Rein nach Moskau, raus in die Provinz – Reisetipps für Russland

Am Beginn eines neuen Reisejahres stellt sich die Frage nach neuen Reisezielen. Wir hätten da einige Empfehlungen für Sie, nach Art des Hauses natürlich in Russland. Aufgeschrieben hat sie Holger Fritzsche, Sachse mit vielen Jahren Russland-Reiseerfahrung, der seine Erlebnisse auch zu Vorträgen verarbeitet. Hier also fünf Tipps, wie man sich Russland per Auto, auf dem Pferderücken oder auch im Laufschritt erschließen kann.

Ein Bild, das den Betrachter im Handumdrehen mit Russland „verkuppelt“: der Kreml von Rostow Welikij auf dem Goldenen Ring. © Tino Künzel

Mit dem Auto zum Goldenen Ring

Für diese Reise über das Baltikum und St. Petersburg zum Goldenen Ring, nach Moskau und zurück nach Deutschland sollten Sie 14  Tage einplanen. Dafür erleben Sie die schönsten Städte Russlands.

Mit dem Goldenen Ring nordöstlich von Moskau zeigt sich das Land von seiner besten Seite. Keine andere ländliche Region ist für Besucher so gut aufbereitet. Der Goldene Ring altrussischer Städte bietet, was der Metropole fehlt: Ruhe und Herzlichkeit. Nicht wenige Städte des Rings liegen an der Wolga oder an einem ihrer Nebenflüsse – die günstige geografische Lage ließ sie im Mittelalter aufblühen. Als Zeichen des Reichtums wurden hier unzählige Kirchen und Klöster gebaut. Goldene Kuppeln harmonieren mit kleinen, liebevoll verzierten Holzhäuschen. Die vielen Zwiebeltürme erzählen von einer romantischen Vergangenheit, die es wohl nie gegeben hat. Trotzdem weckt der Anblick Erinnerungen an russische Märchenfilme. Von den Kirchtürmen weht regelmäßig schönes Glocken­geläut herüber, und selten verletzt sich das Auge an sowjetischen Plattenbauten.

Kurztrip nach Moskau

Wer nach Moskau fliegt, kann die Hinweise älterer Reiseführer zum Verhalten auf den Flughäfen, zum Beispiel den mafiösen Taxistrukturen, getrost kompostieren. Die Taxis sind heute lizensiert und per GPS mit der Zentrale verbunden. Mit dem Zug, dem sogenannten Aeroexpress, fährt man allerdings preiswerter zum nächsten Bahnhof. Moskauer Bahnhöfe haben eine Metrostation und mit der Metro lässt sich wunderbar die Stadt erkunden.


Zur Person: Holger Fritzsche

In der DDR aufgewachsen, lebt Holger Fritzsche mit seiner Familie in Radebeul bei Dresden. Bevor er sich als Fotograf und Veranstalter selbständig machte, jobbte er als Waldarbeiter, Schweißer, Elektriker, Kundendienstmonteur und Landschaftsgärtner. Schon zu Sowjetzeiten reiste er in den größten Flächenstaat der Welt ein, damals noch illegal. Seit der Jahrtausendwende bereist er Russland regelmäßig  – und legal. Mit seinen Live-Reportagen über das Land ist er im deutschsprachigen Raum unterwegs. Sein Bildband „Wodka. Weite. Abenteuer. Unterwegs mit der Transsib“ erschien im National Geographic Verlag.

www.holger-fritzsche.de


Moskau hat zwölf Millionen Einwohner und ist eine von den Insig­nien des Kommerzes inszenierte, kräftig kolorierte Stadt; die Stadt in Europa mit den höchsten Wolkenkratzern. Sie ist das Herz des Landes, seine Geldbörse. Und für viele Russen aus der Provinz der Sehnsuchtsort schlechthin. Moskau erwirtschaftet mehr als ein Fünftel des russischen Bruttoinlandsprodukts und hat offiziell weniger als zwei Prozent Arbeitslose. Mehr als 80 Nationalitäten leben hier. Mindestens die Hälfte der Einwohner zählt zur sogenannten neuen Mittelschicht. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo es vergleichbar viele Menschen in so wenigen Jahren zu solchem Wohlstand gebracht haben. Hotels gibt es zur Genüge, und auf Grund des für uns Deutsche günstigen Wechselkurses sind sie auch bezahlbar.

Naturtour in den Altai

Nowosibirsk ist der perfekte Ausgangspunkt, um in eines der schönsten Gebirge Russlands zu gelangen. Von dort fährt man einfach nach Süden und stellt mit Genugtuung fest, wie sich die Steppenlandschaft zu wellen beginnt. Die Blicke streifen wunderschöne runde Hügel, grasbewachsen und von Schafherden bevölkert. Bald sind Sie angekommen in Bergen mit steilen Flanken, scheinbar unbezwingbar. Den Bergen des Altai.

Die Republik Altai ist eine der 21  ethnischen Republiken der Russischen Föderation. Sie grenzt an die autonome Republik Tuwa, an die Mongolei, China und an Kasachstan. Dünn besiedelt, muss sich statistisch betrachtet ein Einwohner einen Quadratkilometer mit niemand anderem teilen. Die Dörfer zeigen sich mit Szenen wunderschöner Gestrigkeit. Mal holpert ein uralter Moskwitsch vorbei, vollgestopft mit frischem Gras, welches aus allen Fenstern quillt. Mal fahren Männer mit alten Motorrädern durch die Landschaft. Lässig hängt ihnen dabei eine Kippe im Mundwinkel. Kein Helm stört den kurzen Auftritt.

