Botschaften beklagen Verluste

Nach dem 24. Februar verließen mehr Diplomaten das Außenministerium als zuvor. Mit einer Zeitung zu sprechen, dazu erklärte sich nur ein ehemaliger Diplomat bereit, der jedoch anonym bleiben will.

Außenministerium
Ist das Auswärtige Amt kein attraktiver Arbeitgeber mehr? (Foto: AGN Moskwa)

Über die Arbeit. Das Land war in den 80er Jahren sehr arm, aber in den vergangenen 30 Jahren ist das Lebensniveau deutlich gestiegen. Hier haben übrigens die meisten Familien Verwandte im Ausland, in den europäischen Ländern oder in Nordamerika. Mit dem Fall der Diktatur strömten Hunderttausende dahin, um dort zu arbeiten, und der größte Teil von ihnen kehrte nicht zurück.

Über Privilegien. Früher hat die Polizei niemals Autos mit diplomatischen Kennzeichen angehalten. Jetzt passiert das manchmal. Aber selbst wenn sie ein Auto anhält, dürfte es keine Probleme geben, denn in solchen Fällen ist ein besonderer Umgang im Kontakt mit den Mitarbeitern der Verkehrspolizei vorgesehen. Gemäß der Wiener Konvention über internationale Beziehungen darf ein Fahrzeug mit diplomatischem Kennzeichen nicht festgehalten werden. Der Diplomatenpass ist eine feine Sache und ich bin froh, dass ich ihn „nutzen“ und einige Länder bereisen konnte. Zu meinem Bedauern sind in diesem Jahr in der Schengen-Zone Visaregeln sogar für die Inhaber eines grünen Passes eingeführt worden, so dass es manchmal für einen einfachen Bürger leichter
ist, ein Visum zu bekommen, als für einen Diplomaten.

Über das Verhältnis zu Russen. Die negative Wahrnehmung Russlands in den lokalen Medien gewann nach den Ereignissen auf der Krim im Jahre 2014 die Oberhand. Schon vor 2022 wurde die gesamte Thematik über Russland mit negativem Untertext versehen. Ich kann nicht sagen, dass sich in diesem Jahr etwas geändert hat, in diesem Sinne ist alles stabil. Bei normalen Menschen habe ich nie irgendwelche Diskriminierung bemerkt. Was die Medien schreiben, ist eine Sache, persönliche zwischenmenschliche Beziehungen sind eine ganz andere Sache.

Über das Leben nach dem 24. Februar. Viele Medien meldeten sich nicht mehr, stellten die Kommunikation mit uns ein, lasen uns nicht mehr. Es gab Fälle, wo der Content in den sozialen Netzwerken und die Seiten der diplomatischen Vertretung in den sozialen Medien gesperrt wurden. In den ersten Monaten wurden unsere Posts erheblich weniger gelesen, das heißt, sie waren gar nicht im Netz zu sehen. In den ersten Wochen erreichten uns viele Briefe und Mitteilungen in den sozialen Medien: Einige schrieben Kritik und negative Äußerungen, aber es gab auch Anhänger Putins und der russischen Politik.

Über die Unruhe. Die Intensität der Unruhe wuchs nach dem 24. Februar. Nicht nur wegen der Situation an sich, sondern auch wegen ihrer absehbaren Folgen – aus unserer und einigen anderen Botschaften wurde eine Reihe von Diplomaten ausgewiesen. Einige Mitarbeiter verließen schweigend das System des Außenministeriums, als ihr Vertrag ausgelaufen war. Solche Kollegen kenne ich persönlich.

Über den Weggang aus dem Außenministerium. Ich beschloss in dem Moment zu gehen, als ich auf Arbeit nichts Neues mehr lernen konnte, als die Arbeit zur Routine wurde und ich begriff, dass ich mich nicht weiterentwickle. Ich wollte schon lange etwas Neues ausprobieren. Das Gehalt ist zwar gut, aber nicht nur das Geld ist wichtig für den Menschen. Ich entschloss mich zu Ѕgehen, ehrlich, noch als die Pandemie in vollem Gange war.

Über die Wahrnehmung von Diplomaten. Jeder Mensch betrachtet alles im Rahmen seines Verstandes. Wahrscheinlich bringen die Menschen die Diplomaten direkt mit dem Staat in Verbindung. Und ich kann nicht sagen, dass sie nicht recht hätten. Man muss aber auch in Betracht ziehen, dass der Staat und die Staatskonzerne die Hauptarbeitgeber sind. Auf diese Weise sind Millionen Menschen auf die eine oder andere Weise mit dem Staat verbunden.

Aufgeschrieben von Barbara Nikiforowa

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