Aus dem Städtepartner-Nähkästchen

Zwei deutsche Aktive erzählen über ihre Erfahrungen mit ihren russischen Partnern.

Die deutsch-russischen Städtepartner trafen sich im südrussischen und sehr sonnigen Krasnodar. / Peggy Lohse

Deutsch-russische Städtepartner trafen sich im südrussischen und sehr sonnigen Krasnodar. / Peggy Lohse

Wenn Städte und Gemeinden sich anfreunden, ist das ein Prozess, der nicht nur allerlei Diplomatie und Bürokratie erfordert. Nein, auch auf persönlicher Ebene müssen die Beteiligten auf einer Wellenlänge sein. Dabei ergeben sich manchmal rührende, manchmal witzige Momente.

Lieder singen und Brezeln backen

Wolfram Jäger

Erster Bürgermeister der Stadt Karlsruhe

Karlsruhes Partnerstadt ist Krasnodar in Südrussland. / pixabay/skeeze

Karlsruhes Partnerstadt ist Krasnodar in Südrussland. / pixabay/skeeze

Als ich zum zweiten oder dritten Mal hier war, haben wir eine junge Studentin aus Krasnodar, stammend aus der Ukraine, die mich sehr beeindruckt hat mit ihrem Engagement in der deutschen Sprache, nach Karlsruhe eingeladen. Inzwischen lebt sie in Karlsruhe, ist verheiratet und hat Kinder.

Man erlebt ja immer etwas Amüsantes, etwas Erfreuliches. Ich bin jetzt zum zehnten Mal in Krasnodar, praktisch jedes Jahr zum Stadtfest. Wir haben ja unsere Austausche und inzwischen haben sich auch echte Freundschaften entwickelt, zum Beispiel mit dem bisherigen Bürgermeister der Stadt Krasnodar. Dieser, Wladimir Jewlanov, der ja jetzt Abgeordneter der Staatsduma ist, war dann auch mal bei mir zu Hause. Und letztes Jahr, da war meine Frau mit hier, da waren wir dann bei ihm privat eingeladen. Das entwickelt sich mit der Zeit dann so, dass gar nicht mehr so sehr der offizielle Kontakt im Vordergrund steht, sondern man sich freut, einen Freund wieder zu treffen.

Und es war überhaupt nicht schwer, diese Freundschaften zu entwickeln: Die Menschen hier in Krasnodar – speziell in Südrussland, denke ich – sind besonders offen, besonders emotional. Zum Beispiel eben der damalige Bürgermeister, der singt gerne. Als Oberbürgermeister stellte er sich bei einer Wahlveranstaltung auch schonmal hin und sang. Oder auch in Karlsruhe: Wenn wir da Abschiedsabendessen hatten, hat er immer gesungen. Russische Lieder bis hin zu „Kalinka”.

Wir haben ja auch eine sehr aktive Freundschaftsgesellschaft bei uns mit Krasnodar, die jedes Jahr mit einer mindestens 20- bis 25-köpfigen Delegation zum Stadtfest anreist. Dann haben wir traditionell zum Stadtfest immer einen Brezelbäcker mit dabei, einen Stadtrat, der Bäckermeister ist. Er hat es sich auf die Fahnen geschrieben, hier dann immer die Brezeln zu backen. Die finden nämlich eine reißende Abnahme. Nach ein paar Stunden sind die dann meist schon alle weg. Er muss ja auch die Lauge aus Deutschland mit hierher bringen. Da gab es dann auch schonmal Probleme mit dem Zoll, weil die meinten, das sei eine Flüssigkeit, die irgendwie gefährlich sein könnte. Also so allerlei Erlebnisse gibt es immer wieder.

Gelöste Sorgen – oder wie im Fernsehen

Sibylle Menzel

Russischlehrerin am Gymnasium Höchstadt, Vorsitzende des Freundeskreises Höchstadt – Krasnogorsk e.V.

