-2 hatten sie schon einige Zeit vorher gefunden und dann auch nach seinem älteren Bruder gesucht. So machte sich Lunochod-1 auch vier Jahrzehnte nach seiner Mission noch einmal nützlich.
Ein Modell von Lunochod-1 sowie das Original des zugehörigen Bedienpults sind in Moskau im Kosmonautenmuseum zu bestaunen.
Und noch ein kurioses Detail am Rande: In den Wirren der untergegangenen Sowjetunion wurde der Nachfolger Lunochod-2 zusammen mit der Sonde Luna 21 im Jahr 1993 beim Auktionshaus Sotheby’s in New York angeboten. In der Beschreibung stand: „Auf der Mondoberfläche befindlich“. Die Raumfahrzeuge gingen schließlich für 68 500 US-Dollar an den Computerspielentwickler und Weltraumfreak Richard Garriott.
Jiří Hönes