Die deutsch-russische Tonlage an der Schwelle des 21. Jahrhunderts

Vor 25 Jahren waren Russland und Deutschland überzeugt, dass sie in eine Ära des friedlichen Miteinanders eintreten. Darüber sprach Bundespräsident Roman Herzog während seines Besuches in Russland. Jetzt erinnert nur noch das von Herzog eröffnete Deutsch-Russische Haus in Moskau an die kurze Zeitspanne der Zuversicht über eine gemeinsame Zukunft.

Bundespräsident Roman Herzog auf dem Friedhof in Ljublino, Moskau (Foto: Reuters)

Der 63-jährige Roman Herzog kam am letzten Sommertag 1997 in die russische Hauptstadt. Seine Reise war ein wahrhaft historisches Ereignis – der erste Besuch eines Bundespräsidenten im postsowjetischen Russland. Allerdings ging dieser 31. August in die Geschichte vor allem deshalb ein, weil an diesem Tag Prinzessin Diana in Paris tödlich verunglückte. Dieser Autounfall erschütterte die ganze Welt.

Russland im Jahre 1997

Moskau schickte sich an, seinen 850. Geburtstag groß und ausgiebig zu feiern. Kurz vorher weilte der Präsident der Tschetschenischen Republik Itschkerien Aslan Maschadow in der Hauptstadt. Er forderte von Präsident Boris Jelzin die Unterzeichnung des Vertrages, der Tschetschenien als unabhängigen Staat anerkennt. Das war das Jahr der Verhandlungen der russischen Führung mit den Anführern der separatistischen Banden der Republik. Das Jahr des Vertragsabschlusses über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Russland und der Ukraine. Aber auch das Jahr der NATO-Russland-Grundakte.

Am 25. August endete der sogenannte Politbüroprozess, in dessen Verlauf Egon Krenz als letztes Oberhaupt der DDR zu sechseinhalb Jahren Haft wegen der Beteiligung am Tod von vier Menschen an der Berliner Mauer verurteilt wurde. Die Kommunistische Partei Russlands äußerte ihr Missfallen an dem Urteil und war gegen den Auftritt des Bundespräsidenten im Plenarsaal der Duma, wie es ursprünglich vorgesehen war. Fotos vom Treffen Herzogs am 3. September mit Abgeordneten in einem kleinen Saal des Parlaments sowie der Text seiner halbstündigen Rede sind erhalten geblieben.

„Ein bewegender Moment“

Der hohe Gast sprach von einem „bewegenden Moment“, einer „neuen Ära“ und dass sein Besuch „Ausdruck des historischen Epochenwandels im Verhältnis unserer Nationen“ sei.

Und Roman Herzog sagte auch: „Wir brauchen Zusammenarbeit, im europäischen wie im globalen Maßstab, um die Herausforderungen zu bewältigen, die in den nächsten Jahrzehnten vor uns liegen: die weiter wachsende Weltbevölkerung, die globalen Umweltprobleme, die weltweite Arbeitslosigkeit, die neuen transnationalen Sicherheitsrisiken wie Drogenhandel und Waffenschmuggel. […] Die Menschheit kann bei ihrer Lösung auf eine große Nation wie Russland nicht verzichten. Lassen Sie uns also die Potenziale bündeln, um die Partnerschaft für das 21. Jahrhundert zu entwickeln, zum Nutzen der Menschen und unserer Völker!“ Mit diesen Worten wandte er sich im Prinzip an alle Bürger Russlands.

In den ersten Septembertagen besuchte der Bundespräsident Museen und Kathedralen des Kreml und spazierte über den Roten Platz. Er legte einen Kranz an den Gräbern sowjetischer Soldaten in Ljublino nieder, wo auch deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges beigesetzt worden waren. Am 1. September traf er sich mit Boris Jelzin. Genau an diesem Tag verkündete Jelzin, dass er im Jahre 2000 nicht mehr als Präsidentschaftskandidat zur Wahl antreten wird.

Roman Herzog besuchte außerdem noch Samara. Dort, am Ufer der Wolga, meinte er, die schon sprichwörtliche Geduld und die russische Ruhe könnten der Aufgeregtheit der westlichen Welt manchmal guttun.

Die Eröffnung des Deutsch-Russischen Hauses

Ein weiterer Punkt im Besuchs­programm des Bundespräsidenten war die Eröffnung des Deutsch-Russischen Hauses in Moskau am 2. September. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon ähnliche Häuser in Kaliningrad und Tomsk, das Haus in Nowosibirsk befand sich noch im Bau. Aber gerade das Haus in Moskau sollte alle föderalen Organisationen der Russlanddeutschen unter seinem Dach vereinen. Es sollte ein Anziehungspunkt für alle Deutschen des Landes werden.

Der Beschluss über die Eröffnung eines solchen Hauses wurde im Mai 1995 während der Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen in Nowosibirsk gefasst. Bereits in den folgenden Monaten einigten sich beide Seiten über das Gebäude. Sie wählten ein Haus mit Geschichte aus, das ursprünglich als Wohnheim der Kutscher 1911 erbaut wurde.

Ein Haus als Brückenbauer

Im September 1997 war die Rekonstruktion des Hauses bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Es wurde aber trotzdem ein Raum hergerichtet, in dem Roman Herzog das Deutsch-Russische Haus eröffnete. Zur Eröffnung sagte er, dass „die Russlanddeutschen immer eine große Rolle bei der Zusammenarbeit von Russland und Deutschland gespielt haben und dass heute ihre Anwesenheit in Russland einen positiven Beitrag in den Beziehungen zwischen beiden Ländern leistet.“

Die Arbeit in diesem Haus begann im Mai 1998. Damals zogen diejenigen in das Gebäude ein, für die es rekonstruiert worden war. Seit dieser Zeit hat sich das Haus in der Malaja Pirogowskaja Ulitsa 5 als Ort für Konzerte, Ausstellungen, Konferenzen und Seminare empfohlen, die mit der Verbreitung der deutschen Kultur in Zusammenhang stehen. Und heute erinnert das immer zukunftsorientiert arbeitende Haus daran, dass ein gemeinsames friedliches Nebeneinander für Deutschland und Russland alternativlos ist. Die Geschichte des Deutsch-Russischen Hauses erzählt eine Ausstellung, die im September in seinen Räumen eröffnet wird.

Olga Silantjewa

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