Russlands schönster Betonkopf

Von der Krim in die Duma und immer auf Linie: Natalja Poklonskaja gibt dem russischen Parlament ein Gesicht. Und das nicht nur, weil das ihre zu den hübschsten im russischen Parlament zählt.

Poklonskaja

Poklonskaja bei einer Regionalkonferenz ihrer Partei „Einiges Russland“ im Sommer 2016. / RIA Novosti

Für die Abteilung Attacke sind in der russischen Staatsduma andere zuständig. Zum Beispiel der berüchtigte St. Petersburger Abgeordnete Vitalij Milonow, Initiator des russischen Gesetzes gegen die „Propaganda von Homosexualität“. Dieser Tage hat Milonow damit Schlagzeilen gemacht, dass er zwei Politikern der liberalen Jabloko-Partei in St. Petersburg nachsagte, ihre Vorfahren hätten „Christen in  Öfen gesteckt und wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen“.

Oder Pjotr Tolstoj. Der stellvertretende Duma-Vorsitzende erklärte unlängst, gegen die Übergabe der St. Petersburger Isaakskathedrale an die Russisch-Orthodoxe Kirche seien die Nachfahren derer, die „unsere Kirchen zerstört“ und „aus dem Ansiedlungsrayon hervorgestürmt“ sind. Kein Zweifel, wer da gemeint war: die Juden.

Wie Milonow und Tolstoj gehört  Natalja Poklonskaja der Kremlpartei „Einiges Russland“ an, steht aber eher für etwas, was für die Duma noch typischer ist: Mitläufertum. Durch irgendeine Form von Widerspruch ist sie in ihrer bisherigen Karriere genauso wenig aufgefallen wie das russische Parlament.

Poklonskaja sitzt erst seit vorigem Jahr in der Duma. Davor war sie Generalstaatsanwältin der Krim, eingesetzt im Frühjahr 2014 von der neuen Separatistenregierung. In diesem Amt machte sich Poklonskaja einen Namen als treue Erfüllungsgehilfin der Politik, ging unter anderem gegen Vertreter der krimtatarischen Medschlis vor, die den neuen Kurs auf einen Anschluss nach Russland nicht mittragen wollten. Von der EU wurde sie 2014 auf die Sanktionsliste gesetzt. Das sorgte allerdings für weniger öffentliche Resonanz als ihre kurzzeitige Popularität als Anime-Star in Japan.

Poklonskaja

So wurde sie in Japan gesehen: Poklonskaja 2014 im Anime-Stil. / Wikimedia Commons / As109

Seit ihrer Wahl ins Parlament hat sich Poklonskaja mit einigen fragwürdigen Äußerungen und Interviews hervorgetan, vor allem aber durch zwei Anfragen, mit denen sie einen neuen Film des russischen Erfolgsregisseurs Alexej Utschitel auf „Extremismus“ prüfen lassen wollte, im Namen von orthodoxen Aktivisten, die sich schon in ihrem Glauben beleidigt fühlten, bevor der Film überhaupt in die Kinos gekommen ist. „Mathilda“ erzählt von einem Verhältnis des letzten russischen Zaren Nikolaus II. und der Primaballerina Matilda Kschessinskaja. Anlaufen soll der Film erst im Herbst, doch religiöse Gruppierungen laufen schon jetzt dagegen Sturm. Nikolaus II. ist für die Orthodoxen ein Märtyrer und Kirchenheiliger. Dass er eine Affäre gehabt haben soll – praktisch Gotteslästerung.

Poklonskaja mache sich zum Sprachrohr der „rückständigsten und finsterten Schichten der Bevölkerung“, sagte der Regisseur Pawel Lungin in einem Interview, sie sei selbst „geistig und intellektuell“ Teil einer Attacke gegen die Kunst, die nicht von oben, sondern von unten geführt werden. Letztlich wurde Poklonskaja sogar vom Kreml zurückgepfiffen. Man könne nicht über etwas reden, was noch niemand gesehen habe, meinte Präsidentensprecher Dmitrij Peskow kurz und bündig.

Da leistete sich die junge Dame sogar einen Anflug von Trotz und verkündete, den Film habe sie zwar nicht gesehen, aber auch nicht vor, ihn sich jemals anzuschauen. Anschließend war sie schon wieder möglichen „extremistischen Aktivitäten“ auf der Spur – diesmal auf  Seiten der orthodoxen Eiferer.

Tino Künzel

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