Die ausbleibende Wende

Während in Deutschland das Mauerfall-Jubiläum gefeiert wurde, sind Nord- und Südkorea noch immer getrennt. Mit der Expedition „Crossing Frontiers“ hat sich der Fotograf Martin von den Driesch auf den Weg gemacht, um die russische Grenze nach Nordkorea zu überschreiten.

Süd- und Nordkoreaner wissen nach Jahrzehnten der Trennung nur noch wenig übereinander. /Foto: Martin von den Driesch

Für Ihre Expedition sind Sie von Moskau aus zu einer großen Rundreise durch Eurasien aufgebrochen. War es das erste Mal, dass Sie so etwas unternommen haben?
Das ist die zweite Reise dieser Art, die ich mitgemacht habe. Im Jahr 2014 fand zum ersten Mal so eine Friedensexpedition statt. Die meisten Teilnehmer, damals und auch jetzt, sind Russland-Koreaner. Das Hauptziel war, Nordkorea zu bereisen und das hat damals auch geklappt. Wir sind am Ende von Wladiwostok nach Nordkorea eingefahren und konnten acht Tage durch das Land reisen. Wir hatten wirklich grünes Licht gekriegt, was in dieser Zeit schon sehr ungewöhnlich war.

Und in diesem Jahr?
Auch dieses Mal hatten wir geplant, von Wladiwostok aus nach Nordkorea hineinzukommen. Garantiert war das allerdings nicht: Wir sollten das erst relativ kurzfristig erfahren. Die nordkoreanische Seite war informiert und ich denke, die standen unserem Anliegen im Grunde auch positiv gegenüber. Leider war es so, dass wir Anfang August zu einem ungünstigen Zeitpunkt in Wladiwostok angekommen sind. Genau da fand nämlich eine groß angelegte Militärübung der USA und Südkorea, nur etwas südlich der Grenze zu Nordkorea, statt. Uns wurde deswegen von nordkoreanischer Seite gesagt, dass man unter solchen Vorzeichen unsere Friedensexpedition nicht mittragen könne. Stattdessen sind wir dann eben nach Südkorea gefahren mit der Fähre.

Dennoch sind Sie sowohl Süd- als auch Nordkoreanern auf Ihrer Reise begegnet, auch in Russland. Wie sehen die Menschen den Konflikt in ihrer Heimat?
Viele hat es vor 150 Jahren aus wirtschaftlichen Gründen nach Russland gezogen. Später gab es durch Stalin dann aber auch Zwangsverschiebungen. Wenn klar wurde, dass ich als Deutscher zu Gast bin, dann gingen die Fragen immer in die Richtung Mauerfall und Wiedervereinigung. Man merkt den Koreanern an, dass das Thema Annäherung zwischen dem Norden und Süden, schon ein großes Thema ist. Ich denke, ganz allgemein ist das Interesse der Nord- und Südkoreaner aneinander größer geworden. Gerade solche Dinge wie das Treffen der koreanischen Präsidenten oder die Geschichten mit Donald Trump, so albern sie auch sein mögen, haben schon zu größerer Neugier geführt.

Gibt es irgendwelche Anekdoten, an die Sie sich in diesem Zusammenhang erinnern können?
Ich kann mich in Seoul an einen älteren Herrn erinnern, den ich vor fünf Jahren auf der ersten Reise kennengelernt hatte. Er war damals ganz erfreut darüber, dass ich als Deutscher mit dabei war. Als ich ihn jetzt wiedergetroffen habe, wurde mir ganz euphorisch zum dreißigjährigen Mauerfall gratuliert. Die politische Situation macht ihn traurig, weil ein Teil seiner Verwandtschaft noch in Nordkorea lebt. Seit der Teilung hat er sie nicht mehr gesehen. Es gibt da ja nur diese unregelmäßigen Zusammenführungen, für die man sich bewerben kann und wo sich dann nach 50 Jahren Nord- und Südkoreaner wiederbegegnen. Aber das eben nur für ein paar Stunden und dann geht es wieder zurück.

Glauben Sie, dass die Koreaner aus der deutschen Wiedervereinigung etwas lernen können?
Ich glaube eigentlich, nicht allzu viel. Das sind in Korea natürlich viel krassere Fronten zwischen beiden Ländern. In der DDR war man in vielen Bereichen informiert: Man kannte die Musik, man wusste, was abgeht. Die meisten Nordkoreaner haben, glaube ich, dagegen gar keine Ahnung, wie das ein paar Kilometer weiter südlich aussieht. Da ist nichts mit Internet oder Fernsehempfang. Lernen könnten sie höchstens, dass regelmäßig Kontakt gehalten werden sollte und dass man nie weiß, wie schnell es plötzlich gehen kann.

Ihre Frau ist Russland-Koreanerin. Gibt es also auch eine persönliche Motivation, die hinter Ihren Expeditionen steht?
Richtig, die Familie meiner Frau hat ihre Wurzeln in Nordkorea. Deshalb ist sie natürlich daran interessiert, in das Land ihrer Vorfahren zu reisen. Dieses Mal konnte sie leider nicht mit, weil sie beruflich andere Dinge zu erledigen hatte, aber 2014 sind wir gemeinsam gefahren. Wir haben vor, diesen Winter oder im Frühjahr noch einmal nach Nordkorea zu reisen. Denn das Land ist ja offen für Touristen. Mit jeder weiteren Reise bekommt man auch einen etwas größeren Vertrauenszuschuss. Es wird registriert, dass man einfach an Land und Leuten interessiert ist.

Friedensexpedition „Crossing Frontiers“

Nach 2014 folgte in diesem Jahr die Neuauflage der sogenannten Friedensexpedition „Crossing Frontiers“, an deren Ende eine Überquerung der Grenze zwischen Nord- und Südkorea stehen sollte. Die geplante Route der Autoreise führte vom Roten Platz in Moskau über Kasachstan, Usbekistan, die Mongolei und China bis an die russisch-nordkoreanische Grenze. Von dort aus sollte ganz Korea von Norden nach Süden durchquert werden. Anlass der Friedensexpedition war das Jubiläum der koreanischen Märzbewegung, die sich vor hundert Jahren gegen die japanische Besatzung zur Wehr setzte.

Die Fragen stellte Patrick Volknant.

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