Der Rote Geist belebt den russischen Film

Das russische Kino wird seit einigen Jahren von Kriegsfilmen regelrecht überschwemmt. Handwerklich durchaus gut gemacht, zeichnen sich diese Filme aber vor allem durch ihren triefenden Patriotismus aus. Dass es auch anders geht, beweist Regisseur Andrej Bogatyrjow mit seinem actiongeladenen Streifen „Der Rote Geist“.

Wolfgang Cerny jagt als „Braun“ erfoglos den „Geist“. (Foto: Pressedienst “Krasnyj prisrak”)

Auf den ersten Blick ist es nur ein weiterer Kriegsfilm, der seit dem 10. Juni in den russischen Kinos läuft. Doch „Der Rote Geist“ von Andrej Bogatyrjow ist anders. Statt triefenden Patriotismus und Heroismus zu produzieren, schafft er es, Charaktere zu zeichnen und überzeugt mit jeder Menge Witz. Und ist damit einer der besten russischen Filme seit langer Zeit. Selbst Zweifler sind vom Blockbuster begeistert.

„Der Rote Geist“ ist aus vielen Gründen ein ungewöhnlicher Film. Das fängt bereits bei der Handlung an. Normalerweise spielen russische Kriegsfilme ab 1943, zum Ende des Kriegs. Bogatyrjow siedelt seine Handlung hingegen kurz nach dem Überfall der Wehrmacht an. In der verlustreichen Kesselschlacht von Wjasma versucht die Rote Armee, den deutschen Vormarsch auf Moskau aufzuhalten. In diesen Wirren will ein versprengter Trupp von Partisanen seine Einheit wiederfinden.

Auf ihrem Weg begegnen die Männer und Frauen immer wieder deutsche Leichen. Sie sind das Werk des namensgebenden Geistes. Über den Rächer, wie er auch genannt wird, kursieren die wildesten Legenden. Während er den Deutschen verständlicherweise Magenkrämpfe und mehr verursacht, schreiben die Sowjets ihm übernatürliche Fähigkeiten zu. Dabei weiß niemand, wie viele „Geister“ es eigentlich gibt. Sind es vier oder fünf? Bezeichnend, dass der Protagonist keinen Namen hat.

Beim Krieg scherzt man in Russland eigentlich nicht

Obwohl es durchaus immer wieder russische Filme gab, die sich dem Zweiten Weltkrieg etwas weniger ernst genähert haben, ist das Thema keines, mit dem man seine Scherze machen darf. Zu wichtig ist der Schrecken des Krieges für die russische Erinnerung und zu sehr wird er in den vergangenen wieder in den Fokus von Gesellschaft und Erinnerungskultur gerückt. Russische Kinobesucher wissen das vielleicht noch ein bisschen besser als der Rest des Landes. Wurde doch in den vergangenen Jahren fast ausschließlich vom Staat gefördert, was sowjetische Soldaten heldenhaft dastehen lässt.

Wenig verwunderlich haben russische Kriegsfilme deswegen ein Problem: Sie sind durch und durch ernste Propaganda. Sich diesem Thema lebendig und mit Humor zu nähern, gleicht einem Ritt durch ein Minenfeld. Bogatyrjow hat diesen Ritt gewagt. Im Nachhinein gab der Regisseur zu, dass sein Streifen nicht dem Stil der vergangenen Jahre in Russland entspricht. Doch er habe bewusst auf einen Hurra-Patriotismus verzichtet. Er wollte keinen formellen Film schaffen, sondern einen lebendigen, betonte Bogatyrjow wiederholt.

Dafür sprachen er und seine Crew mit Veteranen. Was selbstverständlich klingt, ist in diesem Fall durchaus ungewöhnlich. Denn die Crew instrumentalisiert die Kriegsteilnehmer nicht, wie es allzu oft in Russland geschieht. Bogatyrjow hat den Veteranen zugehört und deren Geschichten in seinen Film eingebaut. Um die 40 Prozent von „Der Rote Geist“ basieren auf den Erzählungen der ehemaligen Soldaten, erklärte der Regisseur beim Fernsehsender „Doschd“. Genau diese kleinen Alltagsgeschichten machen den Film so lebendig, ist Bogatyrjow überzeugt.

Das sahen jedoch nicht alle so. Verleiher und Fernsehsender mieden den Streifen lange. Erst drei Jahre nach dem Dreh 2018 schaffte es „Der Rote Geist“ deshalb in die Kinos.

Ein Genre ist nur schwer auszumachen


Bogatyrjow bricht auch mit der Darstellung des Deutschen. Aus den üblichen grobklotzigen und seelenlosen Soldaten werden Menschen, die auch Gefühle zeigen. Vor allem Wolfgang Cerny erhielt für seine Darstellung als deutscher Offizier „Braun“ viel Lob. Der Österreicher ist in Russland bereits durch den Kriegsfilm „T-34“ bekannt.

Kritiker sind sich einig, dass Bogatyrjow einen der besten russischen Filme seit Jahren vorgelegt hat. Einen „im Geiste Tarantinos“, heißt es immer wieder. Auch Vergleiche mit Western und Eastern und simplen Actionfilmen fallen in den Kritiken. Wird doch viel geprügelt und geschossen, dafür umso weniger geredet. Und dazu klingt die Musik stark nach Ennio Morricone, insbesondere wenn der „Geist“ auftaucht.
Bogatyrjow kennt all diese Vergleiche, auch, dass sein Hauptdarsteller Alexej Schewtschenkow als junger Clint Eastwood hingestellt wird.

Und der Regisseur nimmt das viele Lob auch gerne an. In einem Interview mit „Doschd“ verriet er aber, dass er Quentin Tarantino zwar möge, sein Film aber keine Referenzen an den US-Regisseur enthalte. Vielmehr stammt seine Inspiriation aus einer anderen Ecke und Epoche. Gute sowjetische Filme wie „Sie kämpften für die Heimat“ von 1975 hatten „noch vor Tarantino viel Tarantino“, so Bogatyrjow.

„Der Rote Geist“ macht Lust auf mehr. Und das könnte es eventuell geben. Auch Regisseur Bogatyrjow träumt von einer Fortsetzung. Genug Material für einen zweiten und vielleicht sogar einen dritten Teil hat er bereits. Was bislang fehlt, ist die Finanzierung.

Daniel Säwert

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