Der grüne Feind: Eine Pflanze wächst Russland über den Kopf

Der Borschtschewik ist der Bösewicht unter Russlands Pflanzen. Das Riesen-Unkraut okkupiert immer neue Flecken und Flächen, Gift für die menschliche Gesundheit ist es auch noch. Jetzt will eine Region dem Elend nicht weiter zusehen und hält mit Geldstrafen dagegen.

Keine mongolischen Reiter, keine französischen Kanonen und kein deutscher Panzer: Im 21. Jahrhundert wird Russland von einem anderen Besatzer heimgesucht, der durchaus einheimischen Ursprungs ist. Der „Feind“, „Aggressor“ und „Terrorist“, wie er wahlweise in den Medien genannt wird, hört auf den Namen Heracleum sosnowskyi und ist eine der vielen Unterarten des Bärenklaus, auf gut Russisch: Borschtschewik. Die Pflanze hat sich in den letzten Jahrzehnten unkontrolliert in weiten Teilen Russlands ausgebreitet. Anzutreffen ist sie an Straßenrändern, Flussufern, Bahndämmen und oft auch schon in geschlossenen Ortschaften. Das wäre halb so wild, würde sie nicht die jeweilige Flora verdrängen. Dem teils übermannshohen Doldengewächs ist zudem mit äußerster Vorsicht zu begegnen: Gerät der Saft seiner Stängel auf die Haut, schädigt er durch ätherische Öle deren Schutz gegen UV-Strahlen, was unter Sonneneinwirkung  zu schwersten Verbrennungserscheinungen führt. Manche sprechen von einer „biologischen Waffe“. Der Staatssender RT schreibt auf seiner Webseite, man habe es mit einer „Naturkatas­trophe“ zu tun.

Zu diesem Doldengewächs hält man besser Abstand: Borschtschewik in der Region Pskow. © Tino Künzel

Dabei kann der Borschtschewik für seinen schlechten Leumund gar nichts. Ursprünglich in den höheren Lagen des Kaukasus beheimatet, wurde er nach dem Krieg von der sowjetischen Wissenschaft als reproduktionsfreudige Futterpflanze entdeckt, die wenig Ansprüche an Klima und Bodenbeschaffenheit stellt und deshalb sogar in nördlichen Gegenden gezielt angebaut werden konnte. Die Folgen ahnte da noch niemand. Mit dem Niedergang der Landwirtschaft in den 80er und 90er Jahren verödeten auch viele Anbauflächen, was dazu führte, dass die Fortpflanzung des Borschtschewik fortan mehr oder weniger dem Zufall überlassen blieb und er sich geradezu epidemisch vermehrte.

Die russischen Regionen zeigten sich von dieser Landplage ungeahnten Ausmaßes überfordert. Immer wieder wurde eine nationale Strategie im Kampf gegen den Schädling gefordert, ohne dass etwas passierte. Das Moskauer Umland hat zuletzt als erste Region die Sache in seine eigenen Hände genommen. Seit 1. November drohen Datschen- und Landeigentümern, die gegen den Borschtschewik auf ihrem Grundbesitz nicht vorgehen, Geldstrafen. Für Privatpersonen betragen sie umgerechnet ca. 27 bis 67 Euro, für Unternehmen 2000 bis 13300 Euro. Der Borschtschewik bedeckt fast ein Prozent der Fläche des Moskauer Umlands.

Tino Künzel

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