Moskauer Wende: Deutsche Eindrücke aus der UdSSR

Hermann Krause war ARD-Korrespondent in Moskau, als die Nachrichten vom Fall der Berliner Mauer um die Welt gingen. Wie hat er diese Stunden und Tage erlebt? Wie wurde in der Sowjetunion darüber berichtet?

Hermann Krause verfolgte die Ereignisse von Moskau aus.

„Auch das noch!“ – Das war der erste Gedanke, der Hermann Krause durch den Kopf ging, als er im Moskauer ARD-Hörfunkstudio die Nachrichten aus Berlin hörte. „Die Situation damals war für uns Korrespondenten sowieso so etwas wie eine völlige Überforderung. Wir hatten unendlich viel zu tun. Es ereigneten sich jeden Tag überraschende Dinge, der dramatische Bergarbeiterstreik in Kemerowo, Unruhen und Nationalitätenkonflikte, die innenpolitische Lage wurde für Michail Gorbatschow immer komplizierter. Die Entwicklung in der DDR spielte angesichts dieser vielen Themen hier keine so große Rolle“, erzählt Krause.

Da im sowjetischen Fernsehen zunächst überhaupt nichts über die Ereignisse in Berlin berichtet wurde, versammelte man sich am Abend des 9. November bei einem Kollegen, der eine Satellitenschüssel hatte und deutsches Fernsehen empfangen konnte. „Wir sind dann immer wieder zurück ins Studio, um zu schauen, ob es denn bei den sowjetischen Agenturen irgendwelche Reaktionen gab. Aber es gab keine!“

Es sollte noch zwei Tage dauern, bis die Tageszeitung „Prawda“ eine kleine Meldung brachte. „Da war dann die Rede davon, dass Bundeskanzler Helmut Kohl seine Reise nach Polen aufgrund einer dramatischen Situation an der deutsch-deutschen Grenze unterbrechen musste“, erinnert sich Krause. „Es wurde auch der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble zitiert, der gesagt habe, die DDR-Bürger könnten in die BRD ausreisen, sollten sich dies aber aufgrund der beengten Wohnsituation in der BRD gut überlegen. Ob er das je gesagt hat, wissen wir nicht. Ich hoffe nicht!“ Vom Fall der Mauer war aber, so Krause, zunächst in keinem Artikel die Rede.

„Gorbatschow hatte zwar Perestroika und Glasnost verkündet, doch die Zeitungen und vor allem das Fernsehen in der Sowjetunion waren noch stark unter dem Einfluss der Kommunistischen Partei. Und dort hatte man große Sorge, dass der Fall der Berliner Mauer in der Sowjetunion zu Unruhen führen könnte. Folglich hat man darüber wenig bis gar nicht berichtet“, erinnert sich Krause.

Als Hörfunkkorrespondent war er dann auf Bitten der Heimatredaktion in den Straßen Moskaus unterwegs, um Menschen zu befragen: „Aber die wussten von alledem nichts. Denen musste man erst einmal erzählen, dass die Mauer gefallen war, dass Ostberliner jetzt nach Westen gehen konnten und umgekehrt. Fast alle sagten: „Das finde ich aber gut, herzlichen Glückwunsch!“

In der Rückschau sagt Hermann Krause, er müsse offen gestehen, dass ihn die damaligen Ereignisse aus seiner Moskauer Sicht emotional gar nicht so sehr berührt hätten. „Für uns war ja die entscheidende Frage: Welche Auswirkungen hat das für Gorbatschow, für die Perestroika, für seine Außenpolitik?“ Sicher, es habe jeder bedauert, damals nicht in Berlin gewesen zu sein. „Aber meine Aufgabe war es, über das zu berichten, was unter Gorbatschow in der Sowjetunion passierte. Und das war ungemein spannend.“

Jiří Hönes

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