Erlöst! Die „Bayern von Russland“ sind am Ziel

16 Jahre dauerte die Leidenszeit. Jetzt ist Spartak Moskau, Russlands beliebtester Fußballklub, erstmals seit 2001 wieder russischer Fußballmeister geworden, und das mit großem Vorsprung vor der Konkurrenz bereits am 27. von 30 Spieltagen. Wen befragt man dazu? Am besten einen Fan, der all das Auf und Ab miterlebt hat. Unser Mann heißt Artur Tulajew, 34 Jahre alt, Nachwuchstrainer aus Uchta in Nordrussland.

Spartak Moskau

So sehen Sieger aus: Spieler und Fans von Spartak Moskau Ende April nach einem Sieg im Moskauer Derby gegen den Erzrivalen ZSKA Moskau. / RIA Novosti

Wie erklärst du einem Ausländer, was Spartak Moskau ist?

Ein Volksklub. Zu Sowjetzeiten waren alle anderen irgendwelchen Ministerien angegliedert. Hinter Spartak stand niemand – nur sein Anhang. Das hat den Leuten von jeher gefallen. Spartak hat Fans im ganzen Land. Ich glaube, sogar im Westen ist es keine Selbstverständlichkeit, dass bei jedem Auswärtsspiel bis zu einem Drittel der Zuschauer mit der Gastmannschaft mitfiebert. Ich war selbst diese Saison beim Spiel in Krasnodar – und einer von 10.000 Spartak-Fans im Stadion. Das muss man erlebt haben, um es zu glauben.

Was ist deine früheste Erinnerung an ein Spartak-Spiel?

Das 4:2 gegen Liverpool im Pokal der Pokalsieger 1992. Und das Rückspiel, das wir auch mit 2:0 gewonnen haben. Da war ich neun Jahre alt. Später sind dann die ersten Fanartikel aufgetaucht. Auf einem alten Foto mit meiner Schulklasse sind wir alle fein angezogen  – und ich trage einen Spartak-Schal um den Hals.


Spartak wurde zwar bereits am 27. Spieltag Meister, doch das stand erst einen Tag nach dem Heimsieg gegen Absteiger Tomsk fest, so dass der Titel zu diesem Zeitpunkt noch nicht bejubelt werden konnte. Das holten die Fans am 29. Spieltag nach dem letzten Heimspiel der Saison gegen Terek Grosnyj (3:0) vor 43.000 Zuschauern in der Otkrytyje-Arena nach. Wie nach dem Abpfiff – erlaubterweise – der Platz gestürmt wurde (im Video ab 0:50), sieht man wahrlich nicht alle Tage.

Der Spielbericht.


Meister geworden ist Spartak jetzt durch eine Niederlage des Konkurrenten Zenit St. Petersburg drei Spieltage vor Saisonende, nach einem eigenen mühsamen 1:0 gegen Schlusslicht Tomsk.

Vor ausverkauftem Haus. Aber ja, das hat den ganzen Eindruck schon etwas getrübt. Zumal hier bei uns von irgendwelchen Jubelszenen sowieso nichts zu spüren war. Ich habe mit einem Freund angestoßen – damit hatte es sich. Sehr nüchtern, wenn man bedenkt, wie lange wir auf diesen Titel warten mussten. Ich habe sogar im Scherz gesagt: Unser Klub ist so widersprüchlich – wir können noch nicht mal die erste Meisterschaft nach 16 Jahren normal feiern.

In den ersten postsowjetischen Jahren dominierte Spartak Moskau die Liga nach Belieben, wurde bis 2001 neun Mal russischer Meister. Dann kam der Bruch. Was ist da passiert?

Einen einzigen Grund gibt es nicht. Wir hatten teilweise namhafte Trainer, namhafte Spieler, die überall erfolgreich waren, nur nicht bei uns. So wie Unai Emery, der heute Paris St. Germain trainiert. Vielleicht ist die Mannschaft an dem Druck gescheitert, immer gewinnen zu müssen, und das auch noch mit schönem Fußball.

Das Klubemblem von Spartak Moskau.

Hast du sehr gelitten?

Die ersten Jahre schon. Wir standen ja immer oben, so wie Bayern München in Deutschland, und waren plötzlich nicht mehr in Serie Meister, sondern in Serie nicht Meister. Irgendwann hat man sich auch daran gewöhnt. Meistens mussten wir uns schon relativ früh in der Saison von allen Träumen verabschieden.

Lange haben die Spartak-Fans als Trainer ein Spartak-Idol gefordert und mit Dmitrij Alenitschew schließlich in der vergangenen Saison bekommen. Doch nicht unter ihm startete die Mannschaft richtig durch, er wurde letzten Sommer gefeuert. Sein Co-Trainer, der Italiener Massimo Carrera, übernahm – und plötzlich lief es.

Das kann sich vermutlich nicht mal Carrera selbst erklären. Der spricht zwar davon, dass er die Mannschaft zusammengeschweißt und mit Emotionen aufgeladen hat, aber das sind Allgemeinplätze. Vielleicht waren es einfach die Erfolgserlebnisse, die dafür gesorgt haben, dass auf einmal alles leichter ging. Jedenfalls hat die Mannschaft unter ihm richtig guten Fußball gezeigt.

Und nun also Champions League. Muss sich Europa warm anziehen?

Davor habe ich echt Bammel. Zuletzt sind unsere Top-Klubs in Europa regelmäßig durchgefallen. Aber ich freue mich auch auf diese Spiele und hoffe, dass wir mal auf Real treffen. Dann setze ich alle Hebel in Bewegung, um ein Ticket zu ergattern.

Das Interview führte Tino Künzel.

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