Mehr Mensch als nur Chef

Sie studierte in Moskau, Dresden und Trier und beherrscht vier Sprachen fließend: Elena Balashova hat viel in ihre juristische Karriere investiert. Wie sie ihre Erfahrungen als Mitgründerin der Unternehmensberatung „Balashova, Bruck und Partner“ nutzt und was ihre Oma mit ihrem Beruf zu tun hat, erzählte sie nun der MDZ.

Elena Balashova ist Anwältin und Chefin von 20 Mitarbeitern.

Leicht außer Atem stürmt sie ins Besprechungszimmer. Mit einer bedauernden Entschuldigung auf den Lippen: „Stau“. Hier in Moskau durchaus glaubwürdig. Dabei kommt sie nur zehn Minuten zu spät, nach russischer Gewohnheit also mehr als pünktlich. Und überhaupt – wer könnte einer so eleganten Dame schon ernsthaft böse sein. Mit einem entwaffnenden Lächeln nimmt sie vis-à-vis Platz, legt locker die gepflegten Hände übereinander auf die Tischplatte und beginnt ihr Plädoyer – über sich, damals, heute und morgen, über ihre An- und Einsichten zu Leben und Beruf.

Elena Igorevna Balashova ist Rechtsanwältin, mit gerade mal Ende Dreißig bereits seit 15 Jahren rührig und seit bald zehn Jahren geschäftsführende Partnerin ihrer eigenen Kanzlei. Bereits zum Ende ihrer Schulzeit hat sie sich auf die Juristerei verlegt, obwohl sie doch beruflich eigentlich lieber Kreativeres, Bildnerisches im Sinn hatte, zum Beispiel Architektur. Doch dem kam der entscheidende Widerspruch der Großmutter zuvor. Das sei doch nichts als brotlose Kunst, befand die frühere Strafrechtlerin. Elena trat daraufhin in die Fußstapfen der resoluten Juristin – und begann ein Jurastudium in Moskau.

Gerechtigkeit als Antrieb

Von Anfang an reizten sie dabei vor allem Fragen des Arbeits-, Migrations-, Gesellschafts- und Sozialversicherungsrechts. Bereiche, die viel mit Fürsorge und Gerechtigkeit zu tun haben. Die Themen sind Elena, deren Mutter sie mit drei mager bezahlten Jobs durchbringen musste, wichtig. „Das wirst du dir mal selber leisten können“, erinnert sie sich an einen Besuch als Studentin in einer Modeboutique. Heute könne sie ihrer Mutter wieder etwas zurückgeben.

Parallel zur Ausbildung sammelte sie berufliche Erfahrungen bei der russischen Zentralbank. Anschließend wollte Elena ihre Ausbildung im Ausland fortsetzen und Europäisches Recht studieren. „In Russland wird Jura falsch gelehrt“, begründet sie ihre damaligen Motive.  „Die Gesetze werden nur auswendig gelernt, nicht aber deren Anwendung.“ Zudem hapere es bisweilen an deren Auslegung und Durchsetzung. „Wir sind nicht wirklich ein Rechtssprechungsstaat.“

Aus Kostengründen entschied sich Elena für Deutschland als Studienland und zog im Jahr 2003 nach Dresden. Damals sprach sie noch kein einziges Wort Deutsch. Das erste Semester in Dresden sei eine einzige Katastrophe gewesen. „Ich wollte aufgeben, war total kaputt, in Russland war ich immer die Beste, da gar nicht.“ Dankbar erinnert sie sich deshalb noch heute an die Hilfe von Professoren, Kommilitonen und Freunden.

