Mehr Reiche und weniger Arme

Der neueste Global Wealth Report der Credit Suisse für das Jahr 2019 liefert erstaunliche Zahlen zu Russland. So erstaunliche, dass sich viele Russen vermutlich die Augen reiben werden. Ihr Pro-Kopf-Vermögen ist demnach innerhalb eines Jahres um 37 Prozent gestiegen. Wie kann das sein?

Die Statistiker haben den Russen in die Brieftasche geschaut und interessante Daten zu Tage gefördert. © Tino Künzel

Dass Russland ein reiches Land ist, wusste man bereits. Aber es galt auch als gesichert, dass der Großteil der Menschen an diesem Reichtum kaum partizipiert und zudem in den letzten Jahren materiell auf der Stelle tritt, wenn nicht sogar deutliche Abstriche beim Lebensstandard in Kauf nehmen muss.  Als Gründe dafür werden vor allem Sanktionen, Rubelverfall, geringes Wirtschaftswachstum und gesunkene Reallöhne genannt.

Der Global Wealth Report der Schweizer Großbank Credit Suisse zeichnet allerdings ein anderes Bild, zumindest auf den ersten Blick. Laut der aktuellen Ausgabe, die Mitte Oktober veröffentlicht wurde, betrug das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen der Russen zur Jahresmitte 27.381 US-Dollar. Das ist ein Plus von sage und schreibe 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr und von 63 Prozent gegenüber 2017. Eine Erklärung für diese scheinbar paradoxe Dynamik liefert Credit Suisse nicht, sie könnte sich aber aus anderen Zahlen der Studie ergeben.

So hat sich nämlich die Zahl der russischen Dollarmillionäre seit 2018 sprunghaft erhöht – um satte 43 Prozent auf 246.000. Dollarmilliardäre gibt es inzwischen 110 statt „nur“ 74 vor einem Jahr. Auf die reichsten zehn Prozent der Russen entfallen laut Report 83 Prozent des Privatvermögens im Lande. Das ist mehr als in führenden Wirtschaftsnationen wie den USA (76%) und China (60%) und dürfte sich in hohem Maße auch auf die Durchschnittswerte ausgewirkt haben.

Die meisten Russen würden sich zumindest sehr wundern, dass sich ihre Haushaltssituation kardinal verbessert haben soll. Der staatliche Statistikdienst Rosstat hat gerade gemeldet, dass in 49,4 Prozent der russischen Familien das Geld nur für Essen und Kleidung reicht – ein Plus von 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Weitere 32,6 Prozent gaben an, sich auch Konsumgüter leisten zu können, aber kein Auto (+2 % im Vergleich zu 2018). Laut Rosstat handele es sich dabei dennoch um eine erfreuliche Entwicklung und positive Umverteilung, weil ärmere Schichten in nächsthöhere Kategorien aufgestiegen seien. So sei innerhalb eines Jahres der Anteil derer, die sich finanziell schon mit dem Kauf von Kleidung schwertun, um zwei Prozent auf 14,1 Prozent gesunken.

Was das Pro-Kopf-Vermögen von 27.381 Dollar betrifft, so macht es allenthalben nur 12,6 Prozent dessen aus, was ein Deutscher laut Credit Suisse hat (216.654 USD). Und auch das noch: In Deutschland liegt die Zahl der Dollarmillionäre bei fast 2,2 Millionen.

Tino Künzel

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