Pjatigorsk: Ein Stück Baden-Baden im Kaukasus

Heilquellen, Kurparks und die mondäne Architektur des 19. Jahrhunderts, ein Mix aus unterschiedlichen Kulturen, dazu eine malerische, südlän­dische Berglandschaft machen die Kurorte des Nordkaukasus zu einem bezaubernden Reiseziel.

Seilbahn auf den Maschuk in Pjatigorskk
Mit der Seilbahn kommt man auf den 993 Meter hohen Maschuk. (Foto: Jiří Hönes)

Auf dem Prospekt Kirowa ist abends immer etwas los. Die Straßencafés sind voll, Einheimische wie Touristen flanieren die Allee entlang und aus den offenen Fenstern der Autos dröhnt im Wechsel kauka­sische Dance-Musik und russischer Pop. Auch nach Einbruch der Dunkelheit zeigt das Thermometer noch knapp 30 Grad auf der Ausgehmeile von Pjatigorsk, dem größten der Kurorte im Nordkaukasus.

Knapp 150.000 Einwohner zählt die Stadt der fünf Berge, wie der Name übersetzt heißt. Sie liegt an einem Ausläufer des Kaukasus rund 500 Meter über dem Meeresspiegel. Beim Gang durch die Straßen fühlt man sich auf Schritt und Tritt in die Glanzzeit der europäischen Heilbäder zurückversetzt. Die Bäderarchitektur des 19. Jahrhunderts begegnet an jeder Ecke, Trinkhallen, Hotels und Kursäle versprühen den Charme dieser glanzvollen Epoche.

Erste Hotels entstanden um 1820

Der Ursprung der Stadt geht auch auf diese Zeit zurück. Die Heilwässer des Kaukasus waren zwar schon vorher bekannt, schon 1717 hatte Zar Peter der Große den deutschen Mediziner Gottlieb Schober in die Gegend geschickt, um Mineralquellen zu suchen. Doch an der Stelle der heutigen Stadt entstand 1780 erst einmal nur eine Festung. Im Jahr 1793 untersuchte der Naturforscher Peter Simon Pallas die Quellen und schrieb später: „Ich bin überzeugt, dass dieses Wasser bei einer Vielzahl von Krankheiten sehr wirksam sein wird, wenn mehr Menschen davon erfahren“.

Der Adler ist das Wappentier von Pjatigorsk.
Der Adler ist das Wappentier von Pjatigorsk. (Foto: Jiří Hönes)

Und es sollten bald viele davon erfahren. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die heißen, schwefelhaltigen Quellen erschlossen, in den 1820er Jahren entstanden die ersten Hotels. Der Ort wuchs schnell zu einer Stadt heran und zog Kurgäste aus dem ganzen Reich an.

Ein Pilgerort für Lermontow-Fans

Einer der berühmtesten Gäste war der romantische Dichter Michail Lermontow. Der weilte hier jedoch nicht zur Kur, sondern beim Militär. Wegen eines Duells war er in den Kaukasus verbannt worden und diente als Offizier. In Pjatigorsk geriet er im Sommer 1841 mit einem pensionierten Major aneinander, es kam erneut zu einem Duell. Für Lermontow endete es tödlich.

Lermontow-Konzerthaus in Pjatigorsk
Der Park Zwetnik begeistert mit seiner Blütenpracht und dem Lermontow-Konzerthaus. (Foto: Jiří Hönes)

Heute erinnert vieles in der Stadt an den Dichter. Der Schauplatz des Duells wurde zu einem regelrechten Pilgerort, das Haus, das er zuletzt bewohnt hatte, ist heute ein Museum. Und am Fuße des Hausbergs Maschuk findet man die Lermontow-Grotte, wo er angeblich gerne saß und das Treiben im Heilbad beobachtete.

Ebenfalls den Namen des Dichters trägt das 1901 erbaue Konzerthaus im Park Zwetnik, dem wohl schönsten der zahlreichen Parks der Stadt. Von hier lässt sich der sogenannte Heiße Berg erklimmen, aus dem die Quellen sprudeln. Eine bronzene Adlerskulptur thront hier auf einem Vorsprung. Folgt man dem Fußweg weiter hinauf, kommt man an nicht gefassten, heißen Quellen vorbei. Faszinierend, wie das warme, nach Schwefel muffelnde Wasser aus dem Berg dringt!

