Wie der russische Kinderfilm wieder Erfolg haben will

Die Zeichentrickserie „Tscheburaschka“ soll als Spielfilm in die Kinos kommen. Ein Erfolg würde der Kinobranche guttun. Denn einheimische Kinderfilme sind in Russland nicht gefragt.

Kinderfilm
In Japan gibt es Tscheburaschka bereits seit 2010 als animierte Figur, wenn auch nur in kurzen Clips. (Foto: Screenshot)

Kulleraugen, riesige Segelohren und ein freundliches Gemüt, das einen sofort in den Bann zieht. Tscheburaschka ist einer der größten Filmhelden der russischen Geschichte. Seit über 50 Jahren sitzen russische Kinder gebannt vor dem Fernseher, wenn das Phantasietier gemeinsam mit seinen Freunden allerlei (sozialistische) Abenteuer besteht.

Tscheburaschka hat etwas geschafft, was wohl nur wenigen russischen Filmfiguren gelungen ist – im Ausland erfolgreich zu sein. Vor allem die Japaner sind verrückt nach dem kleinen wuscheligen Wesen. So sehr, dass sie vor zehn Jahren ihre eigene animierte Version von Tscheburaschka schufen.

Tscheburaschka wird am Computer geschaffen

Anfang Oktober überraschte Sojusmultfilm mit der Ankündigung, einen Kinofilm über Tscheburaschka drehen zu wollen, die Fans. Kurz zuvor hatte die Sberbank in das bekannte Filmstudio investiert. So kann Sojusmultfilm, das bisher kurze Clips und Serien produzierte, sich in den Bereich Spielfilm wagen. Den Produzenten stehen 600 Millionen Rubel (6,6 Millionen Euro) zur Verfügung. Diese dürften zu einem Großteil in Grafiker fließen. Denn wie beim japanischen Remake der Serie soll Tscheburaschka im Film computeranimiert sein.

Mit seiner Tscheburaschka-Verfilmung wagt sich Sojusmultfilm auf ein schwieriges Gebiet. Denn der russische Kinderfilm fristet seit Jahren ein Nischendasein. Die Zeiten, in denen russische, oder besser gesagt sowjetische, Kinderproduktionen eine große Nummer waren, sind lange vorbei. Über 15 Millionen Zuschauer lockte der Streifen „Ein Hund lief auf dem Flügel“ (Schla sobaka po rojalu) im Jahr 1979 an. Mehr als der erfolgreichste Film im neuen Russland „Dwischenije wwerch“.

Doch diese Erfolge erscheinen aktuell wie eine verblassende Kindheitserinnerung. „Wir haben in den 1990ern das Kinderkino als solches verloren, diese Nische haben ausländische und im Nachgang einheimische Animationsfilme eingenommen“, erklärte Stanislaw Demidenko, Analyst von „Kinobisnes segodnja“, der Tageszeitung „Kommersant“.

Staatliche Unterstützung, aber keine Zuschauer

Mehr oder weniger erfolgreiche Kinderfilme kann man an einer Hand abzählen. Zwar stieg die Zahl der Produktionen in den vergangenen Jahren leicht auf zuletzt 15 im Jahr 2019. Aber kaum einer spielt die Produktionskosten wieder ein. Zwischen 1994 und 2019 waren lediglich vier von 96 Produktionen wirtschaftlich kein Reinfall, schreibt die Direktorin der Redaktion des „Kinoreportjor“ Maria Lemeschewa in einem Beitrag für die „Rossijskaja Gaseta“. Und das trotz finanzieller Unterstützung durch das Kulturministerium. So wurden im vergangenen Jahr etwa eine Milliarde Rubel (elf Millionen Euro) zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Die Unrentabilität mache Kinderfilme für Regisseure und Investoren uninteressant, meint Anton Malyschew, Direktor der Stiftung Kinoprajm. Außerdem, so Malyschew weiter, bestehe kaum Nachfrage nach solchen Filmen.

Tatsächlich haben russische Produktionen oft große Schwierigkeiten, überhaupt in Kinos gezeigt zu werden, selbst wenn sie vom Staat finanziert wurden. Schuld daran seien einerseits die Kinos selbst, die die Filme kaum bewerben, und mangelnde Promotion, etwa durch Agenturen oder das Fernsehen, glauben Experten.

Auch andere Serien haben das Potenzial für den Erfolg

Es gibt aber auch Hoffnung. Der russische Kinderfilm sei nicht tot, sondern auf der Intensivstation mit Aussicht auf Besserung, urteilte die Regisseurin Tatjana Miroschnik 2016. Und tatsächlich flimmerte nur ein Jahr darauf das Märchen „Der letzte Recke“ (Poslednij bogatyr) sehr erfolgreich durch die Kinos. Ganze 1,7 Milliarden Rubel (18,6 Millionen Euro) spielte der Streifen ein. Bei Produktionskosten von 370 Millionen Rubel (vier Millionen Euro). Die als so schwierig geltende Nische sei unterbewertet, hieß es damals.

Potenzial für w eitere Kassenschlager sehen Experten vor allem in Geschichten wie „Mascha und der Bär“ und „Drei Recken“, die auch im Ausland bekannt und beliebt sind. Doch zunächst soll die Geschichte von Tscheburaschka und seinen Freunden die Menschen in die Kinos locken. Für das Drehbuch konnte Sojusmultfilm die Macher des „letzten Recken“ gewinnen. Ob die Tscheburaschka-Verfilmung genauso gut ankommt wie das Märchen, wird man 2022 erfahren. Dann feiert der Film Premiere.

Daniel Säwert

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