Tubing: Moskaus Wintersporttrend ausprobiert

Winterzeit ist Tubingzeit. Mit einem großen Reifen unter dem Hintern rutschen die Moskauer so ziemlich jeden Hügel herunter, den sie finden können. Unsere Autoren haben den rasanten Winterspaß ausprobiert und sind begeistert.

Mit Vollspeed den Berg hinunter. Tubing macht jede Menge Spaß. (Foto: Anna Finkenzeller)

Moskau ist im Winter schneesicher, und das will genutzt werden! Dafür braucht es nicht mehr als einen Hang und ein Gefährt, mit dem man ihn hinunterrutschen kann. Das Ganze nennt sich dann Tubing und ist in Russland ein allgegenwärtiger Wintersport.

Die Besonderheit: Statt Schlitten nehmen die Menschen in der russischen Hauptstadt ihre Reifen mit. Dabei handelt es sich um aufgeblasene Gummiringe, die an Schwimmreifen erinnern. Es gibt sie in allerlei Designs, von grellem Grün bis hin zu wilden Mustern und in verschiedenen Größen für Kinder und Erwachsene. Gerade Film- und Wintermotive scheinen besonders beliebt zu sein. Von „Frozen“ über „Ice Age“ bis hin zu Spiderman ist alles dabei. Damit der Spaß losgehen kann, setzt man sich einfach in den Tube, lässt sich anschubsen und düst den Hang hinunter.

Tubing-Romantik mit Natur und Schornsteinen (Foto: Emil Herrmann)

Jeder Hügel wird zur Piste

„Tjubing“ wurde kurzerhand von dem englischen Wort „tube“ (Rohr) übernommen. Im Russischen gibt es aber auch eigene Bezeichnungen dafür. Erkundigt man sich im Park nach den nächstgelegenen Hügeln zum Tuben, wird man oft nur fragend angeschaut. Viele Russen kennen es unter den niedlicheren Bezeichnungen Bubliki (Teigkringel) oder Pontschiki, russisch für Donuts. Auch bei dem Wort für Rutsche oder Hügel, gorka, handelt es sich um eine weitere Verkleinerungsform, abgeleitet vom Wort für Berg, gora. Wir machen uns also los, um zu erkunden, wie man auf Teigkringeln Hügelchen herunterrutscht!

Tubing ist überall und nirgendwo. Jeder Hügel kann zur Piste werden, egal ob aufgetürmter Schnee, Hügel im Park oder Holzkonstruktionen. Man begegnet den Rutschen auf dem Weg zur Metro oder zum Einkaufen, auf Spielplätzen oder vor Wohnhäusern. Normalerweise suchen Familien oder Kinder einfach nach der nächsten Möglichkeit in der Nachbarschaft. Als wir an einem Vormittag mit unserem knallgrünen Reifen in der Metro unsere geplante Tubing-Piste ansteuern, schauen uns die Passagiere verwundert an. Mit der Metro zum Tuben zu fahren, ist anscheinend eher unüblich.

Aufgewärmt wird beim Aufstieg

Im Park Kolomenskoje erwarten uns beste Bedingungen: Minus 15 Grad, für Moskau seltener Sonnenschein und vor uns ein Hang mit glitzerndem Pulverschnee. Weil die Hauptzielgruppe gerade noch in der Schule sitzt, haben wir freie Bahn für unsere allererste Abfahrt. In dem Moment, in dem es losgeht, fragt man sich, wie man auf dem Ding eigentlich lenken soll. Da dreht sich der Reifen, man versucht die Fahrbahn im Blick zu behalten, Schnee spritzt ins Gesicht. Am Ende prallt man mehr oder weniger sanft in einen Schneewall, der die Strecke begrenzt.

Einigermaßen warm bleibt man, indem man die Hügel mit dem Reifen im Schlepptau wieder hochstapft. Werden Füße und Hände zu kalt, lässt es sich leicht in einem der vielen Cafés in den Parks aufwärmen, wo man sich bei Tee und einem kleinen Snack stärken kann. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Parks oft reine Grünflächen sind, lassen sich in Russland nämlich nicht selten Cafés, Toiletten oder gar Souvenirläden in den Parks zu finden.

Reifen gibt es auch vor Ort

Bei der Piste im Park Kolomenskoje soll es jedoch nicht bleiben. Wir machen uns auf zu anderen Pisten. Dabei entscheiden wir uns gegen bekannte Orte wie das WDNCh und den Ismailowo-Park. Stattdessen fahren wir zu zwei der zahlreichen kommerziellen Anbieter im Moskauer Norden, die im Internet gute Pisten versprechen. Hier muss man nicht einmal einen eigenen Reifen mitbringen. Man kann ihn für 200 bis 300 Rubel pro Stunde (2,20 bis 3,40 Euro) einfach vor Ort ausleihen. Dass im schnelllebigen Moskau vieles nicht von Dauer ist, gilt auch beim Tubing.

Die schnellen Reifen gibt es auch in Spiderman-Optik (Foto: Anna Finkenzeller)

Wir machen uns zu den besagten Orten auf und finden – nichts. Statt Hügeln gibt es dort nur verwunderte Passanten, die uns auf unserer Suche nicht weiterhelfen können. Mittlerweile ist es dunkel, unsere Füße frieren und wir sind erschöpft. Nachdem wir den ganzen Park durchstreift haben, geben wir auf. Wenn auch keine Tubing-Piste, hat uns unsere Odyssee jedoch die Erkenntnis gebracht, dass man den Tubing-Ratgebern im Internet nicht ganz trauen kann. Nicht jede Location, die dort angegeben ist, existiert auch wirklich. Am besten vertraut man auf das Wissen von Freunden oder Bekannten, man schaut noch einmal auf den Websites der Parks nach oder ruft bei Ihnen an. Für Social-Media-Nutzer bieten sich auch Instagram-Geotags an.

Am Wochenende herrscht Gedränge

Unser dritter Versuch führt uns nach Rostokino. Es ist Wochenende und dieses Mal sind die Pisten voll. Väter stupsen die Kinder von hinten an, mal sanft, mal recht rabiat, Mütter fotografieren das Schauspiel. Auf dem Hügel haben sich schon verschiedene Rillen gebildet, in welche die Reifen automatisch reinrutschen. Kinder bilden Ketten, indem sie die Beine des Hintermanns unter ihre Arme klemmen. In einer Schlange schlürfen sie dann die Hügel wieder hoch, die Reifen hinter sich herziehend. Wochenenden scheinen auf jeden Fall die besseren Tage zu sein, um in das übliche Tubing-Gewimmel einzutauchen!

Nach unserer ersten halben Woche Tubing verstehen wir, warum der Sport so beliebt ist! Er ist für Erwachsene genauso spaßig wie für Kinder und ideal für einen aktiven Tag am Wochenende. Dabei gilt auch für Tubing eine alte Moskauer Regel. Man darf nicht zu aktiv suchen. Läuft man allerdings mit offenen Augen durch die Straßen, weiß man nie, was einen hinter der nächsten Ecke überrascht.

Anna Finkenzeller, Emil Herrmann, Sophia Othmer

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