Gemischte Gefühle in Moskau: Söders erstes Treffen mit Putin

Kleine Schritte auf großem Parkett: Auf Einladung des Kremls kam CSU-Chef Söder für rund 24 Stunden nach Moskau. Wichtigster Termin war ein Treffen mit Präsident Putin, das Söder anschließend „sehr freundlich“ nannte. Außenpolitisch vertrat er dabei anders als andere Ministerpräsidenten vor ihm die Position der Bundesregierung.

Noch ganz im weihnachtlich-märchenhaften Festschmuck präsentiert sich die russische Hauptstadt beim Besuch von CSU-Chef Markus Söder. Er war zwar schon mehrfach in Moskau, aber sein vierter Besuch ist der bisher wichtigste. Erstmals trifft er Präsident Wladimir Putin persönlich. Die festliche Deko am Roten Platz und sonst überall, sagt Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin mit feierlichem Lächeln, stehe und hänge noch immer – extra für den Gast aus München. Söder hat bayerisches Bier als Gastgeschenk für Putin und Sobjanin dabei. Aber er ist nicht gekommen, um nur Freundlichkeiten auszutauschen.

Angekommen in Moskau…

Опубликовано Markus Söder Вторник, 28 января 2020 г.

Es ist dem Ministerpräsidenten aus Bayern anzumerken, dass er mit gemischten Gefühlen angereist ist. Eine Einladung von Putin schlägt niemand aus. Trotzdem sind die Zeiten für solche Treffen nicht gerade ideal. Der Mord an einem Georgier in Berlin – womöglich im staatlichen russischen Auftrag – belastet die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Söder spricht das an. Auch die Sanktionen im Ukraine-Konflikt hängen wie die dunklen Wolken an diesem grauen Moskauer Wintertag über dem deutsch-russischen Verhältnis.

Für den 53-Jährigen ist es die erste Russlandreise seit seiner Wahl zum CSU-Vorsitzenden und bayerischen Regierungschef. Er führt damit eine lange Tradition von Besuchen aus dem Freistaat fort: Zuletzt hatte Horst Seehofer 2017 den Kreml besucht, 30 Jahre nach dem Premierenbesuch von Franz Josef Strauß im selbst gesteuerten Flieger.

Sanktionen? Russland muss sich bewegen

Für Söder ist die Reise ein Balanceakt. Er weiß um die wirtschaftlichen Interessen bayerischer Konzerne in Russland. Siemens ist groß hier, die Russen fahren auch gern Autos aus dem Freistaat. Zugleich muss er betonen, dass die Sanktionen bleiben, solange es keine echten Fortschritte gibt bei der Lösung des blutigen Konflikts in der Ostukraine. Darin unterscheidet er sich etwa von den ostdeutschen Ministerpräsidenten, die für ein Ende der Sanktionen plädieren – und für Putin daher die angenehmsten Gäste sind.

Nach seinem Arbeitstreffen im Kreml sagt Söder, Deutschland und Russland hätten unterschiedliche Sichten auf die Welt. Hoffnungsvoll sei jedoch das Bewusstsein, „dass beide Länder enger zusammenarbeiten müssen“. Es komme nun darauf an, das Gesamtbild Russlands in Deutschland zu verbessern.

An dem Treffen im Kreml nahmen auf russischer Seite neben Präsident Putin auch der neue Wirtschaftsminister Reschetnikow, Rosneft-Chef Setschin und der Moskauer Bürgermeister Sobjanin teil. (Foto: Facebook Markus Söder)

Das etwa halbstündige Gespräch mit dem russischen Präsidenten bezeichnete Söder als sehr freundlich und interessiert von beiden Seiten. Putin hatte ihn eingeladen in den Kreml. Dabei sprach Söder nach eigenen Angaben auch dreimal den Mord an dem Georgier an. Putin habe „einmal genickt“. Die Reaktion sei „nicht überragend“ gewesen. Russland müsse Respekt zeigen für die Souveränität Deutschlands, betonte Söder. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt staatliche Stellen in Russland oder in der Teilrepublik Tschetschenien, den Mord in Auftrag gegeben zu haben.

