Mobiles Internet: Von der Kinderstube zur 5G-Revolution

Bereits während der Fußball-WM 2018 soll das superschnelle 5G-Netz seine Testphase starten. Die Marktfreigabe in Russland ist für das Jahr 2021 angesetzt. Wie das mobile Internet in Russland einzog – und wie es unseren Alltag auf den Kopf stellen wird.

Bei der Vorstellung des leistungsstarken LTE-Advanced-Smartphones Samsung Galaxy S8 Mitte April in Moskau kommt Freude auf / Foto: Ria Nowosti.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der alles mit allem kommuniziert. Im sogenannten „Internet der Dinge“ steuern sich Maschinen und Geräte selbstständig. Sie alle sammeln und leiten Informationen an den Endnutzer weiter. So könnten Sie beispielsweise per Smartphone alarmiert werden, falls die Blumen mal Wasser brauchen, während der Kühlschrank Informationen über ihr Essverhalten sammelt. Die fünfte Generation des mobilen Internets (5G) öffnet das Tor zu einer neuen Welt. Mit einer Übertragungsrate von bis zu 20 Gigabyte pro Sekunde soll sie bis zu 200 mal schneller sein als die gängige LTE-Verbindung (4G) mit durchschnittlich
100 Megabyte pro Sekunde, höchstens 200 bis 300. So soll das superschnelle Internet zum Beispiel autonomes Fahren oder die Live-Übertragung eines Fußballspiels als 360-Grad-Livestream via Datenbrille (siehe Abbildung) ermöglichen.

In einer nicht allzu fernen Zukunft wird 5G unser Leben verändern. Bereits diesen April startete der amerikanische Telekommunikationskonzern Verizon seine Testversion in elf US-Städten. Die südkoreanische Korea Telecom (KT) will die kommerzielle 5G-Nutzung bereits bei den olympischen Winterspielen im Februar 2018 ermöglichen. Japans NTT Docomo hat die olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio anvisiert. Die weltweit führenden Kommunikationsdienstleister wie Huawei kündigten einen gängigen 5G-Standard ab 2020 an.

Blick in die Zukunft: Eine mit dem Smartphone verbundene Datenbrille im Einsatz / Foto: Pixabay.

Wettlauf mit Südkorea, Japan und den USA

Im 5G-Wettlauf ist Russland Japan, Südkorea und den USA auf den Fersen. Während der Fußballweltmeisterschaft 2018 soll das Highspeednetz erstmals in vier russischen Städten getestet werden: Moskau, St. Petersburg, Sotschi und Kasan. Dies verriet der Direktor von Megafon Samara, Maxim Tokarenko, Ende März gegenüber der Nachrichtenagentur Tass. MTS und Megafon haben die neue Generation bereits getestet, beim letzten Petersburger Wirtschaftsforum im Juni 2016 wurde es demonstriert. Spätestens ab 2021 soll die kommer­zielle Nutzung von 5G in Moskau möglich sein, erklärte Artjom Jermolajew, Vorsitzender der städtischen IT-Abteilung Ende März vor der Staatsduma. Die dazu erforderliche Kompletterneuerung der Mobilfunkinfrastruktur sei bis 2020 geplant. Es braucht mehr Sendetürme sowie den Anschluss an ein hochmodernes Glasfaserkabelnetz.

Jermolajews Kostenvoranschlag  für die Modernisierung beläuft sich auf zehn Millionen US-Dollar – allein für Moskau. Um diese Summe zu stemmen, plant die Stadtverwaltung bis Ende 2017 eine Vereinigung der Kräfte von Russlands führenden Mobilfunkanbietern. Diese wiederum tüfteln bereits jetzt mit den führenden ausländischen Telekommunikationsausrüstern an der 5G-Revolution: MTS mit Ericsson, Samsung und Nokia, Wympelkom (Beeline) mit Huawei, Megafon mit Huawei und Nokia sowie Tele2 mit Nokia. Moskau ist schon jetzt so etwas wie eine globale Oase mobilen Internets, das hier vergleichsweise schnell und günstig ist. Nach einer Analyse der IT-Abteilung der Stadt Moskau sei es mit durchschnittlich sechs Euro im Monat um ein Vielfaches günstiger als in Weltmetropolen wie New York, London, Singapur oder Barcelona. Dabei wird die Durchschnittsgeschwindigkeit nur von Singapur überboten.

