Eisige Winter, rücksichtsloser Autofahrer und fehlende Infrastruktur, Moskau ist nicht für seine Fahrradfreundlichkeit bekannt. Doch in den vergangenen Jahren hat sich einiges getan. Seit 2012 ließ die Stadtregierung 230 Kilometer Radwege bauen. Und bereits ein Jahr später wurde mit „Velobike“ auch ein Bikesharing-System eingerichtet, welches von den Moskauern mittlerweile sehr gut angenommen wird. Denn die Bedienung ist denkbar einfach. Nach der Anmeldung per App kann man sich für 150 Rubel am Tag so oft man möchte für 30 Minuten ein freies Fahrrad nehmen.
Wer nicht nur von A nach B will, sondern einen Tagesausflug mit dem Fahrrad plant, kann einen der vielen Verleihe in Moskau ansteuern. Ein Rad für einen Tag kostet um die 600 Rubel. Für jene die jetzt am liebsten gleich in die Pedale treten würden, aber nicht wissen wohin im Großstadtdschungel, hat die MDZ die schönsten Strecken in Moskau gefunden.
Auf den Boulevards durchs Zentrum
Der Boulevardring Moskaus wurde 1796 nach dem Vorbild der großen Pariser Prachtstraßen angelegt. Bei der aus insgesamt zehn Boulevards bestehenden Strecke handelt es sich aber nicht, wie der Name impliziert, um einen Ring, sondern um einen neun Kilometer langen Halbkreis der von der Moskwa begrenzt wird.
Um die teils hügelige Strecke einmal komplett abzufahren, sollte man etwa eineinhalb Stunden einplanen. Der gesamte Ring ist durch Fahrradwege verbunden. Aber auch die in der Mitte verlaufenden parkartigen Alleen eignen sich für eine Tour. Die Route beginnt zu Füßen der Christ-Erlöser Kathedrale. Unweit davon taucht das erste Grün des Gogolewskij Boulevards auf. Nach kurzer Zeit kreuzt der Ring den Neuen Arbat.
Fährt man weiter auf dem Twerskoj Boulevard erreicht man den Puschkin-Platz, mit dem Denkmal des berühmtesten russischen Dichters. Das auf und ab der Boulevards bietet Fahrspaß und Rollpartien, kann aber auch in die Beine gehen. Hat man den letzten Hügel der Tour mit seinem Drahtesel erklommen, ist man bald am Turgenjew Platz und den „Sauberen Teichen“ (Tschistyje Prudy).
Hier geht es vorbei an Unmengen von Lokalen und Imbissen. Für eine kleine Pause eignen sich die Sitzgelegenheiten rund um die Überreste der Mauer von Bely Gorod, einem historischen Stadtviertel Moskaus. Bis in die Zeiten Katharinas der Großen verlief die Mauer entlang des Boulevardrings. Das letzte Stück der Tour geht es bergab. Gemütlich kann man sich fast bis an das Ufer der Moskwa rollen lassen. Dort angekommen, sollte man entlang des Ufers zum Sarjadje-Park, um dort den Blick auf den Kreml zu genießen.
Am Ufer der Moskwa entlang
Wer sich für eine Radtour entlang der Moskwa entscheidet, kann innerhalb von zwei Stunden die Vielfalt Moskaus erleben. Und das fast ohne Anstrengung, denn die Strecke ist flach. Los geht es am linken Ufer bei der hochaufragenden Silhouette von Moscow City.
Nach ein paar Minuten ist das Weiße Haus, Sitz des russischen Kabinetts, erreicht. Hier kletterte Boris Jelzin 1991 auf einen Panzer und führte Russland dadurch in die Demokratie. Der Weg folgt dem Flusslauf immer weiter bis das Luschniki-Stadion in Sicht kommt und auf der anderen Seite des Ufers der Stern der Lomonossow-Universität über den Sperlingsbergen aufragt. Bald darauf kann man die verglaste Puschkin-Brücke überqueren.