Auf einer Wellenlänge mit Merkel

Söder will die Linie der deutschen Außenpolitik mit seinem Besuch verstärken, wie er sagt. Er hat sich mehrfach mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesprochen – sie befürworte den Besuch bei Putin. Dabei bewegt sich Söder in Moskau auch auf dem großen diplomatischen Parkett – immer mit dem versierten deutschen Botschafter Géza Andreas von Geyr als Sicherheitsnetz an seiner Seite. Aus München hat er sich auch noch Diplomat Wolfgang Ischinger zur Unterstützung mitgebracht. Söder, der wie Ischinger eigentlich Transatlantiker ist, hebt Russlands starke Rolle bei dem Versuch hervor, Konflikte wie in Syrien und Libyen zu lösen.

„Es ist mir klar, dass sich mit so einem Besuch nicht die Welt verändern wird. Ich überschätze das nicht, ich überschätze mich nicht“, sagt er.  In diesem Monat war bereits Merkel stundenlang im Kreml – wegen Libyen. Putin folgte dann ihrer Einladung zur Berliner Libyen-Konferenz. Russland sieht sich als gefragter Stabilitätsfaktor in der internationalen Politik, vor allem mit Blick auf die umstrittene Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump. Während Söder innenpolitisch – etwa bei seinen Treffen mit Merkel im Kanzleramt – nicht selten mit ihrer ruhig-stoischen Art hadert, nennt er ihre außenpolitische Strategie, „mit kleinen Schritten zu größeren Erfolgen zu kommen“, anerkennend den „einzig sinnvollen Weg“.

Aber warum hat Putin Söder eingeladen? Russen schätzen Bayern – nicht nur wegen der wirtschaftlichen Stärke. Beliebt sind auch bayerisches Brauchtum, Bier und Weißwürste. Und nicht zuletzt ist Söders Besuch bei Putin Futter für das russische Staatsfernsehen. Als Söder in der Früh mit einer Kranzniederlegung an den Sieg der Sowjetunion über den Hitlerfaschismus erinnert, sind die russischen Kameras ganz nah dran.

Markus Söder am Grabmal des Unbekannten Soldaten im Alexandergarten, neben ihm der für die Außenbeziehungen zuständige Minister der Moskauer Stadtregierung, Sergej Tscherjomin. (Foto: Facebook Markus Söder)

Es ist ein Moment der Stille, während nebenan der Weihnachtsmarkt noch immer glänzt. Später lobt Söder bei seinem Treffen mit Bürgermeister Sobjanin, dass sich viel verändert habe in der Hauptstadt. Moskau versprühe „gute Laune“, meint er.

Kremlchef Putin hat ihn aber nicht deshalb zu sich gerufen. Zum einen gibt es eine lange Tradition der Besuche von CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten in Moskau. Ein persönliches Treffen mit ihnen ist für alle russischen Präsidenten stets eine politische Kür. Vor allem aber ist Russland dringend auf Investitionen angewiesen. Wirtschaftlich geht es dem Land wegen der seit mehr als fünf Jahren geltenden Sanktionen und wegen der vergleichsweise niedrigen Ölpreise schlecht wie seit Jahren nicht mehr.

Etwas Zählbares: Vereinbarung mit Moskau

Putin hat Reformen angekündigt. Es gibt eine neue Regierung – und mit ihr die Hoffnung, dass deutsche und andere westliche Geldgeber wieder mehr investieren. Söder macht in Moskau deutlich, dass viel mehr möglich sei in den deutsch-russischen Beziehungen als heute. Er betont aber auch, dass sich vor allem Russland dafür bewegen müsse. Nicht nur im Ukraine-Konflikt.

Als Zeichen des guten Willens vereinbaren Bayern und die Region Moskau eine engere Zusammenarbeit in Wirtschaft und Wissenschaft. Söder und der Moskauer Bürgermeister Sobjanin unterzeichnen dazu eine Kooperationsvereinbarung, die unter anderem einen stärkeren Wissenschaftsaustausch durch Stipendienprogramme für Studierende vorsieht. Bereits am Vorabend traf sich Söder mit Menschenrechtlern etwa von den Organisationen Memorial und Golos. Die als „ausländische Agenten“ gebrandmarkten Organisationen beklagen im Land seit langem wachsende Repressalien.

Ulf Mauder, Marco Hadem (dpa)

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