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Drei Expertinnen erklären, wie Frauen in Russland Karriere machen und stellen sich als MDZ-Kolumnistinnen vor.

Elena Balashova (links) ist Gründerin der Rechtsanwaltskanzlei Balashova Legal Consultants (BLC). Als geschäftsführende Partnerin unterstützt sie seit über 15 Jahren internationale Unternehmen in Fragen des Arbeits-, Migrations-, Gesellschafts- sowie Sozialversicherungsrechts. Olga Grigoriewa (rechts) leitet die unabhängige Wirtschaftsprüfungsfirma „Sterngoff Audit“ GmbH, die Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung auf internationalem Niveau anbietet. Anastasia Zaytseva (Mitte), ist Partnerin und Leiterin des Bereichs Arbeitspraxis in der Kanzlei BLC.

Laut einer Studie des US-Unternehmens Grant Thornton hat Russland mit 47 Prozent den weltweit höchsten Frauenanteil in Führungspositionen. Entspricht das Ihren Erfahrungen oder erleben Sie die Geschäftswelt als von Männern dominiert?

Elena Balashova: Noch sind die wichtigsten Führungspositionen in Russland von Männern besetzt. Viele große internationale Firmen trauen sich nicht, auf Frauen in Führungspositionen zu setzen, weil sie abergläubisch sind und fürchten, dass Frauen emotionale Entscheidungen treffen und persönliche Interessen über berufliche stellen. Aber die Frauen holen auf, und zwar in Politik, Wirtschaft und im öffentlichen Leben. Und ich glaube, dass das nicht nur auf ihre berufliche Entwicklung, ihr hohes Bildungsniveau, ihre Zielstrebigkeit und Willenskraft zurückzuführen ist, sondern auch auf die geschwächte Position der Männer. Immer mehr Frauen sind bereit, in Unternehmen Verantwortung zu übernehmen und ihre persönlichen Interessen für das Gemeinwohl oder einen wirtschaftlichen Erfolg zurückzustecken. Die modernen Männer mit ihrer Unentschlossenheit und manchmal auch Schwäche haben uns Frauen stärker und selbstbewusster gemacht.

Olga Grigoriewa: Aus meiner persönlichen Erfahrung mit Kunden und Partnern kann ich sagen, dass auf der Ebene der Geschäftsführung der mir bekannten Unternehmen meist die Männer dominieren. Jedoch sind Frauen in der Lage, flexibel zu denken, Entscheidungen zu treffen und ein Team zu führen. Deswegen gibt es auch viele Geschäftsführerinnen.

Anastasia Zaytseva: Es stimmt, dass die russischen Frauen sehr erfolgreich sind. Moderne Frauen in Russland sind gebildet, haben keine Angst davor, Verantwortung zu übernehmen und wollen ihrer Zukunft zuversichtlich entgegensehen.

Welche Hindernisse gibt es für Frauen in der russischen Geschäftswelt und würde eine Frauenquote helfen?

Balashova: Ich glaube, eine Quote brauchen wir nicht mehr. Wie für alle Führungskräfte, unabhängig vom Geschlecht, ist das Schwierigste, fähige, professionelle, zielorientierte, selbstständige und loyale Mitarbeiter zu finden. Die zweite Schwierigkeit ist die große persönliche Verantwortung des Geschäftsführers für alle Prozesse und Entscheidungen. In einem Land mit ständig wechselnder Gesetzgebungs- und Strafverfolgungspraxis ist das Risiko für Führungskräfte immer sehr hoch. Als besondere Schwierigkeit für Frauen kommt hinzu, dass wir nicht in allen Bereichen der Geschäftswelt ernstgenommen und als Führungskräfte geschätzt werden.

Grigoriewa: Die etablierten Klischees über männliche Geschäftsführer verhindern, dass Frauen in der Geschäftswelt weiterkommen. Deswegen müssen sich Frauen, die Karriere machen wollen, an die Bedingungen der Geschäftsführung anpassen, die meistens von den Männern diktiert werden. Die Frage nach einer Quote ist nicht einfach. Die historischen „drei K“, also Kinder, Kirche, Küche, sind manchmal eine Hürde für Frauen in der modernen Geschäftswelt. Aber der Trend geht schon zu mehr Frauen in Führungspositionen.

Zaytseva: Es gibt das Vorurteil, dass eine Frau keine zuverlässige Geschäftspartnerin sein kann. Aber solche Probleme gibt es in vielen Ländern der Welt und nur die Zeit und die hohe Professionalität der Frauen wird es ermöglichen, solche unfairen Einstellungen ernsthaft zu ändern. Ich glaube nicht, dass eine Quote notwendig ist. Gleichzeitig halte ich es aber sehr wohl für notwendig, zu erreichen, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen. Leider wird in Russland die Arbeit von Frauen noch immer schlechter bezahlt als die von Männern.

Welche Talente oder Eigenschaften brauchen Frauen Ihrer Meinung nach, um in Russland Karriere zu machen?