Die Geburt des mobilen Internets in Russland

Als St. Petersburg damaliger Bürgermeister Anatolij Sobtschak  am 9. September 1991 den ersten Anruf via 1G-Mobilfunknetz der „Delta Telekom“ tätigte, war an Youtube und Whatsapp auf dem Smartphone noch nicht zu denken. Zwei Euro die Minute kostete der Anruf via 1G-Netz. Bis zur Geburtsstunde des mobilen Internets 2001 in Russland sollte es zehn Jahre dauern. Mit der
Cebit 1999, ganze zwei Jahre früher, kam das mobile Internet in Deutschland auf den Markt.

Mobiles Internet gibt es in Russland seit der Einführung von GPRS (Generel Pocket Radio Service). Zu diesem Zeitpunkt gab nur wenige Interessenten an der neuen Technologie und kaum internetfähige Mobiltelefone. Verständlich bei Kosten um die zwei Euro pro Megabyte. Die 170 Kilobyte pro Sekunde reichten bei Weitem nicht zur klassischen Internetnutzung. Zum Surfen, Videos aufrufen und E-Mails schreiben ist eine Übertragungsrate von einem Megabyte pro Sekunde nötig. Zu den ersten Anbietern gehörte Beeline, der Rest folgte ein bis zwei Jahre später. Einen dreifachen Geschwindigkeitsschub brachte das Ende 2004 freigegebene EDGE, einer Technologie zur Erhöhung der Datenübertragungsrate, damals auf 474 Kilobyte pro Sekunde. Das gab es in Deutschland erst vier Jahre später.

Langsames Surfen war mit viel Glück bereits ab 2005 in Russland möglich: Die dritte Generation UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) erhöhte das mobile Datentempo auf bis zu zwei Megabyte pro Sekunde. Somit war theoretisch sogar das Herunterladen von Musikdateien und Videos möglich. Eines der ersten 3G-tauglichen Mobiltelefone war das Sony Ericsson W900i Walkman. Russland gehörte zu den ersten Ländern, die den HSPA-Standard (3,5G) einführten. Ab Oktober 2007 war das Surfen mit bis zu 14,4 Megabyte möglich. Zwei Jahre später gab es HSPA in 109 Ländern.

Mit Highspeed zur totalen Vernetzung

Die technologische Revolution folgte im März 2011 – durchschnittlich 100 Megabyte pro Sekunde ermöglichte die LTE (Long Term Evolution, 4G). Die führenden Mobilfunkanbieter MTS, Wymelkom, Megafon, Rostelekom und Rostechnnologij unterzeichneten einen Kaufvertrag mit dem damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin zur Nutzung des LTE-Netzes „Skartel“ (4G). Entwickelt vom Nowosibirsker Mobilfunkanbieter Yota, war Skartel damals der einzige LTE-Anbieter in ganz Russland. Einige Mobilfunkanbieter zögerten beim veranschlagten Preis von etwa 1,15 Milliarden US-Dollar. MTS warnte die Investoren: Aus „politischen und anderen Gründen“ werde das 4G-Netz notgedrungen unter „wirtschaftlich ungünstigen Bedingungen“ genutzt. Im Jahr 2013 erwarb Megafon Skartel für 1,18 Milliarden US-Dollar. Die  deutsche Bundesnetzagentur versteigerte bereits im Frühling 2010 die ersten Frequenzen.

Das erste LTE-fähige Handy auf dem russischen Markt war das Smartphone HTC Thunderbold – richtig populär wurde das mobile Internet in Russland aber erst mit dem Release des Samsung S3 im Jahr 2012. Im selben Jahr kam der Sprung zum LTE Advanced (4,5G): Bis zu 300 Megabyte pro Sekunde ermöglichen die neuesten Smartphones wie das neue Samsung Galaxy S8, das Mitte April in Moskau eingeführt wurde. Die Brückentechnologie zum 5G ist bis heute nur in einigen russischen Großstädten verfügbar. Bis 2025 soll, nach Angaben des Marktführers Huawei, die nächste Dimension erreicht werden: Die sechste Generation (6G). Dann gießen wohl die Kühlschränke die Blumen.

Christopher Braemer

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