Die Luftbrücke: Bittersüße Tatsachen im Berlin der Nachkriegszeit

Die Deutschen hatten nicht viel zu melden, als wenige Jahre nach Kriegsende in ihrem besetzten Land die Weichen auf Teilung gestellt wurden. Stellvertretend für diese Entwicklung stehen die Luftbrücke nach West-Berlin 1948-1949 und ihr geopolitischer Kontext. 75 Jahre danach erzählt davon eine Ausstellung.

„Rosinenbomber“ am Himmel über Berlin (Foto: Henry Ries/USAF)

Es war hässlich, wie die Amerikaner den Zweiten Weltkrieg beendeten. Langstreckenbomber warfen Atombomben ab, die im August 1945 die Städte Hiro­shima und Nagasaki samt der dortigen Bevölkerung in Schutt und Asche legten. Japan kapitulierte.

„Rosinenbomber“ im Anflug

Drei Jahre darauf wurden US-Militärmaschinen zu einem gewohnten Bild am Himmel über Berlin. Diesmal brachte die bis dato einzige Atommacht nicht Tod und Zerstörung, vielmehr hatten die Douglas-Transportflugzeuge dringend benötigte Versorgungsgüter an Bord. Manchmal war auch ein Bonus für die Berliner Kinder dabei.

Der Pilot Gail Halvorsen soll im August 1948 der Erste gewesen sein, der beim Landeanflug Schokoladentafeln abwarf, die an Taschentüchern befestigt waren. Die Idee machte Schule, so dass nun regelmäßig Süßigkeiten, Kaugummi und Spielzeug an kleinen Fallschirmen zu Boden segelten. Bald war der Begriff „Rosinenbomber“ geboren. Und die Amerikaner gingen als Helden ins kollektive Gedächtnis ein, zumindest auf einer Seite der Barrikade.

Ausstellung 75 Jahre danach

Wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass im Westteil der ehemaligen Reichshauptstadt die Besiegten nun den Siegern des Zweiten Weltkriegs zujubelten, dieser Frage geht jetzt eine Ausstellung am früheren Flughafen Tempelhof nach. Eröffnet wurde sie am 28. Juni, genau 75 Jahre, nachdem Amerikaner und Briten mit der Belieferung der Westsektoren Berlins aus der Luft begonnen hatten.

Das rund um die Uhr frei zugängliche Open-Air-Ausstellungsgelände am früheren Flughafen Tempelhof (Foto: Museum Berlin-Karlshorst/Harry Schnitger)

Vier Tage davor, am 24. Juni 1948, waren sämtliche Landwege für den Güterverkehr zwischen den westlichen Besatzungszonen Deutschlands und West-Berlin durch die sowjetische Militäradministration  (SMAD) unterbrochen worden. Da die Straßen, Schienen und Kanäle, über die bis dahin 75 Prozent des Bedarfs von West-Berlin gedeckt worden waren, durch das von der Sowjet­union kontrollierte Gebiet führten, setzte diese ihre Hoheit auf rigorose Weise durch, ohne zumindest eine plausible Erklärung folgen zu lassen.

322 Tage Blockade

So kam das, was als Berlin-Blockade in die Geschichte eingehen sollte (in der sowjetischen Geschichtsschreibung als „erste Berlin-Krise“), zunächst eher beiläufig daher: Die SMAD machte „technische Gründe“ und „Reparaturarbeiten“ für die Sperrungen geltend. Doch letztlich dauerte die Blockade 322 Tage. Die Luftbrücke, mit der die West­alliierten darauf reagierten, wurde insgesamt sogar 15 Monate aufrechterhalten. Diese denkwürdigen Ereignisse waren Ausdruck der Gegensätze zwischen den Siegermächten, die bald nach Kriegsende zunehmend unüberbrückbar wurden. Damit rückte auch die deutsche Teilung mit geradezu rasanter Geschwindigkeit näher, obwohl beiden Seiten ein ungeteiltes Deutschland wohl lieber gewesen wäre – allerdings jeweils zu den eigenen Bedingungen.

Gesperrte Autobahn Helmstedt-Berlin in Potsdam-Dreilinden (Foto: AlliiertenMuseum/Slg Provan)

Der Blockade unmittelbar vorausgegangen war die Londoner Sechsmächtekonferenz zwischen dem 23. Februar und 2. Juni 1948. Nach gescheiterten Verhandlungen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion über eine gemeinsame Deutschlandpolitik wurden nun die deutschen Ministerpräsidenten in der westlichen „Trizone“ beauftragt, die Voraussetzungen für die Schaffung eines separaten Staats zu schaffen, obwohl sie das gar nicht wollten und immer noch eine gesamtdeutsche Lösung anstrebten. Die Sowjetunion war zu der Konferenz nicht eingeladen worden und betrachtete sie als Verletzung des Potsdamer Abkommens.

