Konkurrent mit Startproblemen

Platz für fast 200 Passagiere, neueste Technik und innovativ konstruierte Flügel, welche die Betriebskosten senken: Die MS-21 ist die große Hoffnung der russischen Flugzeugbauer. Warum der Superjet bisher trotzdem nicht gegen Airbus und Boeing punkten kann.

Noch mindestens zwei Jahre im Bau: Die MS-21 soll künftig westlichen Modellen Konkurrenz machen. /Foto: livejournal.com

Mehrere Länder sperrten ihren Luftraum und weltweit hagelte es Flugverbote: Nach zwei verheerenden Unglücken in nur einem halben Jahr gilt die Boeing 737 Max 8 als mögliche Sicherheitsgefahr. Anfang März war eines der Passagierflugzeuge in der Nähe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba abgestürzt – keiner der 157 Passagiere überlebte. Bei einer ähnlichen Katastrophe vor der indonesischen Küste kamen im Oktober des vergangenen Jahres 189 Menschen ums Leben. Experten vermuten in beiden Fällen schadhafte Steuerungssoftware als Ursache.

Die Regierung setzt auf den Flieger aus Irkutsk

Dutzende Fluggesellschaften legten daraufhin das neueste Modell des amerikanischen Herstellers still – oder stornierten Bestellungen bis auf Weiteres. Auch in Russland schlug das Unglück Wellen. Die Fluggesellschaft S7 zog die einzigen beiden im Land betriebenen Flugzeuge des Typs vorläufig aus dem Verkehr und setzte zusammen mit den Airlines UTair, Pobeda und Uralskije Awialinii bestehende Lieferverträge aus. Die Regierung schlug Pobeda daraufhin den Kauf von 30 russischen MS-21 – der großen Hoffnung der einheimischen Flugzeug­industrie – vor. Mehrere Zeitungen spekulierten darüber, ob der Flieger von der Boeing-Krise profitieren könne.

Der zweimotorige Jet wurde im Juni 2016 der Öffentlichkeit mit großem Pomp vorgestellt. Regierungschef Dmitrij Medwedew bezeichnete die Passagiermaschine des Herstellers Irkut damals als „lang erwartete Entwicklung“ und „großen Sieg“ für die russische Zivilluftfahrt. Das Flugzeug, dessen Kürzel sich mit „Verkehrsflugzeug des 21. Jahrhunderts“ übersetzen lässt, wurde von seinen Erbauern als Konkurrenzmodell zu den Marktführern Airbus 320 und Boeing 737 entworfen. Rund 180 Passagiere finden in dem Flieger Platz.

Mit Kohlefaser die Konkurrenz überflügeln

Für den Vorsprung im hart umkämpften Flugzeugmarkt sollen sogenannte schwarze Flügel aus Kohlefaser-Verbundstoff sorgen. Diese sind im Gegensatz zur herkömmlichen Bauweise besonders leicht, äußerst strapazierfähig und sollen die Aerodynamik verbessern. Die neuartige Technik verringert zudem das Gesamtgewicht des Flugzeuges. Dadurch reduziert sich der Treibstoffverbrauch und die Betriebskosten sinken. Ein bedeutender Wettbewerbsvorteil, hofft Hersteller Irkut. Die MS-21 wäre das erste Flugzeug seiner Klasse mit Kohlefaser-Flügeln. Denn bisher sind die modernen Bauteile überwiegend bei größeren Passagierflugzeugen üblich.

Es lägen bereits rund 175 Bestellungen für die Maschine aus dem westsibirischen Irkutsk vor, meldete die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“. Darunter unter anderem 50 Maschinen für die Fluggesellschaft Aeroflot. Aus der Krise bei Boeing zieht die MS-21 aber trotzdem keinen Vorteil. „Im Moment hat unsere Flugzeugindustrie der Welt nichts anzubieten“, so Roman Gusarow, Chef des Flugzeugportals avia.ru, gegenüber dem Wirtschaftsblatt „Wsgljad“. Der Grund: Die erste Auslieferung des Fliegers musste bereits zum dritten Mal verschoben werden. Bei einem Langzeittest war ein Flügel gebrochen. Für Verzögerungen sorgen zudem Sanktionen der USA. Wa­­shington hat die Lieferung von wichtigen Bauteilen, die für den Bau des Kohlefaser-Flügel verwendet werden, eingestellt. Auch japanische Firmen halten sich an das Embargo.

Raketen-Ingenieure helfen

Der Lieferstopp wirft die Entwicklung des Flugzeuges um mindestens zwei Jahre zurück. Irkut will die Verbundstoffe nun mit russischen Produzenten herstellen, die bisher vor allem die Raketenindustrie belieferten. Die Serienproduktion soll frühestens im Jahr 2021 beginnen.

Birger Schütz

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