Balashova: Eine Frau darf sich vor allem nicht davor fürchten, erfolgreich zu sein. Sie sollte ihre beruflichen Erfolge nicht dem Zufall oder Glück zuschreiben, sondern sie objektiv als das Ergebnis ihrer Arbeit bewerten. In Russland wird eine Frau immer beweisen müssen, dass sie stärker, klüger, besser oder schneller ist als ein Mann und sie wird immer mit dieser Ungleichheit umgehen müssen. Besonders wichtig ist es auch im Beruf, immer eine Frau zu bleiben, nicht zu versuchen, auf eine Kommunikationsebene mit den Männern zu gelangen, nicht auf männliche Methoden bei der Führung eines Unternehmens zurückzugreifen, Abstand zu halten, diplomatisch zu sein, die Meinung anderer anzuhören und zu respektieren, es nicht zuzulassen, dass Emotionen die Geschäfte in eine Richtung leiten. Es geht darum, weibliche Intelligenz und Verstand, Gerechtigkeit und Freundlichkeit, Professionalität und Menschlichkeit zu verbinden, um eine Atmosphäre zu schaffen, die geprägt ist von Vertrauen, Verständnis und Teamgeist – denn das macht eine erfolgreiche Managerin aus. Wichtig ist es, nicht immer nur als Chef an der Spitze des Unternehmens zu stehen, sondern auch als Mensch.

Grigoriewa: Um erfolgreich zu sein, brauchen Frauen Zielstrebigkeit, den Wunsch zu arbeiten, Kommunikationsfähigkeiten, außerdem die Gabe, stets ruhig zu bleiben und Entscheidungen auch in Konfliktsituationen sicher zu treffen.

Zaytseva: Frauen, die Karriere machen wollen, sollten ihre Arbeit lieben, keine Angst vor Risiken haben, schnell auf Veränderungen in der Wirtschaft reagieren können und an ihr Unternehmen glauben. Sie sollten auch in der Lage sein, ihrem Team vertrauen können.

Wie gelingt es Ihnen persönlich, Karriere und Familienleben unter einen Hut zu bringen?

Balashova: Es ist natürlich für alle sehr schwierig, die richtige Balance zu finden. Das gilt besonders dann, wenn man nicht nur eine einfache Managerin ist, sondern selbstständige Unternehmerin oder Eigentümerin einer Firma. Das Gefühl der Verantwortlichkeit hält 24 Stunden am Tag an und erfordert ein hohes persönliches Engagement. Wenn man für alles verantwortlich ist, muss man auch ständig alles unter Kontrolle haben. Ich persönlich versuche dennoch, Zeit für Entspannung und die Familie zu finden. In unserem Unternehmen ist Arbeit am Wochenende verboten. Unsere Mitarbeiter schätzen, dass es bei BLC gelingt, eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu haben. Die Kunden verstehen allerdings oft nicht, oder sie wollen es nicht verstehen, dass wir Berater auch Menschen sind. Aber wenn man dann eine gewisse Erfahrung hat, wird es einfacher, den Klienten beizubringen, dass sie diese Zeit respektieren und sie glücklich zu machen, ohne dass man selbst darunter leidet oder die Kollegen.

Grigoriewa: Für mich ist eine weibliche Geschäftsführerin immer in erster Linie eine Frau. Jedoch bringt Erfolg im Beruf in einer bestimmten Weise Nachteile für das Privat- und Familienleben mit sich, weil die Arbeit einen bedeutenden Teil des Lebens jeder Geschäftsfrau einnimmt. Dabei das Gleichgewicht zwischen dem Privaten und dem Beruflichen aufrechtzuerhalten, ist eine ziemlich komplizierte Aufgabe, aber ich bemühe mich immer, sie zu meistern.

Zaytseva: Ich fühle mich wie eine professionelle Jongleurin, die aufpassen muss, dass ihr keine der beiden Sphären des Lebens aus den Händen gleitet. Familie ist sehr wichtig für eine Frau. Aber nicht weniger wichtig ist es, sich im Beruf zu verwirklichen.

Welchen Rat würden Sie jungen Unternehmerinnen mit auf den Weg geben?

Balashova: Die erste Regel lautet: Lassen Sie los und beginnen Sie zu delegieren! Wer immer alles selbst macht und jeden Schritt seiner Mitarbeiter kontrollieren möchte, der brennt sehr schnell aus, verliert das Interesse und damit die Balance zwischen Arbeit und Leben. Daher ist die zweite Regel: Berufliches und Privates sollte man trennen. Leben Sie nicht, um zu arbeiten, sondern arbeiten Sie, um zu leben! Daraus leitet sich auch die dritte Regel ab: Sie sollten nichts in der Arbeit persönlich nehmen oder zu nah an sich heranlassen, und von anderen nicht den gleichen Einsatz für Ihr Unternehmen erwarten wie von sich selbst. Deswegen – und das ist auch schon meine Regel Nummer vier – sollten Sie mit Mitarbeitern nicht umgehen wie mit Familienmitgliedern und nicht vergessen, dass diese ihre eigenen persönlichen Interessen haben, die über denen des Unternehmens stehen. Die fünfte Regel besagt, dass Sie immer für sich selbst arbeiten und nie Hilfe von anderen erwarten sollten. Jeder ist selbst für sein Leben und sein Unternehmen verantwortlich.

Grigoriewa: Sie sollten auf jeden Fall mehr zuhören als selbst sprechen, viele Erfahrungen sammeln, auch in einer Umgebung, die von Männern dominiert wird. Denn meiner Lieblingsweisheit zufolge haben wir zwei Ohren, aber nur eine Zunge. Das ist mein Rat für Anfänger.

Zaytseva: Wichtig ist es meiner Meinung nach, an sich selbst und die eigenen Erfolge zu glauben. Jungen Kolleginnen würde ich deshalb vor allem sagen: Lassen Sie sich von erfolgreichen Beispielen inspirieren, aber hören Sie nicht auf Ratschläge von Menschen, die Ihnen nicht wohlgesonnen sind!

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