Rahrs Comeback: „Die Gegner sind müde geworden“

Bis vor zwei Jahren war Alexander Rahr einer der bekanntesten Russland-Experten in den deutschen Medien. Doch nach massiver Kritik an seiner Person ist es um den Osteuropa-Historiker mit russischen Wurzeln in Deutschland still geworden. Nun war er wieder im deutschen TV zu sehen.

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Alexander Rahr in Person / Foto: Birger Schütz.

Herr Rahr, Ende Oktober haben Sie an der Talk-Show „May­brit Illner“ im ZDF teilgenommen. Haben die deutschen Medien ihnen jetzt verziehen?

Ich habe ja auch vor diesem Aufritt so einiges in den deutschen Medien gemacht. Sowieso sollte man die Causa „Alexander Rahr und die Medien“ nicht überbewerten. Doch die Einladung vom ZDF, wieder einmal in einer größeren Sendung aufzutreten, habe ich gerne angenommen. Ich hoffe, dass ich jetzt wieder mehr Kommentare und Schreibaufträge bekomme. Die politische Weltlage ist ja mittlerweile sehr kompliziert. Da werden auch komplexe Antworten benötigt.

Was haben Sie nach dem Artikel in der „Welt“ gemacht, in dem Sie als russischer „Einflussagent“ bezeichnet wurden?

Ich konzentriere mich mittlerweile auf Russlandkontrovers.de. Das ist eine Internetseite, die vom Deutsch-Russischen Forum gegründet wurde, um die breite Öffentlichkeit für Russland zu sensibilisieren. Dort treten Wissenschaftler, Journalisten und Politiker mit oft sehr verschiedenen Meinungen zu Russland auf. Außerdem sind die Potsdamer Begegnungen des Forums ein bisschen zu meinem Kind geworden. Das ist ein Gesprächskreis, den es schon seit zwölf Jahren gibt und in dem es um die Verständigung zwischen Russland und Deutschland geht. Ich bin einer der Organisatoren. Wegen der politischen Umstände sind die Begegnungen mittlerweile viel politischer als früher.

Mittlerweile sind Sie oft in russischen Medien zu sehen. Haben Sie ihr Profil gewechselt und sind zum Deutschen-Erklärer geworden?

Ich werde tatsächlich sehr oft gebeten, in den russischen Medien die Situation in Deutschland, Europa und allgemein die Weltpolitik zu erklären. Viele Russen kennen mich von den Büchern, die ich hier publiziert habe. Außerdem sind viele Politiker, Vertreter der Eliten, aber auch einfache Bürger daran interessiert, wie ein Europäer, der russische Wurzeln hat, die Welt und Russland sieht – und wie er zur Zukunft Europas steht.

Werden Sie auch gepusht von den russischen Medien?

Ich trete ja nicht in jeder russischen Talkshow auf. Ich gehe da nur hin, wenn ich die Möglichkeit bekomme, meine Sätze vollständig zu sagen und meine Meinung zu erklären. Aber wenn ich sehe, dass ich nur als Statist eingeladen werde, nur damit da ein Deutscher und Europäer da sitzt, dann mache ich das nicht. Ich werde jetzt keine Namen nennen, aber es gibt im russischen Fernsehen Sendungen, wo man das Gefühl hat, im Zirkus zu sitzen. Ich will nicht die Gefahr eingehen, mit irgendwelchen Halbsätzen falsch verstanden zu werden.

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Das neue Werk Rahrs ist bisher nur in russischer Sprache erschienen / Foto: Birger Schütz.

Sie haben ein neues Buch geschrieben, dessen Titel sich mit „Russland gegen den Westen: Wer schlägt wen?” übersetzen lässt. Warum erscheint es nur auf Russisch und in Russland?

Weil der Auftrag für das Buch von dem bekannten russischen Verlag Eksmo kam. Die haben mich angesprochen und gefragt, ob ich mir vorstellen kann, so ein Buch zu schreiben. Den Titel hat der Verlag gewählt. Es ist aber kein konfrontatives Buch. Und ich hoffe natürlich, dass es irgendwann auch auf Deutsch erscheint.

Worum geht es in dem Buch?

Über 25 Jahre Beziehungen zwischen Ost und West. Es geht um die Hoffnungen, die auf beiden Seiten geborsten sind und die Konflikte, die sich angehäuft haben. Ich versuche aber gerade auch, ein neues Buch auf Deutsch zu schreiben. Das soll ein sehr persönliches Buch über die letzten 25 Jahre werden. Das ist eine Epoche, die für mich sehr schnell vorbeigegangen ist, aber über die man intensiver nachdenken muss.

In dem Buch schreiben Sie von einem Wertekonflikt zwischen dem Westen und Russland. Was meinen Sie damit?

Das ist meine These, für die ich auch in Deutschland immer wieder kritisiert werde. Ich bemängele, dass wir uns von einer balancierten Politik verabschiedet haben. Ich bin im Westen aufgewachsen und bin Demokrat. Aber es geht mir wirklich gegen den Strich, wenn deutsche und europäische Außenpolitik immer nur unter dem Vorzeichen der Werte betrieben wird. Wir schauen auf Chinesen, Russen, Iraner und andere Länder immer nur mit der Frage: Sind das Demokraten? Verkörpern Sie unser westlich-liberales Wertesystem? Und wenn sie das nicht tun, werden sie in eine Ecke gedrängt. Ich bin nicht gegen Werte, sondern für einen realpolitischen Ansatz in der Außenpolitik. Das würde uns gut tun.

Seit einiger Zeit werden die Angriffe gegen den Westen in den russischen Medien weniger. Wie erklären Sie sich das?

Es gibt ein Interesse an einer Aussöhnung auf beiden Seiten. Die Gegner sind müde geworden von den Konflikten in Syrien und der Ukraine. Vor allem gegen Deutschland wird nicht gehetzt. Es gab zwar kleinere und unschöne Geschichten – aber es ist nicht der Mainstream. Was es aber gibt, ist die absolut übertriebene Amerikaner-Phobie in der Gesellschaft. Da braucht Russland einen rationaleren Umgang.

Das Interview führte Birger Schütz.

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