Die Zukunft von Gestern

Vor 16 Jahren wurde sie als futuristisches Nahverkehrsmittel vorgestellt, doch sie blieb immer ein Exot. Nun soll die Moskauer Monorail wohl abgebaut werden. Zu hohe Kosten, zu wenige Fahrgäste. Auch international konnten sich Monorails nie ernsthaft im Stadtverkehr durchsetzen.

Moskauer Monorail
Mehr Sightseeing als Nahverkehr: die Moskauer Monorail (Foto: Jiří Hönes)

Vergilbte Schilder, eine ratternde Rolltreppe und die verspielte Architektur der 2000er Jahre em­­pfangen den Fahrgast an der Station Wystawotschny Zentr vor dem Haupteingang des WDNCh. Wir sind zu Gast bei Moskaus wohl ausgefallenstem Verkehrsmittel, der Monorail. Der einst futuristischen Hochbahn soll es nun an den Kragen gehen. Zu viel kostet der Unterhalt der Trasse und der Fahrzeuge für die wenigen Fahrgäste, wie die Moskauer Verkehrsbehörde Anfang August mitteilte.

Vom Bahnsteig hat man einen herrlichen Blick auf das Denkmal für die Eroberer des Weltraums, auf den Arbeiter und die Kolchosbäuerin und auf das WDNCh. Es bleibt Zeit genug, diesen Anblick zu genießen, denn wer die Taktzeiten der Moskauer Metro gewöhnt ist, dessen Geduld wird hier hart auf die Probe gestellt. Jede halbe Stunde fährt sie nur noch, die kleine weiße Bahn. Besonders schnell sind die Wagen auch nicht gerade unterwegs, dazu kommen lange Haltezeiten.

Ganze 39 regelmäßige Nutzer

Sergej ist mit Frau und Kind zum ersten Mal hier. „Wir haben von der geplanten Schließung gehört und wollten uns die Bahn wenigstens einmal ansehen“, sagte er. So wie er sind viele hier für einen Ausflug hergekommen, an diesem sonnigen Dienstagabend. Doch es gibt auch regelmäßige Fahrgäste, nämlich genau 39. Das hat zumindest die Moskauer Verkehrsbehörde anhand der verwendeten Troika-Karten ermittelt. Die Zahl sei peinlich, sagte ein Sprecher gegenüber der Zeitung „Wedomosti“.

Einer von diesen 39 ist Wadim. Er benutzt die Bahn für den Weg zur Arbeit und zurück. „Mit der Monorail brauche ich nur 15 bis 20 Minuten zur Arbeit, mit der Metro gut 50. Doch seit sie so selten fährt, passt es nicht immer“, sagt er. Vermissen werde er die Monorail daher nicht, zumindest nicht so. Wenn sie öfter fahren würde, ja. Wenn allerdings die große Ringlinie der Metro komme, werde es für ihn auch schneller gehen.

Ein Projekt der Ära Luschkow

Das etwas aus der Zeit gefallene Gefährt geht zurück auf die Ära des Bürgermeisters Jurij Luschkow. Erste Planungen begannen in den späten 1990er Jahren, fertiggestellt wurde die Strecke im Jahr 2004. Eine Rolle spielte damals die Bewerbung für die Weltausstellung Expo 2010, bei der Moskau aber letztlich nicht erfolgreich war. Die nur knapp fünf Kilometer lange Strecke führt von der Uliza Sergeja Eisenschtejna, wo sich auch das Depot befindet, über das WDNCh und den Ostankino-Fernsehturm zur Haltestelle Timirjasewskaja. An drei Stellen besteht Anschluss an die Metro.

Ursprünglich war geplant, die Technologie auch für den Anschluss der Moskauer Flughäfen ans Stadtzentrum zu nutzen. Anfangs ging die Bahn nur mit eingeschränktem Fahrplan und zwei Zügen in Betrieb. Nach zahlreichen Kinderkrankheiten startete schließlich 2007 der reguläre Verkehr mit Intervallen unter sieben Minuten. Die Fahrgastzahlen entwickelten sich zunächst gut. Seit 2013 gelten in der Monorail auch Metrotickets.

Monorails sind weltweit ein Nischenprodukt

Doch schon bald begann ihr Stern zu sinken. Als 2016 die Ring-S-Bahn MZK eröffnet wurde, verlor die Monorail viele Fahrgäste an diese, die ebenfalls eine Tangentialfunktion zwischen den Metrolinien erfüllt. 2017 wurde der Fahrplan wieder auf einen Halbstundentakt ausgedünnt, die Folge waren noch weniger Fahrgäste. Jetzt soll offenbar der Schlussstrich gezogen werden. Offiziell bestätigt wurden die Pläne bislang nicht.

Damit geht ein Kapitel zu Ende, das auch international eher eine Ausnahme darstellt, wie Oleg Pokusajew, Direktor der Moskauer Universität für Verkehrswesen (MIIT) bemerkt. Monorails würden weltweit eher in Vergnügungsparks oder innerhalb von Flughäfen eingesetzt und nicht als Teil des innerstädtischen Nahverkehrs. Angesichts der ohnehin anstehenden Überholung sei die Stillegung nachvollziehbar.

Wer also noch einmal eine Runde drehen will, sollte sich beeilen. Verkehrsmittel verschwinden in Moskau manchmal schneller als man schauen kann.

Jiří Hönes

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