Herr Schuster, wie es sich für eine deutsche Nationalmannschaft in der Vorbereitung auf eine WM gehört, sind Sie bestimmt gerade im Trainingslager und haben als Teamchef knifflige Entscheidungen zu fällen, wen Sie mit nach Russland nehmen und wer zu Hause bleiben muss.
Unsere Spieler arbeiten bis zum Abflug in ihren Rathäusern. Trainingslager können wir uns zeitlich nicht leisten. Jeder bereitet sich individuell vor.
Was muss man können, um von Ihnen berufen zu werden?
Unsere Messlatte liegt bei Bezirksliganiveau. Jeder muss nachweisen, dass er das mal gespielt hat. Die zweite Voraussetzung ist, im Hauptamt Bürgermeister zu sein und menschlich sowie charakterlich zu uns zu passen. Schließlich sind wir die kommunalen Botschafter für Deutschland im Ausland.
Geht man den Kader auf der Webseite der Mannschaft durch, stellt man fest, dass die meisten aus kleineren Orten kommen. Warum ist das so?
Bei den Kollegen aus größeren Städten lassen Terminprobleme selten sportliche Aktivität auf dem gewünschten Niveau zu.
Wie sieht Ihr aktuelles Aufgebot also aus?
16 Spieler aus sieben Bundesländern werden in Russland ihr Bestes geben. Der Altersdurchschnitt geht gegen 50. Aber wir gewinnen nicht selten gegen jüngere und laufstärkere Mannschaften, haben einige Spieler mit Erfahrung aus den höchsten Amateurligen in unseren Reihen, was sich technisch und taktisch bezahlt macht.
Was ist in Russland geplant?
Wenn alles klappt, wird es ein kleines Turnier geben, ein weiteres Spiel gegen eine russische Mannschaft und den Besuch einer Behinderteneinrichtung in der Nähe von Moskau. Es liegt uns am Herzen, auf solchen Reisen mit Spendengeldern soziales Engagement zu unterstützen. Wie immer möchten wir aber auch viele Informationen und Eindrücke mitnehmen, um die politische Lage Russlands und die deutsch-russischen Beziehungen besser verstehen zu können. Das Programm ist vollgepackt. Wir werden sicherlich neue Freunde gewinnen und vielleicht die Gründung einer russischen Bürgermeistermannschaft anstoßen können.
Wie sieht es mit dem Besuch von WM-Spielen aus?
Wir haben für alle 34 Mitreisenden Tickets für das Achtelfinale in St. Petersburg – mit deutscher Beteiligung, sofern Deutschland Gruppenerster wird, was mir Jogi Löw versprochen hat. Er kommt aus meiner Heimatregion Freiburg im Breisgau und ist bisher immer sehr zuverlässig gewesen.
War die Vorbereitung dieser Tour auf Grund von politischen oder bürokratischen Hürden schwieriger als sonst?
Nein. Die Idee mit der Fan-ID ist natürlich klasse, weil unkompliziert und unbürokratisch. Bei der Beantragung eines normalen Visums verlangt der russische Staat die Vorlage von Bruttoverdienstbescheinigungen der letzten Monate. Dies hätte eventuell bei Selbstständigen zu Teilnahmeabsagen geführt.
Sie werden knapp zwei Wochen unterwegs sein. Kommen in der Zeit die Amtsgeschäfte in den betreffenden Gemeinden zum Erliegen oder sitzen Ihre Bürgermeister noch auf der Auswechselbank mit dem Telefon in der Hand, um immer erreichbar zu sein?
Da wir die Reisen außerhalb der EU alle komplett selbst bezahlen und dafür Urlaub nehmen, laufen die Amtsgeschäfte natürlich weiter. Im Zeitalter der Digitalisierung und sozialen Medien stehen wir dabei trotzdem in ständiger Verbindung zur Heimat. Ich kann sie allerdings beruhigen: Auf der Auswechselbank gibt es keinen Handykontakt, erst nach Abpfiff.
Die Nationalmannschaft sieht auf dem Platz auch aus wie die Nationalmannschaft. Wie kommen Sie an die Spielkleidung?
Der DFB rüstet uns großzügig aus. Man hat erkannt, dass Bürgermeister verantwortlich sind für die lokalen Sporteinrichtungen und somit auch wichtige Förderer des Nachwuchses sind. Eine gelungene Kooperation. Auch der Deutsche Städte-und Gemeindebund ist für uns ein wichtiger sportpolitischer Partner und mit seinem Präsidenten auch Schirmherr unserer Mannschaft.
Das Interview führte Tino Künzel.
Die Mannschaft
Als 2008 in Österreich erstmals eine Bürgermeister-EM stattfand, gründeten sich in vielen Ländern entsprechende Auswahl-Mannschaften. Die deutsche wurde durch ein 3:0 im Finale gegen Italien auch gleich Europameister. Seit 2010 ist das Team ein eingetragener Verein. Pro Jahr werden bis zu vier Spiele ausgetragen, dazu kommt alle zwei Jahre der Alpencup und alle vier Jahre die EM, die nächste 2020 in der Slowakei. Die Nationalmannschaft reist aber auch in die Ferne, war etwa 2017 in China und knüpft dabei über den Fußball Kontakte zu Partnern in anderen Ländern.