Zwischen giga und gaga: Wie SIM-pathisch ist Deutschland?

Von der Wolga an die Spree: Die Russlanddeutsche Uljana Iljina (48), Lehrerin, Übersetzerin und Texterin, ist als Spätaussiedlerin nach Deutschland gekommen. In ihrer MDZ-Kolumne „Deutschland-Tagebuch“ schreibt sie aus Berlin darüber, wie sie ihre neue Heimat – die Heimat ihrer Vorfahren – erlebt.

Auch an der Tankstelle kann das Telefon „aufgetankt“ werden. (Foto: Uljana Iljina)

Es war 2013, als Angela Merkel bei einem Treffen mit Barack Obama den Satz sagte: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Damit erntete sie seinerzeit viel Spott und Häme. Denn selbst vor zehn Jahren entbehrte die Aussage nicht einer gewissen Komik. Weltweit, Russland eingeschlossen, waren Internettechnologien schon damals Alltag. Sie als Terra incognita zu bezeichnen, konnte nur verwundern.

Nicht fix, aber fertig

Aber die Worte von Frau Merkel hallen bis heute nach. Ein befreundeter Berliner meint, dass die Digitalisierung „einen Bogen um Deutschland gemacht“ habe. Fairerweise muss man sagen, dass das natürlich nicht so ganz zutrifft. Aber im Großen und Ganzen dauert alles, was Internet und Mobilfunk angeht, hier furchtbar lange und ist mit allen möglichen Schwierigkeiten verbunden.

Meine erste deutsche SIM-Karte habe ich von Freunden mit der Post bekommen, als wir nach der Ankunft in Deutschland einige Wochen im Quarantäne-Hotel verbringen mussten. Die Karte zu aktivieren, war nicht unbedingt die leichteste Übung. Nach einer Online-Regis­trierung musste ich mich per Videochat mit einem Kundendienstmitarbeiter verbinden, ihm meinen Pass aus allen möglichen Perspektiven zeigen, die Jalousien öffnen und schließen beziehungsweise das Licht aus- und einschalten, weil das Hologramm schlecht zu erkennen war, und zwecks Prüfung meiner Identität alle Angaben aus dem Pass auswendig aufsagen. Das habe ich gemeistert.

Wanted: unbegrenztes Internet

In unserem Berliner Ausländerwohnheim hatte das Netz nun erst recht ein paar Löcher. Das WLAN zu erhaschen, funktioniert nur auf den Gängen, und auch das nicht immer beim ersten Versuch. Die Frage war deshalb, wie man zu Internet kommt, das unabhängig davon ist. Einen Zugang in unserem Wohnheimzimmer einzurichten, geht aus technischen Gründen nicht. Also habe ich mich auf die Suche nach einem Anbieter von unbegrenztem mobilen Internet gemacht und ihn – nach dem Studium vieler Seiten an Nutzungsbedingungen – auch gefunden.

Aber mit dem Kauf des gewünschten Pakets war es längst nicht getan. Um loslegen zu können und nicht länger alle paar Minuten auf den Flur rennen zu müssen, waren noch so einige Hürden zu überwinden, was mich das eine oder andere graue Haar gekostet hat. Erst einmal muss man sich die entsprechende App herunterladen (ein großer Spaß bei instabilem WLAN) und die nötigen Angaben eintragen, darunter auch die Zahlungsart, also PayPal. Dazu bedarf es einer weiteren App. Das i-Tüpfelchen: Der Bestätigungscode, mit dem der Vorgang abgeschlossen wird, steht auf dem Kontoauszug, den man in der Bankfiliale aus­drucken kann. Es wäre untertrieben zu sagen, dass in meinem Kopf etliche Megatonnen Sprengstoff explodiert sind. Aber auch diese Herausforderung habe ich bewältigt. 

Das passende Paket

In Russland gibt es in Sachen Mobilfunk drei große Anbieter, die sich beim Preis-Leistungs-Verhältnis in etwa gleichen, sodass die Auswahl kaum Kopfzerbrechen bereitet. In Deutschland tummeln sich neben den großen Providern Deutsche Telekom, Vodafone und O2 noch rund 50 kleinere auf dem Markt. Die Pakettarife unterscheiden sich in erster Linie durch die darin enthaltenen Datenvolumen beim Internet, welche meist innerhalb weniger Tage aufgebraucht sind. Gigabytes können zugekauft werden. Die Anrufminuten sind dabei unbegrenzt, was natürlich erfreulich ist.

Ungewohnt war für mich, dass SIM-Karten in jedem Supermarkt und an der Tankstelle zu haben sind. An der Prozedur für die Freischaltung ändert sich dadurch aber nichts. Manchmal tauchen Stolpersteine dort auf, wo man sie wirklich nicht vermutet. Zwecks Aktivierung der SIM-Karten für meine Kinder habe ich das oben beschriebene Verfahren durchlaufen. Einige Stunden später wurde mir jedoch vom Provider per E-Mail eine Absage erteilt. Da habe ich einen Schreck bekommen. Hatte ich vielleicht die Straße an der falschen Stelle überquert? Lief ein Strafverfahren gegen mich? Wurde ich von Interpol gesucht?

Zurück auf Start

Ich wollte die Gründe für die Absage wissen, schrieb und rief den Anbieter an, bat und schimpfte, drohte sogar ein wenig mit dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation, wo ich mich beschweren würde. Wobei sich allerdings herausstellte, dass das schon seit 1997 nicht mehr existiert und heute die Bundesnetzagentur für solche Fragen zuständig ist.

Geholfen hat das jedenfalls alles nichts. Man wollte mir die Entscheidung nicht begründen, erstattete lediglich die Kosten und drückte sein Bedauern aus. Es ging also alles wieder von vorn los, wobei der neue Provider nett und freundlich erklärte, die Aktivierung könne nicht mit einem vorläufigen Pass vorgenommen werden, nur mit einem ständigen. Ob der nun in Deutschland, Russland, der Türkei oder auf dem Mars ausgestellt wurde. Auch das haben wir letztlich geregelt. Nur braucht mein Nervensystem jetzt wohl ärztliche Hilfe. Aber das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.

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