In der Sowjetunion war Glücksspiel verboten, aber trotz der recht harten strafrechtlichen Verfolgung florierte das Geschäft im Untergrund. In den späten 1980er Jahren beschloss der Staat, es teilweise zu legalisieren. Als Experiment wurden 1988 die ersten Spielautomaten mit Bargeldgewinnen in Hotels des sowjetischen staatlichen Tourismusunternehmens Intourist zur Unterhaltung ausländischer Gäste aufgestellt. Die ersten Casinos wurden 1989 in Tallinn und Moskau eröffnet.
Im Juli 1998 trat das föderale Gesetz „Über die Besteuerung des Glücksspiels“ in Kraft, das die legale Entwicklung dieses Geschäfts ermöglichte. Es wurde nicht nur für Ausländer, sondern auch für normale russische Bürger legal zugänglich. Und die Bürger nahmen diese Neuerung mit Begeisterung an. In der ersten Hälfte der 2000er Jahre florierte das Geschäft mit dem Glücksspiel im jungen Russland. Im Jahr 2005 belief sich der Umsatz des russischen Glücksspielmarktes nach der damaligen Schätzung der Analysten von PricewaterhouseCoopers auf fast 6 Milliarden US-Dollar, es gab etwa 400 000 Spielautomaten und 5000 Spieltische im Land. Bis 2006 wurden über 6300 Glücksspiellizenzen erteilt. Bis zu 60 Prozent der inländischen Glücksspielclubs konzentrierten sich dabei in Moskau und St. Petersburg.
Das Glücksspielgeschäft war in den Nullerjahren sehr profitabel: In Bezug auf die Rentabilität lag es leicht hinter der chemischen Industrie und deutlich vor der Metallurgie- und Ölindustrie. Zum Beispiel wurde die EBITDA-Marge von Ritzio Entertainment, einem damaligen Marktführer, von der russischen Investmentgesellschaft Renaissance Capital in der ersten Jahreshälfte 2008 auf 50 Prozent geschätzt.
Doch der Boom dauerte nicht lange. Der russische Präsident Wladimir Putin bereitete ihm ein Ende. Im Oktober 2006 legte Putin der Staatsduma einen Gesetzentwurf vor, der die Auslagerung aller Glücksspieleinrichtungen in Sonderzonen vorsah. Noch im selben Monat erläuterte er seinen Vorschlag in einer Live-Übertragung. Seiner Meinung nach ähnelte die Spielsucht der Russen dem Problem der Alkoholisierung des Landes durch Glücksspiel. Dies sei ein ernstes Problem, das nicht nur junge Menschen, sondern auch Rentner betreffe, so Putin damals. Die Folge: Seit dem 1. Juli 2009 war das Glücksspiel in Russland nur noch in vier Reservaten erlaubt: „Asow-City“ im Süden des Landes an der Grenze zwischen der Region Krasnodar und dem Gebiet Rostow (eröffnet 2010, später wurde diese Zone aufgelöst), „Sibirische Münze“ in Altai (2014), „Jantarnaja“ im Gebiet Kaliningrad (2016)und „Primorje“ im Fernen Osten (2015). Im Juli 2014 unterzeichnete Putin ein Gesetz über die Einrichtung von Glücksspielzonen auf der Krim und in Sotschi (2017).
Derzeit sind vier Glücksspielzonen in Betrieb. Mit dem Bau einer Glücksspielzone auf der Krim wurde noch nicht begonnen, obwohl das Grundstück dafür bereits 2018 zugewiesen wurde. Im Jahr 2010, dem ersten vollen Jahr des totalen Verbots des Glücksspiels außerhalb der Sonderzonen, beliefen sich die Steuereinnahmen aus dem Glücksspielgeschäft auf lediglich 65,8 Millionen Rubel (damals etwa 1,7 Millionen Euro). 2006 waren es noch 31,1 Milliarden Rubel (damals etwa 900 Millionen Euro) gewesen.
Im Pandemiejahr 2020 ging die Zahl der ausländischen Touristen, die Glücksspielzonen in Russland besuchten, verständlicherweise stark zurück. Im erfolgreichsten Spielort „Krasnaja Poljana“ beispielsweise sank die Zahl der ausländischen Spieler von 18 Prozent im Jahr 2019 (damals überwiegend israelische Staatsbürger) auf 8,7 Prozent im Jahr 2020. Letztes Jahr hatte „Krasnaja Poljana“ nur 6,6 Prozent ausländische Spieler, hauptsächlich aus den GUS-Staaten. Die Abwanderung ausländischer Touristen ist auch in anderen Glücksspielzonen zu beobachten. So hat sich beispielsweise im Casino „Tigre de Cristal“ in der Glücksspielzone „Primorje“ die Zahl der ausländischen Gäste halbiert: von 50 Prozent im Jahr 2019 (überwiegend chinesische Staatsangehörige) auf 25 Prozent im Jahr 2023. Gleichzeitig machten ausländische Touristen 70 Prozent der Einnahmen des Casinos aus.
Die Steuersätze für Glücksspiele hängen von einer Reihe von Indikatoren ab, unter anderem von der geografischen Lage des Komplexes und seiner Größe. So sind beispielsweise für einen Spieltisch im Altai-Gebiet 125 000 Rubel (1250 Euro) an Steuerabzügen pro Monat zu zahlen, während es in Sotschi bereits 250 000 Rubel sind. Im Jahr 2023 zahlten die Glücksspielzonen insgesamt 2,2 Milliarden Rubel (etwa 20 Millionen Euro) Steuern – zehn Prozent mehr als 2022. Zwar ist dies wesentlich weniger als in der wilden Blütezeit der Branche, aber immerhin ein Erfolg. Im ersten Quartal 2024 wurde der Rekord erneut gebrochen: Die russische Glücksspielbranche zahlte 730 Millionen Rubel an Steuern. Gleichzeitig stiegen die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Prozent. Vertreter der Glücksspielbranche erklären dies damit, dass sie in ihrem Bemühen, russische Touristen anzuziehen, auf Eventtourismus und die Entwicklung der Nicht-Gaming-Aktivitäten wie Konzerte, Sportereignisse, gastronomische Events und Shows setzen.
Alexej Karelski