Deutsch lernen aus Liebe

Schnell fand sich auch ein zusätzlicher hochemotionaler Anreiz, um die Sprache zu lernen: Die große Liebe aus der sächsischen Hauptstadt, die so lange hielt, bis sie und den Genetik-Wissenschaftler nach Jahren der Atlantik trennte – längst lebt der Mann in den USA. Nach Stationen an der Universität in Trier und einem Fachanwaltslehrgang in Berlin, ging es für Elena 2006 wieder zurück in die Heimat. In Moskau heuerte sie zunächst als Juristin und zwei Jahre später als damals jüngste Partnerin der Moskauer Vertretung der renommierten Anwaltskanzlei Beiten Burkhard an.

Jahrelang leitete sie die Arbeitsrechtsabteilung, bevor sie im Jahr 2009 den Sprung in die Selbständigkeit wagte. Schon ziemlich kurz nach der Gründung von „Balashova Legal Consultants“ lief ihr dann ein gewisser Paul Bruck über den Weg. Der Österreicher arbeitet schon ewig in Moskau und betreibt mit seiner Ehefrau Katharina die Unternehmensberatung „Bruck Consult“. Bruck habe sich als eine Art Seelenverwandter erwiesen, persönlich und vor allem geschäftlich. Also taten sich die beiden zusammen und gründeten ein paar Jahre später die Allianz „Balashova, Bruck und Partner“, welche juristische und beraterische Expertise unter dem Slogan „More than just Consulting“ anbietet.

Oft treten sie heute mit ihrem komplexen Serviceangebot für den Markteinstieg und einem Team von 20 Mitarbeitern gemeinsam auf. Zu den Leistungen zählen dabei unter anderem Marktanalyse, Firmengründung und Marktbegleitung. Auch Unternehmensführung, Buchhaltung, und Beratung zur Lokalisierung in Russland werden angeboten. „Alles aus einer Hand“, betont Elena. Zudem sei ihr ein unabdingbares Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern und den Klienten wichtig. Auch an den kulturellen Initiativen der Brucks beteiligt sie sich gern – wie gerade jetzt wieder am 3. Dezember zum Moskauer Gala-Konzert des 86-jährigen Stardirigenten Wladimir Fedossejew.

Zwischen Elite und Wohltätigkeit

Neben Russisch parliert Elena schnell, wortreich und beinahe akzentfrei auch auf Deutsch und Englisch, als hätte sie noch zwei zusätzliche Muttersprachen. Zudem beherrscht sie auch Hebräisch. Wie es dazu kam, verlangt nach einer Erklärung: 2011 hat sie in Moskau einen Israeli geheiratet. Nach vielen Jahren der beiderseitigen Pendelehe ziehen die beiden in Russland zusammen. Im April 2014 wird Tochter Anna geboren. Aber ihr Mann fühlt sich hier in Russland nicht zuhause. 2018 dann die Trennung. Aus der Bahn wirft diese Elena so schnell nichts. Die Powerfrau ist einWirbelwind.

Elena gehört zur Elite russischer Frauen, die inzwischen rund die Hälfte der Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung des Landes stellen. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik beträgt diese Zahl nicht mal 20 Prozent. Bei allem beruflichen Erfolg hat Elena auch die Nöte ihrer Mitmenschen nicht aus den Augen verloren. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern des Moskauer Rotary Clubs „New Generation“, der nicht nur finanziell Waisenkinder unterstützt, sondern ihnen genauso persönlich erzieherische Lebenshilfe leistet. Außerdem reist sie gern und viel. Wien und New York liebt sie, nach Argentinien möchte sie mal.

Eigentlich, lächelt sie, könne sie überall leben. Und da dann womöglich ein Restaurant aufmachen. Immer nah an den Menschen und guten Service bieten, das entspanne sie. Immerhin habe sie sich volle sechs Monate, vier Stunden allmorgendlich, im Raffinement der französischen Küche ausbilden lassen. „In Russland wird eine Frau immer beweisen müssen, dass sie stärker, klüger, besser oder schneller ist als ein Mann.“ Eine Elena Igorevna Balashova kommt damit bestens zurecht.

Frank Ebbecke

 

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