Die Liebe der Moskauer Metro zum Wandbild

In der Station Elektrosawodskaja entsteht das größte Wandbild im Moskauer Untergrund. Es ist der Höhepunkt der Wiederbelebung einer sowjetischen Kunstform.

Metro
Noch gibt es die „Schlacht der Helden“ nur als Animation (Foto: mos.stroi.ru)

Moskaus Metro gibt sich gerne als modernes Transportmittel. Nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch neu gebaute Stationen entsprechen stets dem Zeitgeist. Umso erstaunlicher schien da die Meldung, dass in der neuen Station Elektrosawodskaja des Großen Metrorings das größte Wandbild des Moskauer Untergrunds entstehen soll. Auf ganzen 163 Metern Länge wird die „Schlacht der Helden“ des Bildhauers und Gelegenheitswandmalers Alexander Rukawischnikow zu sehen sein. „Das Wandbild lässt ein Gesamtbild des Verteidigers der Heimat vor Angriffen von Feinden auf ihre Heimat und Unabhängigkeit zu Zeiten der Alten Rus auferstehen“, heißt es dazu auf der Homepage des Moskauer Stadtbauamtes. 

So etwas, was in der Metro geschehe, habe es seit der sowjetischen Moderne nicht mehr gegeben, konstatierte das Stadtjournal „Moskvichmag“. Und tatsächlich scheint das Wandbild, im Russischen panno genannt, ein Relikt aus dem Sozialismus zu sein. Bereits unter Stalin wurden verschiedene Metrostationen mit Mosaikbildern verziert, auf denen das Leben und die Taten in der Sowjetunion verehrt werden.

Revival einer sowjetischen Kunstform

Und als Moskau 1957 zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten einlud, waren großflächige Wandbilder für die Organisatoren das Mittel der Wahl für ihre Propaganda. Rund 500 ließen sie davon an Häuserfassaden anbringen, die – von der Geschichte Moskaus bis hin zu Gesundheitstipps – so ziemlich alles propagierten. Mehr noch, die Organisatorin waren gar überzeugt, dass die Wandbilder damals Feststimmung in Moskau erzeugt hatten. 

Nach Stalin folgte die Zeit des Sparens in der Sowjetunion. Das Pompöse verschwand zunehmend aus dem öffentlichen Raum. Die Metrostationen wurden schlichter und Gebäude vereinheitlicht. Doch es war gerade diese ästhetisch wenig anmutende Einheit, die sich in der Sowjetunion breit machte, die Architekten auf eine Idee brachte. Weil die Häuser nicht nur langweilig aussahen, sondern auch noch billig gebaut waren, schlugen sie vor, Wandbilder daran anzubringen. Das sah nicht nur schöner aus, sondern diente zugleich als Isolationsschicht. Man schlug also zwei Fliegen mit einer Klappe. Und erschuf damit ein neues sowjetisches Wandbild, das mit seiner Vielfalt bis heute weltweit viele Fans hat.  

Mit dem Ende der Sowjetunion war auch die Zeit der Wandbilder vorbei. Wenn überhaupt, nahmen Murals ihren Platz ein. Bis die Metro der alten Monumentalkunst wieder neuen Auftrieb verschaffte. Für viele eher unmerklich, greift die 2007 eröffnete Station Sretenskij bulwar den alten Kunststil wieder auf – verzichtet aber auf Propagandamotive. Diese kann man dafür in der Kutusowskaja erleben.

Skandal bei der Sanierung

Seit der Sanierung 2018 wird dort an den Namensgeber der Station, Feldmarschall Michail Kutusow, und den Krieg gegen Napoleon erinnert. Allerdings nicht zu jedermanns Freude. Denn Künstler Oleg Parchajew beschwerte sich, dass seine Bilder verwendet wurden, ohne dass er gefragt worden sei. Zudem hätte die Metro die Figuren in falschen Proportionen dargestellt. 

Solch ein Skandal war für die Metro aber kein Grund, an ihrem neuen Stil festzuhalten. Denn sie plant schon längst Größeres. In der neuen Station „Uliza 800-letija Moskwy“ (Straße des 800. Jahrestags Moskaus) im Norden der Stadt soll der untergegangene sozialistische Staat wiederauferstehen. Die Architekten haben sich entschieden, die Station in einen Ausstellungssaal der Sowjetunion zu verwandeln, heißt es dazu auf der Seite des Stadtbauamtes. Mai-Demonstrationen, Stalin-Hochhäuser, Pioniere und andere sowjetische Attribute werden hier zu sehen sein, verkündete Moskaus Stadtarchitekt Sergej Kusnezow. Und nicht zuletzt soll die halbe Station in einem satten Rotton erstrahlen, der an die sowjetische Flagge erinnert. Der Plan für die Station konnte allerdings nicht eingehalten werden. Der Bau verzögert sich um mehrere Jahre. Früher wird die „Schlacht der Helden“ zu bestaunen sein. Wenn alles nach Plan läuft, bereits Ende 2020.

Daniel Säwert

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