Auf der anderen Flussseite angekommen geht es weiter durch den Gorki-Park zur Neuen Tretjakow-Galerie. Hier lohnt sich ein Abstecher zum Skulpturen Park „Museon“ hinter dem Gebäude der Galerie. Zurück auf die linke Seite des Moskwa-Ufers führt die Tour über die Baltschug Insel, auf der die ehemalige Schokoladen Fabrik „Roter Oktober“ zu finden ist. Ab hier begleiten die mächtigen, roten Mauern des Kreml die Radtour. Endet der Befestigungsring, gibt er die Sicht auf die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz frei. Immer weiter windet sich der Fluss durch die Hauptstadt. Vorbei am Sarjadje-Park bis zum Nowospasskij Kloster. Die golden-hellblau schimmernden Kuppeln der Klosterkirche markieren den Endpunkt des Ausflugs.
Durch Parks und Gärten
Ungefähr vier Stunden sollte man einplanen, wenn man die Parks im Norden Moskaus erkunden möchte. Auf der Route ist für alle etwas dabei: asphaltierte Strecken, Wald- und Wiesenwege sowie Sehenswertes am Wegesrand. Gestartet wird der Fahrspaß am Eingang des Sokolniki-Parks. Zu entdecken gibt es Teiche, Blumenfelder und auch eine Tanzfläche, auf der täglich zwischen zwölf und 14 Uhr das Tanzbein geschwungen werden kann. Am Wochenende gibt es auch abends Programm: von Retro bis Gesellschaftstanz werden alle Stilrichtungen bedient.
Nachdem man etwa 30 Minuten in Richtung Norden radelt, trifft man auf den Rostokinskij Prospekt, der den ganzen Park durchschneidet. Hier geht es kurz auf dem Bürgersteig weiter. Nachdem der Prospekt den Park verlassen hat, geht es entlang der Uliza Kosmonawtow, bis nach kurzer Zeit die stachelartige Spitze des Kosmos-Museums in Sicht kommt.
Gleich dahinter beginnt das in den letzten Jahren aufwändig sanierte Ausstellungsgelände „WDNCh“. Besonders die goldenen Springbrunnen „Völkerfreundschaft“ und „Steinblume“ ziehen die Menschen zum stauen und Fotos schießen an. Der Park mit seinen Imbissbuden, Ausstellungen und Sitzgelegenheiten eignet sich ideal für eine Pause. Nach der Rast geht es weiter in den Park Ostankino. Am besten biegt man vor dem „Kosmos“-Pavillon links in eine der Abzweigungen ein. Am südöstlichen Rand des Ostankino Parks befindet sich der Landsitz der Grafen Scheremetjew, der drittgrößte Holzbau der Welt.
Von dort lässt sich der Ostankino-Fernsehturm, mit 537 Metern das höchste Bauwerk Europas, bestaunen. Weiter geht es über schöne Wege an den linken Rand der Grünanlage zum Botanischen Garten. Hier kommen vor allem Pflanzenliebhaber und Hobbygärtner voll auf ihre Kosten: erst wird der Rosengarten und dann die Orangerie erreicht. Der größte Botanische Garten Russlands erstreckt sich über 130 Hektar Fläche, die sich über gut ausgebaute und asphaltierte Wege erkunden lassen. Der Ausflug endet vor dem Hauptgebäude des Gartens, nahe der Metrostation Wladykino.
Die Lichter der Stadt
Auch nachts lohnt es sich, mit dem Fahrrad in Moskau unterwegs zu sein. Denn so kann man die erleuchtete Stadt am besten genießen. Es empfiehlt sich, auch diese Tour an den Hochhäusern von Moscow City zu beginnen. Am Ufer geht der Moskwa geht es zum Hotel Ukraina, eine der „Sieben Schwestern“ aus der Stalinzeit. Auf der anderen Seite der Moskwa zeigt sich das Weiße Haus im besten Licht. Nach ein paar Minuten ist der Europaplatz erreicht, auf dem Springbrunnen mit Hilfe eines Farbspiels die Entführung der Europa durch den Gott Zeus erzählt.
Überquert man die Borodinskij-Brücke, trifft man auf das 172 Meter hohe Außenministerium, „Schwester“ Nummer zwei. Nicht entgehen lassen darf man sich den Neuen Arbat. Dieser ist seit seiner Sanierung fahrradfreundlich und beglückt den nächtlichen Radler mit einer Lichtshow auf den Hochhäusern. Weiter geht es entlang der Uliza Wosdwischenka Richtung Kreml, an dessen Mauer sich die ewige Flamme am Grabmal des unbekannten Soldaten befindet. Und zum Abschluss empfiehlt sich ein Spaziergang auf dem Roten Platz.
Nikolaus Michelson