Vom Dorf zur Metropole

Matwej Kasakow prägte die russische Hauptstadt mit Dutzenden Palästen, Villen und Häusern. Doch viele der Gebäude fielen dem Brand von Moskau im Jahre 1812 zum Opfer. Eine Ausstellung zeigt nun Skizzen und Bilder der untergegangenen Schmuckstücke.

Das Petrowsker Palais ist eines der bekanntesten Bauten des Moskauer Architekten Matwej Kasakow. / Foto: mycdn.me

Ein Heer niedriger Holzhütten, die auf engstem Raum nebeneinander stehen, gewundene Gassen und verschlammte Wege, dazwischen Heuschober, windschiefe Schuppen und winzige Gärtchen: Viele Moskauer Wohnbezirke glichen jahrhundertelang einem riesigen russischen Dorf. Aber dann kam Matwej Kasakow und brachte Ordnung in das chaotische Gewimmel. Der einflussreiche Architekt richtete Fassaden an einer einheitlichen Linie aus und achtete beim Bauen auf übereinstimmende Höhen. Außerdem gab er der Stadt mit weitläufig angelegten Plätzen und langgezogenen geradlinigen Verkehrsachsen ihren bis heute prägenden Charakter.

Architektonische Schätze fielen Großem Brand zum Opfer

Über 100 Verwaltungsgebäude, Villen und Paläste errichtete der Baumeister in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach strengen klassizistischen Vorgaben. Doch nur wenige der Bauten überstanden den Lauf der Jahrhunderte. Der Großteil ging im verheerenden Brand von 1812 unter, der nach dem Einmarsch Napoleons Moskau verwüstete. Welche architektonischen Schätze die Stadt damals verlor, ist nun im Staatlichen Schtschussew-Architekturmuseum zu erfahren.

Dort läuft gegenwärtig die Ausstellung „Matwej Kasakow und das Moskau vor dem Großen Brand“. Zu bestaunen sind unter anderem Zeichnungen, Gravuren, Pläne und Bauskizzen aus dem Nachlass Kasakows, die einen lebendigen Eindruck der in den Flammen untergegangen Stadt vermitteln. Es handelt sich um die erste Ausstellung seiner Arbeiten seit 40 Jahren.

Russischer Klassizismus und europäische Einflüsse

Kasakow und seine Schüler hätten Moskau zu einer europäischen Stadt ausbauen wollen, erklärt Elisaweta Lichatschjowa. „Diese Menschen haben in vielem die Entwicklung unserer Stadt vorbestimmt“, erläuterte die Museumschefin Anfang des Jahres im russischen Fernsehen.

Doch Kasakow formte Moskau nicht einfach am Reißbrett nach klassizistischen Schablonen um. Der Architekt ließ sich auch von uralten russischen Bautraditionen inspirieren und integrierte beispielsweise Rotunden und weitläufig geschwungene Bögen, aber auch gotische Elemente in seine Formensprache. Architekturhistoriker sprechen von einem eigenen russischen Klassizismus. Darüber hinaus entwickelte Kasakow einen Moskauer Villentyp, der sich durch weitläufige Flügel und angebaute Wirtschaftshäuser auszeichnete.

Ein Palais zum Durchatmen

Zum ersten Mal hatte der Sohn eines früheren Leibeigenen die Moskauer im Jahre 1776 auf sich aufmerksam gemacht. Damals errichtete er auf persönliches Geheiß von Katharina II. das sogenannte Petrowsker Palais an der Straße nach St. Petersburg. Die zaristische Residenz sollte hochstehenden Gästen als luxuriöse Unterkunft zum Durchatmen nach strapaziösen Überlandfahrten dienen. Der bunte Formenmix mit einem klassizistisch angelegten Hof, altrussischen Steinbändern, gotischen Fensteröffnungen und Elementen traditioneller Moskauer Bojaren-Häuser begeisterte die Zarin so, dass sich Kasakow vor Aufträgen kaum noch retten konnte.

Zu den wichtigsten erhaltenen Gebäuden Kasakows, die in dichter Folge entstanden, zählen der Senatspalast im Kreml, das alte Gebäude der Moskauer Universität in der Mochowaja-Straße, das Haus der Adelsversammlung – das mittlerweile Haus der Gewerkschaften heißt – sowie das Golizynsker Krankenhaus und viele weitere Bauten.

Die Ausstellung im Schtschussew-Architekturmuseum kann noch bis zum 10. März besichtigt werden. Geöffnet ist am Dienstag und am Donnerstag von 13 bis 21 Uhr. Mittwoch, Freitag und am Wochenende können Besucher zwischen 11 und 20 Uhr die Exponate bestaunen. Eintrittskarten kosten zwischen 150 und 300 Rubel.

Birger Schütz

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