Ein muffelndes Naturwunder

Noch mehr Muffelgeruch spürt man im sogenannten Prowal, einer der Hauptattraktionen der Stadt. Das ist ein mit Mineralwasser gefüllter Karstsee in einer 26 Meter tiefen, oben offenen Höhle. Seit 1857 führt ein waagerechter Stollen für Fußgänger hinein in den Berg, sodass der tiefblaue See aus nächster Nähe bewundert werden kann. Souvenirstände und Cafés tummeln sich um den Stolleneingang.

Wer noch weiter hinauf will, kann mit einer Seilbahn auf den 993 Meter hohen Maschuk schweben. Die Gondeln stammen noch aus Sowjetzeiten, ebenso die Tal- und Bergstation, die mit ihrer eleganten Architektur begeistern.

Elbrus
Tagesausflug in den Winter: Seilbahnstation am Elbrus (Foto: Jiří Hönes)

Bei gutem Wetter sieht man von hier oben bis zum Elbrus, dem höchsten Berg Russlands. Mit seinen 5642 Metern ist der auch im Hochsommer mit Schnee bedeckt und wirkt mit seinen beiden weißen Gipfeln wie ein Gruß aus einer anderen Welt. Dabei ist er nur einen Tagesausflug entfernt. An jeder Ecke in der Stadt werden Bustouren angeboten. Mit Seilbahnen kommt man bis auf eine Höhe von 3847 Meter. Ein unvergessliches Erlebnis, Wintervergnügen im Sommer, leichtes Schwindelgefühl inklusive.

Ausflüge ins Umland: Kislowodsk, Jessentuki, Schelesnowodsk

Doch auch die nähere Umgebung von Pjatigorsk lädt zu Ausflügen ein. Die Kurstadt Kislowodsk ist vielleicht noch berühmter, wenn auch etwas kleiner. Hier herrscht noch mehr Baden-Baden-Flair, so aufgeräumt und herausgeputzt zeigt sich Russland außerhalb von Moskau selten. Die Fußgängerzone wartet auch hier mit Prachtbauten aus der späten Zarenzeit auf, Blumenpracht ziert die Grünflächen.

Trinkhalle in Kislowodsk
Narsan-Wasser gibt es in der Kislowodsker Trinkhalle zu kosten. (Foto: Jiří Hönes)

Schier endlos ist der Kurpark, der sich von der neugotischen Narsan-Trinkhalle in der Innenstadt bis weit das Tal hinauf erstreckt. Auch hier gibt es eine Seilbahn, die jedoch derzeit wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb ist.

Kulinarische Raffinessen der lokalen Küche

Auch das kleinere Städtchen Jessentuki kann mit einem riesigen Kurpark aufwarten. Zwei Trinkhallen liefern die berühmten Heilwässer „Nr. 4“ und „Nr. 17“, die es in ganz Russland in grünen Flaschen zu kaufen gibt. Doch in warm schmecken sie noch einmal ganz anders! Im benachbarten Schelesnowodsk hat die Slawjanowskij-Quelle ihre Heimat, der dortige Kurpark besticht mit seiner opulenten Wassertreppe.

Doch egal wohin es geht, am Abend braucht es eine Stärkung. Kulinarisch ist die Region ebenfalls ein Fest für die Sinne. Neben Russen leben hier Armenier, Aserbaidschaner, Kabardiner, Osseten und viele andere, deren landestypische Rezepte die übergreifend als „kaukasisch“ bezeichnete Küche der Region prägen. Wie wäre es zum Beispiel mit Adschapsandali, einem meist warm servierten Salat aus gegrillten Auberginen, Paprika und Tomaten, verfeinert mit frischem Koriander und Petersilie? Oder dem geor­gischen Tschanachi, einem Hammeleintopf mit Auberginen und Knoblauch? In jedem Café und Restaurant findet man neben Klassikern der russischen Küche Spezialitäten aus dem Kaukasus.

Jiří Hönes

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