Einführung der D-Mark

Ab dem 20. März beteiligte sich die SMAD nicht mehr am Alliierten Kontrollrat, der sozusagen die Oberaufsicht über Deutschland hatte. Ab dem 16. Juni quittierte die sowjetische Seite auch die Alliierte Kommandantur in Berlin. Nachdem man sich nicht auf eine Währungsreform für ganz Deutschland einigen konnte, führten die Westmächte in ihren Besatzungszonen am 20. Juni statt der alten Reichsmark die D-Mark ein. Die Sowjet­union zürnte, protestierte und legte eilig eine eigene Währung in ihrer Besatzungszone auf. Sie kappte die Verkehrswege und drehte West-Berlin den Strom ab.

Um eine historische Einordnung geht es nun auch den Veranstaltern der Ausstellung „Blockierte Sieger – Geteiltes Berlin“: dem Militärhistorischen Museum Flugplatz Berlin-Gatow, dem AlliiertenMuseum Berlin und dem Museum Berlin-Karlshorst. In drei Pavillons und vier Kapiteln widmen sie sich der Frage nach Hintergründen, Folgen und Wahrnehmung des Geschehens. „Die Blockade war eine einschneidende und folgenträchtige Erfahrung für Berlin, die Luftbrücke eine grandiose Leistung der US-amerikanischen und britischen Siegermächte. Aber zur Luftbrücke gehört noch mehr als diese Erfolgsgeschichte“, sagt Projektleiterin Doris Müller-Toovey.

Auftakt zum Kalten Krieg

Die damalige Auseinandersetzung gilt als erste Konfrontation des Kalten Krieges. Ein Waffen­einsatz wurde glücklich vermieden. Weder versuchten die Westalliierten, sich mit Gewalt einen Weg nach und von West-Berlin zu bahnen, noch nahmen die sowjetischen Besatzer die „Rosinenbomber“ in den drei offenen Luftkorridoren unter Beschuss.

Welche Motive die Hausherren im Osten mit ihrer Blockade genau verfolgten, ist bis heute umstritten, zumal die sowjetischen Quellen weiter unter Verschluss oder nicht sehr ergiebig sind. Historiker sind sich jedoch weitgehend einig, dass Stalin und seine Statthalter jedenfalls nicht beabsichtigten, West-Berlin an den Rand einer humanitären Katas­trophe zu bringen. Immer wieder wurde das Angebot erneuert, bei Versorgungsschwierigkeiten einzuspringen. West-Berliner konnten sich auch in Ost-Berlin registrieren lassen, um sich Lebensmittelrationen zu sichern, die schon vor der Krise größer gewesen waren als im Westteil der Stadt. Doch Gebrauch machten davon die wenigsten. Stattdessen gingen am 9. September 1948 mehrere hunderttausend Menschen auf die Straße, um vor dem zerstörten Reichstag und inmitten der Trümmer von Berlin für ein Ende der Blockade zu demonstrieren.

Bis zu 1364 Flüge am Tag

Letztlich waren es mehr als 277.000 Flüge, die im Rahmen der Luftbrücke mehrheitlich von den Amerikanern und zu einem kleineren Teil den Briten absolviert wurden. Steinkohle machte mehr als zwei Drittel der über zwei Millionen Tonnen eingeflogener Güter aus. Auf Lebensmittel entfielen 23 Prozent. Zu Ostern 1949 wurde mit 1364 Flügen an einem einzigen Tag und einer Beförderungsleistung von 11.674 Tonnen ein Rekord aufgestellt. Damit überhaupt so viele Flugzeuge abgefertigt werden konnten, wurden zunächst zwei und später drei Flughäfen entsprechend repariert und modernisiert: Tempelhof (amerikanischer Sektor), Gatow (britischer Sektor) und Tegel (französischer Sektor).

Einweihung des Luftbrückendenkmals 1951 in West-Berlin (Foto: AlliiertenMuseum/US Army Photograph)

Am 12. Mai 1949 gab die SMAD den Transit am Boden wieder frei, auch der Strom floss von Neuem. In der Zwischenzeit hatten sich Ost- und West-Berlin weiter ausein­anderdividiert. So wurde im Osten ein Gegenstück zur SPD-dominierten Stadtverordnetenversammlung gebildet, nur ein Beispiel für immer mehr parallele Strukturen.

Die Sowjetunion dürfte wohl unterschätzt haben, wie sehr sich die Stimmung in den Westsektoren veränderte. So wie aus gestri­gen Verbündeten Gegner wurden, so wurden aus Feinden – den Amerikanern – fast schon über Nacht Beschützer. Am 23. Mai 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet, viereinhalb Monate später die DDR.

Tino Künzel

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