Geldbrise am Schwarzen Meer

Die Region Krasnodar mit ihren Badeorten am Schwarzen Meer ist Russlands Urlaubsziel Nummer eins. Nachdem im Vorfeld der Olympischen Winterspiele 2014 bereits Unsummen nach Sotschi flossen, wird an der 250 Kilometer langen Küste weiter kräftig investiert.

Am Schwarzen Meer soll es sich in Zukunft noch schöner urlauben. Dafür wird viel Geld in die Hand genommen. (Foto: Tino Künzel)

Ob die Strände von Sotschi, Anapa oder Gelendschik, mehr als 200  Kurbäder und Sanatorien oder die Skiresorts in Krasnaja Poljana – das Gebiet Krasnodar hat für Erholung und Tourismus viel zu bieten. Pro Jahr suchen mehr als 17 Millionen Urlauber in der südrussischen Region Sonne, Meer und Entspannung. Vor allem in der Hochsaison im Sommer sind rund 90 Prozent der Übernachtungskapazitäten ausgebucht. Um die wachsende Nachfrage zu decken, schießen neue Hotels und Urlaubsresorts wie Pilze aus dem Boden. Aktuell werden 23 Tourismusprojekte im Wert von rund 360 Millionen Euro realisiert.

Mehr als 50 Hotels in „Neu-Anapa“

Die steigende Zahl an Gästen erhöht den Bedarf an modernen touristischen Anlagen. Auf dem St. Petersburger Wirtschaftsforum Anfang Juni schloss die Regierung der Region Krasnodar Investi­tionsvereinbarungen in Höhe von 955 Millionen Euro für Infrastrukturvorhaben, darunter Kurhotels und Sanatorien, ab. Allein in Sotschi entstehen für rund 245 Mil­lionen Euro neue Einrichtungen. In Anapa wird bis 2024 für rund 2,9 Milliarden Euro der Tourismus- und Erholungs-Cluster „Neu-Anapa“ mit mehr als 50 Hotels errichtet. Die Investitionen dürften sich schnell amortisieren, setzen die Touristen in der sonnenverwöhnten Region doch jährlich über 1,6 Milliarden Euro um.

Hier, am nördlichen Ende der Badestrände von Anapa, soll „Neu-Anapa“ entstehen. (Foto: Tino Künzel)

Wer mit dem Auto an die Urlaubs­orte der Schwarzmeerküste reist, steht häufig stundenlang im Stau. Das Straßennetz ist veraltet und nicht für den Massentourismus ausgelegt. Um die Anreisezeit aus anderen Landesteilen drastisch zu verringern, ordnete Präsident Wladimir Putin im Herbst 2020 an, Pläne für den Neubau und die Sanierung von Verkehrswegen im Schwarzmeerraum auszuarbeiten. Das „Juschnij Cluster“ genannte Projekt (siehe Infos unten) sieht die Verlegung der Schienenwege, die bis dato direkt an der Küste verlaufen, ins Hinterland vor. Anstelle der bisherigen Gleis­trassen sollen neue Autobahnen und Schnellstraßen gebaut werden.

Schnellere Bahnstrecke durch die Berge

Im Fokus steht eine Autobahn von Dschubga nach Sotschi. Sie soll die notorisch verstopfte Straße entlang der Küste entlasten. Der Bau der 119 Kilometer langen Strecke wird etappenweise bis 2035 erfolgen. Bis 2030 sollen die Ortsumfahrungen von Tuapse und Lasarews­koje fertiggestellt sein. Insgesamt müssen 43 Brücken, 27 Tunnel und mehrere Hochstraßen errichtet sowie an mehreren Stellen bestehende Schienen verlegt werden. Die Projektierung übernimmt die staatliche Autobahngesellschaft Awtodor. Als Generalauftragnehmer ist die Baufirma Mostotrest des Oligarchen Arkadij Rotenberg im Gespräch.

Die Kosten dieses Infrastruktur-Großprojekts betragen rund 34 Milliarden Euro. Neben „Juschnij Cluster“ werden in den kommenden Jahren weitere Verkehrsinfrastrukturprojekte in der Region Krasnodar realisiert.