Sie können im Altai für eine Bergtour Pferde mieten, selbst wenn Sie keine Ahnung vom Reiten haben. Auch ich wusste nur, in welcher Richtung man auf Pferden sitzt, trotzdem schaffte ich es gemeinsam mit einem Freund zum Fuß des Belucha – des höchsten Berges in diesem Gebirge.

Im Winter an den Baikalsee

Sibirien eilt der Ruf voraus, eine kalte Gegend zu sein. Der Winter in Russland zeigt sich aber oft von seiner besten Seite: mit blauem Himmel, eisiger Luft und einer mit weißem, funkelndem Schnee überzogenen Landschaft. Den Baikalsee im Winter zu erleben, ist eine Offenbarung. Schon die Ankunft auf dem Flughafen von Irkutsk wird man nicht vergessen. Man muss mit sieben Stunden Zeitverschiebung gegenüber Deutschland zurechtkommen und mit einem gewaltigen Temperatursturz von bis zu 50 Grad Celsius. Gegen die Kälte kann man nicht gewinnen, man muss lernen, sie zu akzeptieren.

Aber der mit einer dicken Eisschicht bedeckte Baikalsee lässt sie schnell vergessen. Wenn gewaltige Eiszapfen seine felsigen Ufer schmücken und der Schnee beim Laufen knirscht, dann ist es dort am schönsten. Die stille, frostige Schönheit lässt einen die Kraft der Natur spüren und die eigene Verletzlichkeit.

Die Perle Sibiriens, 640 Kilometer lang, präsentiert sich ab Januar als gefrorener Ozean, den man in dieser Jahreszeit leichter als im Sommer erkunden kann. Zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad.

Die Auswahl an Unterkünften ist im Winter größer, weil die Nachfrage geringer ist. Vom luxuriösen Hotel bis zum einfachen Holzhäuschen ist alles möglich.

Für Sportler, aber nicht nur

Der Sibirian Ice Half Marathon findet immer am 7. Januar zum russischen Weihnachtsfest in Omsk statt. Er gilt als der kälteste Halbmarathon der Welt. Schuld daran ist der Winter 2001. Damals waren die Läufer bei fast minus 40 Grad unterwegs, und nur 11 von 148 Startern kamen ins Ziel.

Im Laufe der Jahre wurde aus diesem Laufsportereignis ein großes Volksfest. Mehrere hundert Läufer aus ganz Russland und auch ein paar wenige aus dem Ausland nehmen teil, tausende Zuschauer feuern sie an. Gestartet wird vor der imposanten Kreuzigungskathedrale. Die Teilnehmerschar ist bunt, von 70-jährigen Damen in Keilhosen und Wolljacke über Soldaten in Kampfuniform und Springerstiefeln bis hin zu Weihnachtsmännern, die weder auf ihren wallenden Umhang noch den langen weißen Bart verzichten wollen.

 

Sieben goldene Regeln für Russlandreisen

Russland sei „keine Perle, die für wenig Geld maximalen Luxus bietet“, sondern „eher eine unsortierte Schatzkiste“, schreibt Holger Fritzsche auf seiner Webseite. Aber wie sich diesem sperrigen Reiseland nähern? Dazu im Folgenden ein paar Grundsätze, formuliert von Fritzsche selbst.

  1. Wer glaubt, mangelnde Sprachkenntnisse durch viel Freundlichkeit wettmachen zu können, muss auf Enttäuschungen gefasst sein. Russen sehen keinen Sinn darin, fremde Menschen ohne Grund anzulächeln. Ruppigkeit beim ersten Aufeinandertreffen sollte man aushalten können, sie verliert sich in der Regel schnell und kippt ins Warmherzige.
  2. In Russland spricht man Russisch und selten Fremdsprachen. Die russische Sprache zu lernen, ist eine Herausforderung, die Schriftzeichen dagegen sind leichter zu meistern. Wer sich ein paar Tage intensiv damit beschäftigt, kann bald problemlos Ortsschilder, Speisekarten und Fahrpläne lesen. Das hilft enorm bei der Orien­tierung unterwegs.
  3. Die meisten Russen betrachten Wladimir Putin als Garant für Stabilität und den Präsidenten der USA als das Gegenteil. Gegenüber Ausländern gibt man sich patriotisch. Für Deutsche, die sich negativ über ihr eigenes Land äußern, hat man kein Verständnis.
  4. Die Kleidung ist wichtig und sollte das eigene Geschlecht unterstreichen. Russische Männer verhalten sich wie Männer und kleiden sich auch so. Gegenüber einer Frau können sie aber eine Sanftheit an den Tag legen, welche man ihnen nicht ohne weiteres zutraut. Das in den Augen des Mannes schwache Geschlecht wird poetisch überhöht und selbstverständlich übernimmt er im Restaurant die Rechnung.
  5. Bei Einladungen sollte man immer irgendetwas mitbringen – in Russland freut man sich auch noch über Pralinen. Erscheint man mit leeren Händen, nimmt der Gastgeber an, dass man seine Gastfreundschaft nicht schätzt. Wer Wodka nicht mag, muss ihn auch nicht trinken, wird aber etwas verpassen. Nach den ersten 100 Gramm fühlt man sich angekommen und angenommen. Nach weiteren 100 Gramm hat man das schöne Gefühl, alles zu verstehen.
  6. Deutsche stehen im Ruf, pünktlich, verlässlich und diszipliniert zu sein. Diese Erwartungen zu enttäuschen, kostet Sympathien.
  7. Es muss nicht unbedingt die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn sein. In Russland gibt es so viel zu entdecken, ohne dass man dafür tagelang im Zug sitzen muss.

Bequem, grün, sicher: Wie Moskau sich wandelt und die Provinz mitreißen will

 

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