„Saubere Wahlen sind die Grundlage dafür, dass es dem Land gut geht“, sie selbst arbeite mit ihren Kollegen seit fünf Jahren an der „Reinigung“ des russischen Wahlsystems. Diese wie aus der Zeit gefallenen Worte sprach Russlands oberste Wahlleiterin Ella Pamfilowa Anfang August in ein Mikrofon des Radiosenders „Echo Moskwy“. Dass die Dumawahl Ende September eine „saubere“ Wahl sein wird, daran hegt Pamfilowa wenig Zweifel. Schließlich hat sie selbst dafür gesorgt, dass mögliche Störer nicht auf den Wahlzetteln zu finden sein werden. Sorgen bereiten der 67-Jährigen auch mehr mögliche Versuche der Einmischung von außen.
„Nie war der Wunsch größer, die Wahlen zu diskreditieren“, sagte sie Anfang August dem Radio der „Komsomolskaja Prawda“. Tagtäglich würde es Nachrichten geben, dass die Wahlen in Russland gefälscht werden und jeden Tag müsse ihre Behörde erklären, das dies nicht stimmt, beschwerte sich Pamfilowa. Wie fair es bei der Dumawahl wirklich zugehen wird, lässt sich schwer sagen. Nicht nur wurden im Vorfeld mehrere Kandidaten von der Liste gestrichen, auch die OSZE wird keine Wahlbeobachter im Land haben. Offiziell wegen der Corona-Lage in Russland. Die wenig kritische GUS hingegen wird Beobachter in die Wahllokale schicken.
Anfänge als Menschenrechtsaktivistin
Dass die studierte Elektrotechnik-Ingenieurin heute vehement jegliche Wahl vor vermeintlich schädlichem Einfluss schützt, dürfte frühe Weggefährten verwundern. Begann Pamfilowas politischer Weg doch in der oppositionellen Menschenrechtsbewegung, zu der auch der Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow und der spätere Präsident Boris Jelzin gehörte. Das war während der Perestroika.
Pamfilowas Weg als Streiterin für die Menschenrechte schien vorgezeichnet. Im November 2004 wurde sie zur Vorsitzenden des gerade geschaffenen Rats zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und Menschenrechte ernannt. Sie habe dafür gesorgt, dass der Druck auf die Zivilgesellschaft nicht so groß wurde, wie vom Kreml eigentlich damals gewünscht, sagte sie später mal der „Nowaja Gaseta“.
Sogar mit dem FSB angelegt
Als „Dmitrij Medwedew 2008 zwischendurch das Präsidentenamt von Wladimir Putin übernahm, legte sich Pamfilowa mit der kremltreuen Jugendorganisation Naschi an und sprach sich offen gegen Kompetenzerweiterungen für den Inlandsgeheimdienst FSB aus. Der „The New Times“ erklärte sie, sie sei stolz auf die acht Jahre als Ratsvorsitzende. Schließlich habe sie in dieser Zeit immer wieder ihre Stimme gegen die Mächtigen erhoben, wenn andere geschwiegen haben. Doch Pamfilowa beginnt sich in dieser Zeit zu ändern und wechselt allmählich die Seiten. Zwar forderte sie immer noch Konsequenzen für diejenigen, die allzu hart mit Demonstrierenden umgingen. Offensichtlich wurde aber auch, dass sie wenig für die Opposition, dafür umso mehr für den Staatsapparat übrig hat.
Im Jahr 2014 erfolgt schließlich die Ernennung zur Menschenrechtsbeauftragten. Dass dies mit der Angliederung der Halbinsel Krim zusammenfällt, mag Zufall sein. Beobachter müssen jedoch feststellen, dass Pamfilowa in der Folgezeit nur noch pro-staatlich agiert.
Zwei Jahre später schließlich wird Pamfilowa zur Leiterin der Zentralen Wahlkommission ernannt. Die Transformation von einer Menschenrechtsaktivistin zur treuen Staatsdienerin steht damals kurz vor ihrem Abschluss. Denn zunächst sucht sie noch den Dialog mit Oppositionellen. Als ihr jedoch angeboten wird, ein Video anzuschauen, auf dem eindeutige Wahlverstöße zu sehen sind, entgegnet Pamfilowa, dass „im Internet keine Fakten“ seien und lehnt seitdem Videoaufnahmen von Wahlen ab. Auch ihr Verhältnis gegenüber unabhängigen Wahlbeobachtern kühlt merklich ab. „Politische Schreihälse“ seien sie, die „ihre politische Schwäche verbergen“ wollen.
Sinneswandel seit 2014
Ihre Meisterprüfung bestand Pamfilowa schließlich 2019. Mehrere unabhängige Kandidaten wurden damals für die Wahl zur Moskauer Stadtduma zugelassen und Unterstützerunterschriften nicht anerkannt. Auch der Zorn der Straße konnte nichts daran ändern. Demonstrationen werden „null“ an der Entscheidung der Wahlkommission ändern, erklärte Pamfilowa verbissen. Ihr Verhalten zeige, dass sie die Prüfung zur Beamtin mit Bestnoten bestanden habe, kommentierte die Zeitung „Wedomosti“ damals.
Auch in diesem Jahr kam es erneut zu Wahlausschlüssen. Entweder sitzen die potenziellen Kandidaten im Gefängnis, im Hausarrest oder wurden einfach von den Wahllisten gestrichen. Und Videoaufzeichnungen aus den Wahllokalen wird es auch dieses Mal nicht geben. Das sei „unverantwortlich“, so Pamfilowa. Allein in Moskau würde das eine Milliarde Rubel (11,5 Millionen Euro) kosten. Und solch eine gigantische Summe für das „reine Interesse von Sofa-Wahlbeobachtern“ auszugeben komme nicht in Frage. Schließlich arbeitet Pamfilowa mit ihrem Team ja auch an sauberen Wahlen.
Daniel Säwert