Die kommunale Infrastruktur kommt durch die Touristenströme und den starken Zuzug aus anderen Regionen an ihre Grenzen. Das steigende Aufkommen an Hausmüll und Abwasser erfordert Investitionen in die Abfallentsorgung, Wasserversorgung und die Abwasseraufbereitung.

Investitionen in Entsorgung und Energie

Im laufenden Jahr werden vier Deponien für feste Siedlungsabfälle saniert sowie in Sotschi und Anapa drei neue Sortieranlagen errichtet. Dringend gefragt sind Technologien zum Recycling von Hausmüll. Die Regierung der Region Krasnodar ist bereit, Angebote deutscher Unternehmen zu prüfen. Um ihre Chancen zu erhöhen, sollten sie jedoch einen Teil der Wertschöpfung lokal erbringen.

Zur Modernisierung von Abwasserkanälen, Sammel- und Überlaufbecken schloss die Regionalregierung 16 Konzessionsvereinbarungen im Wert von 267 Millionen Euro ab. Bis 2024 werden weitere neun Wasserversorgungsanlagen errichtet.

In den letzten Jahren sind die Urlauberzahlen am Schwarzen Meer gestiegen, auch im Zuge der Pandemie. (Foto: Tino Künzel)

Um den steigenden Energiebedarf in den Touristenhochburgen decken zu können, fließen Gelder in die Modernisierung von Erzeugungskapazitäten. Lukoil modernisiert für rund 150 Millionen Euro das Heizkraftwerk in Krasnodar. Erneuert werden unter anderem die Dampfturbinen und Kessel­anlagen. Darüber hinaus wird Umwelttechnik beschafft, um den CO2-Ausstoß um 155.000 Tonnen pro Jahr zu senken.

Rushydro modernisiert das Pumpspeicherwerk Kuban. Am Stauseeufer entsteht ein neues Maschinengebäude mit sechs Pump-Wasserkraftturbinen. Da­rüber hinaus werden die Stautore und Müllgitter sowie Krananlagen ersetzt.

Hans-Jürgen Wittmann (GTAI)

Von Moskau nach Sotschi in der halben Zeit

Die Bahnstrecke von Tuapse nach Sotschi entstand teils vor über 100 Jahren: Ihr Bau begann noch während des Ersten Weltkriegs. Verlegt wurden die Gleise dort, wo es die Landschaft mit den steil zum Meer hin abfallenden Kaukasusbergen am ehesten zuließ, nämlich an der Küste. Bis heute ist der Schienenstrang zu großen Teilen einspurig. Dem malerischen Ausblick auf die Strände steht ein nicht zeit­gemäßes Zuckeltempo gegenüber. Der Lastotschka-Regio­nalexpress braucht für die etwa 100 Kilometer ungefähr 100 Minuten – so viel, wie dieselbe Technik von Moskau nach Wladimir für die doppelte Distanz. Im Fernzug dauert die Fahrt noch deutlich länger.

Bislang verläuft die Bahnstrecke nach Sotschi auf den letzten hundert Kilometern direkt am Meer und ist vielerorts nur einspurig. (Foto: Tino Künzel)

Abhilfe soll eine fast eine Trillion Rubel teure neue Bahnstrecke durch die Berge im Rahmen des Projekts „Juschnij Cluster“ schaffen. Die von Krasnodar kommenden Züge würden auf ihrem Weg durch den Kaukasus dann schon etwa 20 Kilometer vor Tuapse und dem Schwarzen Meer bei der Station Kriwenkowskaja Richtung Süden abbiegen. Die Arbeiten sollen im nächsten Jahr aufgenommen werden und zusammen mit anderen Infrastrukturmaßnahmen zwischen Moskau und Sotschi dafür sorgen, dass sich die Fahrtzeit von der Hauptstadt zu dem  Schwarzmeerkurort bis 2030 auf die Hälfte verkürzt – von heute im Mittel 32 auf dann 16 Stunden. tk

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: