Besondere Beziehungen: Die Lambsdorffs und Russland

Alexander Graf Lambsdorff, außenpolitischer Experte der FDP und Fraktionsvize seiner Partei im Bundestag, wird nach übereinstimmenden Medienberichten neuer deutscher Botschafter in Moskau. Die Geschichte seiner Familie ist auf verschiedene Weise mit Russland verbunden.

Matwej Lambsdorff (Gustav Matthias Jakob Freiherr von der Wenge Graf Lambsdorff), 1820er-1830er, Johann Leberecht Eggink (Foto: Wikimedia)

Die Lambsdorffs aus dem Herzogtum Kurland und Semgallen weilten bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts am russischen Hof: Rittmeister Bartold von Lambsdorff entstammte einem alten deutschen Adelsgeschlecht und diente in den Truppen des Zaren Wassili Schuiski. Er wurde am 24. April 1608 von Kosaken wegen des Verdachts auf Verrat getötet.

Matwej und Nikolaj Lambsdorff

Sein Schicksal schreckte die Nachkommen nicht ab, und im 18. Jahrhundert traten viele Lambsdorffs in russischen Dienst. Sie waren hauptsächlich Militärs und nahmen an den Schlachten gegen die Perser und die Polen teil. Matwej Lambsdorff (1745–1828) oblag die Erziehung der Großfürsten Nikolaj Pawlowitsch (dem künftigen Nikolaus I.) und Michail Pawlowitsch. Sein Sohn General-Leutnant Nikolaj Lambsdorff nahm am russisch-türkischen Krieg teil und schlug den polnischen Aufstand von 1830–1831 nieder. Später leitete er die Forstverwaltung des Russischen Reiches.

Wladimir Lambsdorff

Die glänzendste Karriere in Russland legte der jüngste Sohn Nikolaj Lambsdorffs Wladimir hin: Von 1900–1906 leitete er das Außenministerium Russlands. Der Diplomat strebte ein europäisches Gleichgewicht an, wobei Russland die Rolle des Friedensrichters zwischen Deutschland und Frankreich spielen sollte.

Wladimir Lambsdorff führte Tagebuch, welches als wertvolles Dokument der Außenpolitik Russlands Ende des 19. Jahrhundert gilt und mehrmals veröffentlicht wurde. Es erzählt aber auch viel über den Autor selbst. So half er zum Beispiel unter Ausnutzung seiner Dienststellung Verwandten, die schnell deutsche Untertanen werden wollten. Und er hat sich trotzdem nicht gescheut, ihnen zu sagen, was er davon hielt. „Ihr könnt Euch nicht vorstellen, welchen unangenehmen, um es vorsichtig zu sagen, Eindruck es hier macht, wenn Familienmitglieder eine ausländische Staatsbürgerschaft annehmen, zumal die Familie Russland mit allem verpflichtet ist. Mich berührt es umso mehr, da meine Position als ,russischer Lambsdorff’ mir sehr am Herzen liegt“, schrieb Wladimir Lambsdorff seinem Cousin Karl.

Ein Teil der Lambsdorffs ließ sich nach dem Ablegen der russischen Staatsbürgerschaft in Deutschland nieder. Einige sind nach Oktober 1917 nach Europa emigriert.

Alexander und Alexandra Lambsdorff

Im Übrigen hofft heute in Russland niemand darauf, dass die Wurzeln und die Vergangenheit der Vorfahren von Graf Alexander Lambsdorff irgendwie helfen könnten, die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin wiederherzustellen. Zumal die Tante des Diplomaten, Gräfin Alexandra Lambsdorff, die Witwe des Wirtschaftsministers der BRD Otto von Lambsdorff, im Jahr 1993 die Gründung des Deutsch-Russischen Forums initiierte. Mitte der 2010er Jahre verließ sie die Leitung des Forums. „Das ist die große Frustration meiner letzten Jahre“, sagte sie 2017 in einem Interview.

Alexander Lambsdorff nahm an den Sitzungen des Petersburger Dialogs teil, war mehrfach in Russland und kritisierte den Kreml. 2019 sagte er, dass Deutschland keine „besonderen Beziehungen zu Russland“ haben sollte.

Olga Silantjewa

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