Aus der Hektik in die Stille

Vor über 150 Jahren wagte der reiche Kaufmannssohn Nikolaj Meschtscherin den beruflichen Ausstieg und widmete sich fortan nur noch der Kunst. In einer Ausstellung können die farbenfrohen Gemälde des einflussreichen Impressionisten nun wiederentdeckt werden.

Leuchtende Farben und idyllische Dörfer inspirierten Nikolaj Meschtscherin zu seinen Bildern. / Foto: wearts.ru

Immer nur Rechnungen schreiben, mit schimpfenden Kunden verhandeln und dazu noch diese ständige Hektik: Mit Mitte 20 hat der junge Nikolaj Meschtscherin vom stressigen Leben eines Unternehmers die Nase gestrichen voll.

Nur noch widerwillig trottete der Kaufmannssohn in die ungeliebte Textil-Fabrik in Dugino bei Moskau, deren Leitung er nach dem unerwarteten Tod seines Vaters schon in jungen Jahren übernehmen musste. Das konnte so nicht ewig weitergehen. Denn eigentlich zog es den musisch veranlagten jungen Mann zu den Künsten, zum Fotografieren und vor allem zum Malen.

Pinsel statt Fabrik

Und so schmiss Meschtscherin Anfang der 1890er Jahre die Leitung hin, zog sich auf sein Anwesen in Dugino zurück und widmete sich ausschließlich der Malerei. Die Ergebnisse dieses Schrittes sind nun in der Retrospektive „Nikolaj Meschtscherin. Rückzug aus der Hektik“ im Museum des russischen Impressionismus zu sehen.

„Der Rückzug war eine bewusste Entscheidung, die Nikolaj Meschtscherin ganz für sich allein getroffen hat“, erklärte Museumsleiterin Julia Petrowa zum Auftakt der Ausstellung gegenüber der Kulturplattform muzcentrum.ru. „Und seine Malerei konnte durchaus mithalten, obwohl er keine professionelle Ausbildung hatte.“ Schon zu Lebzeiten hätten sich die Tretjakow-Galerie und der berühmte Kunst-Mäzen Sergej Djagilew um die Bilder Meschtscherins gerissen.

Lernen von Freunden, Zeichnen im Freien

Doch bevor es so weit war, musste der begabte Dilettant erst noch seine Fähigkeiten auf der Leinwand verfeinern. Unterstützung bekam er dabei ausgerechnet von einem anderen Kaufmannssohn, den es leidenschaftlich zu den Künsten zog, seinem früheren Kommilitonen Wassilij Perepljotschikow. Der später als Landschaftsmaler zu Ruhm gekommene Geschäftsmann hatte als Gasthörer einen Kurs an der Moskauer Hochschule für Malerei, Bildhauerei und Architektur besucht. Gemeinsam ließen sich die Freunde von der malerischen Natur bei Dugino inspirieren und probierten sich an Skizzen des nahegelegenen Flusses Pachra.

Doch schon bald suchte Nikolaj Meschtscherin nach mehr. Er nahm Stunden bei bekannten Landschaftsmalern wie Manuil Aladschalow und Alexej Korin und feilte permanent an seinem Pinselstrich. Auch Isaak Lewitan, einer der bedeutendsten Maler des russischen Realismus und des 19. Jahrhunderts, wurde auf den jungen Künstler aufmerksam und besuchte ihn oft in seiner Residenz in Dugino.

Prägendes Treffen

Als schicksalhaft sollte sich dann aber die Bekanntschaft mit Igor Grabar erweisen, der den Künstler in den Impressionismus einführte. Fortan arbeitete Meschtscherin verstärkt mit besonders langen Pinselstrichen und griff öfter zu dicken, pastellähnlichen Farben. Vor allem aber ließ er sich von russischen Wäldern, Feldern und Dörfern und dem Lauf der Jahreszeiten inspirieren.

„In seinen Werken gibt es keine revolutionären Ideen“, zeigt sich ein Kritiker auf muzcentrum.ru verwundert. Der Zauber der Bilder stecke in etwas anderem, nämlich im Hang zu Stille und Beschaulichkeit.

Künstler führt selbst durch Ausstellung

Für die Ausstellung haben die Kuratoren mehr als 100 Bilder Meschtscherins und seiner Lehrmeister und Freunde aus verschiedenen Sammlungen zusammengetragen. Auch Landschaftsfotografien des Künstlers werden gezeigt. Darüber hinaus können die Besucher bei Führungen mehr über Meschtscherins Anwesen in Dugino erfahren.

Wer seine Informationen aber lieber selbst vom Künstler erhalten möchte, kann auf einen Audioguide zurückgreifen, der in einer halben Stunde durch Meschtscherins Leben und Werk führt. Schauspieler übernehmen dabei die Rolle des Künstlers, seiner Frau und Freunde.

Die Ausstellung im Museum des russischen Impressionismus ist noch bis zum 19. Mai zu sehen. Der Eintritt kostet zwischen 200 und 300 Rubel. Geöffnet ist von Mittwoch bis Donnerstag zwischen 12 und 21 Uhr. An allen anderen Tagen öffnet und schließt die Bilderschau eine Stunde früher. Das Museum befindet sich am Leningradskij-Prospekt 15.

Birger Schütz

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