Höchstadt und Krasnogorsk sind Städtepartner. / wikipedia/Aarp65

Höchstadt und Krasnogorsk sind Städtepartner. / wikipedia/Aarp65

Ich bin von Anfang an dabei. Die Idee zu einer Schulpartnerschaft kam 1996 vom Gymnasium Opalicha. Die damalige Direktorin ist dann zum benachbarten „Krasnogorskije Sredstwa” gegangen, das damals seit Kurzem in deutscher Hand war, und haben um Vermittlung eines Briefkontaktes nach Deutschland gebeten. Daraus wurde der Schüleraustausch. Ich war damals Vorsitzende des Elternbeirats in unserem Höchstädter Gymnasiums. Dort wurde dann damals angesprochen, wie denn die Eltern dazu stehen. Und ich habe, weil ich als Russischlehrerin vielleicht auch vorbelastet bin, gesagt: Natürlich befürworte ich das sehr und bin auch bereit mitzumachen, wann immer ich die Gelegenheit dazu habe.

Zuerst kam eine Erkundungsgruppe russischer Lehrer zu uns und ab dann jedes Jahr eine Gruppe von deutschen Schülern im Frühjahr nach Krasnogorsk und im Herbst der russische Gegenbesuch zu uns. Das ist ein Schüleraustausch zum Kennenlernen eines neuen Systems, eines Systems im Wandel, einer Kultur, die sich stärker von unserer unterscheidet als die Englands oder Frankreichs. Es war von Anfang an ein kultureller, freundschaftlicher Austausch, sprachlich auch.

Dann haben sich auch die Bürgermeister kennengelernt und über die sehr guten Wirtschaftsbeziehungen weitete sich das aus. Dann stand eine Städtepartnerschaft im Raum – von Höchstädter Seite, soweit ich mich erinnere, ein bisschen mit der Frage: Was können wir als Kleinstadt – wir haben im Moment etwa 15 000 Einwohner  –   mit Krasnogorsk machen, das damals schon bei 160 000 war und mittlerweile bei weit über 200 000 ist? Da stimmt ja die Relation nicht wirklich. Aber Krasnogorsk hat gesagt: Das macht nix, das geht auch. Und siehe da, es klappt.

Was mich immer besonders bewegt, sind die menschlichen Begegnungen. Wenn Schüler vorher Bedenken haben: „Da war der Krieg.” Sie wissen ja immerhin, dass Russland im Zweiten Weltkrieg sehr gelitten hat. Und oft ist die bange Frage: „Jetzt komme ich als Deutscher in eine Familie und die wissen, wie es dem Opa ergangen ist. Wird es da Probleme geben?” Und alle kommen zurück und sagen: „Nein, es war so herzlich!” In Russland wird ja ganz klar getrennt zwischen den Deutschen heute und den Faschisten damals. Und diese Erfahrung ist für unsere Schüler immer wieder bewegend.

In schlechten wie in guten Zeiten

Wir haben in Krasnogorsk ja auch ein Museum der deutschen Antifaschisten, wo wir immer hingehen. Dort haben wir eine Ärztin als Zeitzeugin kennengelernt, die ein Buch über drei Jahre in einem Lazarett für deutsche Kriegsgefangene geschrieben hat. Das war eine extrem bewegende Buchvorstellung. Wir haben das Buch ins Deutsche übersetzt. Später haben wir mit Nachfolgern dieser Ärztin, die in dem Lazarett gearbeitet haben, die Autorin besuchen können. Das war für mich eine extrem bereichernde Erfahrung und ein Geschenk, dass ich sagen kann, ich war in ihren letzten Lebensjahren mit ihr befreundet.

Dann ist in Krasnogorsk eine Orgel gebaut worden – über Kontakte innerhalb des Freundeskreises als auch über das Wirtschaftsunternehmen Martin Bauer KLS von einem Orgelbaumeister aus unserer Gegend. Bei der Orgeleinweihung durfte ich dann dabei sein. Und dann fliege ich am Sonntagabend zurück und in meinem Pass steht natürlich, dass die Einladung von der Administration der Region Krasnogorsk stammte. Die junge Frau, die den Pass kontrolliert, schaut mich an: „Sie sprechen Russisch” „Ja”, antwortete ich. „Und Sie waren bei der Orgel-Einweihung in Krasnogorsk?” „Ja.” Und sie meint begeistert: „Ach, wie interessant. Ich habe das gestern Abend im Fernsehen gesehen.” Solche Momente sind dann auch immer wieder schön.

Aufgeschrieben von Peggy Lohse

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