Wiedersehen mit alten Freunden: Warum Twin Peaks in Russland Kult ist

Auf dieses Ereignis haben Fans 25 Jahre gewartet: Im Mai kam „Twin Peaks“ mit einer dritten Staffel zurück. Nun wurde die letzte Folge ausgestrahlt. Der Zauber ist etwas verklungen. Den Kultstatus wird die Serie aber nicht verlieren.

Der Vorspann der Kultserie Twin Peaks/Foto: Wikimedia Commons.

Special Agent Cooper mag verdammt guten Kaffee, Kirschkuchen im „Double R Diner“ und die idyllische Kleinstadt Twin Peaks, die von dichten und dunklen Wäldern im Norden der USA umgeben ist. Das FBI schickte ihn hierher, um den Mord an der Schülerin Laura Palmer zu lösen, die an einem nebligen Februarmorgen mit Sand im Haar, eisblauen Lippen und in Plastikfolie verpackt am Flussufer gefunden wurde. Doch schnell findet Cooper heraus, dass der Schein des beschaulichen Städtchens trügt. Nicht nur Twin Peaks steht Kopf. Sondern auch die übersichtliche Fernsehlandschaft der 90er Jahre.

Die Schöpfer der Serie, David Lynch und Mark Frost, etablierten 1990 ein neues Format. Twin Peaks ist Krimi, Soap-Opera, Drama und Mystery zugleich. Ein Fest für Film­enthusiasten und Hobbytheoretiker. Dieser Genre-Mix war revolutionär, bedenkt man, dass zeitgleich Serien wie „Baywatch“ oder „Ein Trio mit vier Fäusten“ im Fernseher liefen.

„Wer töte Laura Palmer?“

In Amerika lief die letzte Folge der zweiten Staffel bereits 1991. Das Rätsel um den Mörder war geklärt. In Deutschland mussten sich die Zuschauer bis 1991 gedulden, um die Serie überhaupt schauen zu können. Noch später war Russland dran. Hier lief Twin Peaks mit einer großen Verspätung 1993 auf dem Kanal Ostankino, aber nicht mit minderem Erfolg. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Twin Peaks ein wichtiges Fernsehereignis in Russland war, sagt Kinokritiker Alexander Pawlow. „Es gab nichts Vergleichbares.“ Nur billig produzierte lateinamerikanische Telenovelas, die auf vier Kanälen liefen. „Ganz Russland schaute zu“, sagt er. „Als ich zur Schule ging, war es das Gesprächsthema Nummer eins. Es war eine Serie, die man mit Freunden und Familie im Wohnzimmer schaute.“ Damit war die Serie massentauglich und nicht nur ein Schmankerl für eingeweihte Lynch-Verehrer. Die Frage „Wer töte Laura Palmer?“ beschäftigte sogar Gorbatschow. Bei einem Besuch bei George H. Bush soll er genau diese Frage gestellt haben.

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Die Twin-Peaks-Manie zeigte sich besonders bei der zweiten Staffel, die im Westen eher floppte, in Russland aber an Einschaltquoten gewann, erzählt Pawlow. Der zunehmende Surrealismus, die Gewalt und die unübersichtlichen Handlungsstränge seien gut angekommen. „Es war nichts Schockierendes. In den 90er Jahren wohnten die meisten Russen in solch einer Realität.“ Damit bezieht sich Pawlow auf ein damals beliebtes Genre in Film und Fernsehen: Tschernucha, ein Wort, dass sich aus Schwarz und Pornografie zusammensetzt und von Themen handelt, die in der Sowjetunion tabuisiert wurden, wie etwa Sexualität, Prostitution, Drogenkonsum oder Kriminalität. Dinge, die im beschaulichen Städtchen unter der Decke des Normalen schlummerten.

Revival nach 25 Jahren

Dieses Jahr kam die langersehnte dritte Staffel zurück. In 18 Episoden à 60 Minuten knüpften die Serienmacher an den großen Cliffhänger an, der Fans gemein in der Luft hängen ließ: „Wir sehen uns wieder in 25 Jahren“, flüsterte damals Laura Palmer Agent Dale Cooper ins Ohr.

Vorab wurde kräftig die Werbetrommel gerührt. Doch an die Hochzeit der 90er Jahre kam die Serie nicht heran. Nicht einmal in Russland. „Der Hype ist mit jeder Folge ein wenig verklungen, um bei der letzten Folge mit einem Paukenschlag zurückzukehren“, erklärt Pawlow. Zu zäh seien die Folgen gewesen. Kult bleibt die Serie dennoch. „Diejenigen, die Twin Peaks in den 90ern erlebt haben, gaben ihre Begeisterung an ihre Kinder weiter.“
Vielleicht war das Wiedersehen mit den gealterten Charakteren wie mit alten Freunden: Man ist froh sie zu sehen, auf das Wiedersehen aber hätte man rückblickend auch verzichten können.

Katharina Lindt

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