Sie wischen, sie tippen oder sie starren einfach nur fasziniert auf den leuchtenden Bildschirm: Wer öfter mit der Moskauer Metro unterwegs ist, weiß, dass die meisten Russen ganz vernarrt in ihre Smartphones sind. Oft checken ganze Sitzreihen gleichzeitig ihren Facebook-Status oder googeln eifrig nach den neuesten Nachrichten. Gefühlt müsste fast jeder Moskauer eines der praktischen Geräte besitzen.
Zwanzig Prozent mehr Einnahmen
Dass dieser Eindruck der Wahrheit ziemlich nahekommt, belegt eine aktuelle Analyse des russischen Kommunikationsanbieters Swjasnoj-Jewroset. Der Studie zufolge sind die Einnahmen aus dem Smartphone-Verkauf im Jahr 2018 um etwa 20 Prozent gewachsen. Demnach gaben die Russen etwa 12,6 Millionen Euro für die Mobilgeräte aus. Insgesamt gingen zwischen Januar und November mehr als 25 Millionen Smartphones über den Ladentisch. Die Zahl der verkauften Geräte entspricht in etwa der des Vorjahreszeitraums.
Die wachsenden Gewinne erklären sich vor allem durch die wachsende Nachfrage nach sogenannten Phablets – einer Mischung aus Handy und Tablet. Mehr als sechs Millionen der vergleichsweise großen Geräte mit einer Bildschirmdiagonale von mindestens 5,6 Zoll wurden 2018 in Russland verkauft. Die Zahlen entsprechen einem Marktanteil von etwa 25 Prozent. Damit sei die Nachfrage nach Phablets im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gestiegen, informiert das Onlineportal business.ru.
Mehr Gewinne durch Phablets
Experten erwarten für 2019 ein Anhalten des Trends und sagen einen weiteren Gewinnzuwachs voraus. Mit einem Durchschnittspreis von umgerechnet rund 370 Euro sind Phablets für russische Verhältnisse relativ teuer. Für ein Smartphone mit herkömmlichen Maßen mussten 2018 nur etwa 160 Euro berappt werden. Zum Vergleich: In Westeuropa lag die Summe für ein ähnliches Gerät bei etwa 340 Euro.
Das Wachstum der Branche steht in einem klaren Kontrast zu der Entwicklung auf dem Markt in Westeuropa. Dort brachen die Zahlen der Smartphone-Verkäufe schon zum Jahresbeginn drastisch ein, die Zahl der jährlichen Verkaufsrekorde ist vorerst vorüber. So wurden in den westeuropäischen Staaten im ersten Quartal 2018 rund 30 Millionen Geräte weniger verkauft als noch im Vorjahreszeitraum. Die Zahlen entsprechen einem Rückgang von fast 14 Prozent, rechnete der Branchenanalyst Canalys im Mai 2018 vor. Allein in Deutschland war demnach der Absatz um knapp 17 Prozent eingebrochen. Den heftigsten Rückschlag gab es aber in Großbritannien. Hier wurden die Hersteller fast 30 Prozent weniger Smartphones los.
Asiatische Anbieter bestimmen russischen Markt
Bei der Schlacht um den ersten Platz auf dem hart umkämpften russischen Smartphone-Markt kam es in diesem Jahr nur zu einem Unentschieden. Die asiatischen Elektronik-Giganten Huawei und Samsung bestimmen nach Zahlen des Marktforschungsinstituts IDC zusammen etwa die Hälfte des Marktes. Allein im dritten Quartal 2018 importierten die beiden Firmen jeweils etwas mehr als zwei Millionen Geräte nach Russland. Der chinesische Anbieter Xiaomi konnte sich nicht wie im vergangenen Jahr auf dem dritten Platz behaupten. Sein Platz wurde von Apple eingenommen.
Während die ausländischen Firmen auch in diesem Jahr die Marktführung unter sich ausmachten, stellte der russische Internetkonzern Yandex im Dezember sein eigenes Smartphone vor. Dieses soll für rund 240 Euro erhältlich sein und sämtliche Yandex-Anwendungen durch den Sprachassistenten vereinen. Das Gerät wird in China hergestellt und verfügt über kein eigenes Betriebssystem. Stattdessen verwendet es Android von Google. Experten reagierten dementsprechend skeptisch auf das Yandex-Smartphone.
Yandex wächst weiter
Unterschätzen solle man Yandex aber nicht, warnten einige Analytiker. Das Unternehmen, welches die beliebteste Suchmaschine, den umsatzstärksten Online-Marktplatz und den wichtigsten Fahrdienst in Russland betreibe, habe eine starke Stellung und wachse weiterhin rapide. Ob das neue Smartphone die Rolle des Internet-Giganten noch weiter stärke, bleibe abzuwarten.
Der schwache Rubel und die Wahrscheinlichkeit neuer westlicher Sanktionen hätten nur wenig Einfluss auf die Kauflust der Russen, erklärt Olga Babinina, Analytikerin und Smartphone-Expertin bei IDC. Vor allem zum Neujahrsverkauf erwarte die Branche daher noch einmal hohe Einnahmen.
Birger Schütz