
Es gibt da so eine Theorie. Macht, lautet sie in verkürzter Form, ist nicht nur Zwang, sondern auch Attraktivität. Wer es schafft, gewünschte politische Ergebnisse zu erzielen, ohne Druck auszuüben, hat gerade in den internationalen Beziehungen einen gewaltigen Vorteil. Ökonomische und militärische Stärke, Kommandos und Kontrolle, die klassischen Attribute der Hard Power, sind deshalb nicht alles. So hat es der US-amerikanische Politikwissenschaftler Joseph Nye Anfang der 1990er Jahre geschrieben.
(Viel) Zuckerbrot und (wenig) Peitsche
Soft Power, also Kultur, Bildung, Sprache und andere indirekte Faktoren, könnten im Ausland ein solches Bild des eigenen Landes vermitteln, dass sich zahlreiche Effekte von selbst einstellten. Wenn man so will, muss das Ziel des modernen Staates sein, so viel Zuckerbrot und so wenig Peitsche wie möglich einzusetzen.
Russland ist dieses Konzept bestens vertraut. Zumindest kann etwa die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2014 und der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 auch als Charme-Offensive verstanden werden. Vieles an diesen sündhaft teuren Großveranstaltungen war zweifellos nach innen gerichtet. Aber sie waren auch der Versuch, sich nach außen als weltoffenes Land zu präsentieren, Vorbehalte zu widerlegen, die Herzen von Ausländern zu gewinnen.
Deutsche Stiftungen verboten
Ob man im Kreml enttäuscht ist von den Erträgen? Jedenfalls hat Moskau inzwischen einen ganz anderen Weg eingeschlagen, der auf Weichmacher verzichtet und auf die Wirkung eigener Politik im Ausland keine Rücksicht nimmt.
An einem einzigen Freitag wurde zuletzt den Filialen von 15 ausländischen Organisationen die Registrierung entzogen, was gleichbedeutend mit einem Verbot ist. Betroffen unter anderem: sämtliche parteinahen politischen deutschen Stiftungen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Schließen mussten in Russland auch andere prominente Organisationen wie Amnesty International, die Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden (vertreten durch das Moskauer Carnegie-Zentrum) und Human Rights Watch. Sie alle hätten gegen russische Gesetze verstoßen, so das Justizministerium in einer Pressemitteilung. Näher begründet wurde der Schritt selbst gegenüber den Organisationen nicht. Sie waren teils seit Jahrzehnten in Russland tätig gewesen.
Tino Künzel