Erkaltete Freundschaft

Die Krise zwischen Russland und westlichen Staaten zieht immer größere Kreise. Während in Tschechien und anderen Staaten russische Diplomaten ausgewiesen werden, arbeitet das Moskauer Außenministerium an einer Vergeltungsliste und macht den USA einen besonderen Vorschlag.

Abschied aus Moskau: Tschechische Diplomaten packen ihre Sachen. (mobilnyj reportjor/ AGN Moskwa)

Säbelrasseln an der ukrainischen Grenze und im Schwarzen Meer, Ärger mit Tschechien wegen der Explosion eines Munitionslagers und Spionage – die russische Außenpolitik hat momentan an vielen Fronten zu kämpfen. 

Das Jahr 2021 ist bisher kein gutes für Moskaus Diplomaten und die russische Außenpolitik. Am 17. März bezeichnete der neue US-Präsident Joe Biden seinen Amtskollegen Wladimir Putin in einem Interview als „Mörder“ und gab damit die Richtung seiner Russlandpolitik vor. Kurz darauf hielt die Welt für einen Moment den Atem an, als Moskau an der ukrai­nischen Grenze ein groß angelegtes Militärmanöver abhielt.

Am 17. April ließ die ­tschechische Regierung eine diplomatische Bombe platzen und beschuldigte Moskau, an der Explosion eines Munitionslagers in Mähren im Jahr 2014 beteiligt gewesen zu sein und verschärfte damit die Krise zwischen Russland und dem Westen. Dass Moskau zwischendurch auch noch mit Rom wegen eines Spionagefalls stritt, fällt da kaum noch ins Gewicht. 

Krise wird zum osteuropäischen Flächenbrand

Das Tischtuch zwischen Prag und Moskau ist seitdem zerrissen. Die Explosion in Mähren hat zu einer Massenausweisung von Diplomaten geführt. Vor allem Tschechiens Vertretung ist dadurch dermaßen geschrumpft, dass eigentlich nur noch der Notbetrieb gewährleistet ist. In Prag gab es zwischendurch sogar Überlegungen, alle russischen Diplomaten des Landes zu verweisen. 

Tschechiens Reaktion hat in Ostmitteleuropa zu einer ungeahnten Solidaritätswelle geführt. Acht weitere Staaten aus dem ehema­ligen sowjetischen Einflussbereich haben russische Diplomaten wieder nach Hause geschickt. Russland sieht sich einem großen Block unzufriedener Staaten gegenüber und verschärft zunehmend den Ton, während es die Vorwürfe abstreitet. Immer wieder ist von einem „feindlichen Kurs“ und der „Schädigung traditioneller freundschaftlicher Beziehungen“ die Rede.

Vor allem von der slowakischen und bulgarischen Solidarität schien man in Moskau enttäuscht und verwies auf das jahrhundertealte Verhältnis zwischen den Staaten. Mit seiner Rhetorik möchte Russland um Verständnis werben. Schließlich verzeiht man in einer Freundschaft auch mal einen Fehltritt. Doch diese sowjetische Idee kommt in Tschechien und den anderen Staaten nicht mehr an. Schließlich ist eine Explosion, bei der Todesopfer gab, kein kleiner Fehltritt. Und Russland selbst scheint auf diese beschworene Freundschaft nicht viel zu geben. Wie Ruslan Uschakow, Militärattaché in Riga, der auf die Beschwerde wegen einer illegalen Party seinen lettischen Nachbarn den doppelten Mittelfinger entgegenstreckte. 

Liste unfreundlicher Staaten geplant

Während fast täglich neue Ausweisungen verlautbart werden, zündete Kremlchef Putin Ende April die nächste Eskalationsstufe. Ausländische Botschaften, die „unfreundliche Handlungen gegenüber Russland“ begehen, soll die Möglichkeit genommen werden, bestimmte Verträge abzuschließen. Im Klartext bedeutet dies, dass diplomatische Vertretungen kaum noch Russen einstellen dürfen.

Wer genau auf die Liste „unfreund­licher Staaten“ kommt, überlegt das Außenministerium noch. Neben den USA dürfte es die osteuropäischen Staaten treffen, mit denen Russland momentan im Streit liegt. Die Folgen würden auch die Russen selbst treffen, unter anderem weil weniger Visa für den Schengen-Raum ausgestellt werden können. Hier tut sich ein neuer potenzieller Konfliktherd zwischen dem Kreml und der Bevölkerung auf. 

Kurz darauf bemühte sich Außenminister Sergej Lawrow, zumindest eine Front wieder zu beruhigen und schlug den USA vor, den diplomatischen Konflikt wieder „auf Null“ zu setzen, was bedeutet auf den Stand vor der Regierung Barack Obamas, die bereits die Konfrontation mit dem Kreml suchte und russische Diplomaten auswies. Es dürfte ziemlich ausgeschlossen sein, dass die US-Regierung sich darauf einlässt.  

Daniel Säwert

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