Schöner Wohnen in der Antarktis

Ende Januar wurde der Testbetrieb von Russlands neuer Wostok-Station in der Antarktis aufgenommen. Private Gelder, staatliche Unterstützung und doppelter Ehrgeiz sollen die wissenschaftliche Forschung auf dem Weißen Kontinent fördern und Russlands Position im „Antarktis-Rennen“ verbessern.

Russlands südlichste Behausung: In ihrer neuen Antarktis-Station werden die Polarforscher mit Sicherheit nicht erfrieren. (Foto: RIA Novosti)

Dass eine neue Forschungsstation in der Antarktis errichtet werden müsste, war in Russland seit Jahren Konsens. Die gut 66 Jahre alte Sta­tion Wostok, 1974 und 1982 rekonstruiert, ist schon lange baufällig und von einer bis zu fünf Meter dicken Schneeschicht bedeckt. Eröffnet wurde sie am 16. Dezember 1957 – zehn Monate nach dem US-Pendant. Da die Amerikaner als Erste da waren, konnten sie sich einen Platz direkt am geografischen Südpol der Erde sichern.

Im Jahr 2014 stattete Leonid Michelson, Vorstandsvorsitzender des privaten russischen Gas­unternehmens Novatek, der Wostok-Station einen Besuch ab. Dabei kam er zu der Überzeugung, dass es dort „sehr schwierig, ja fast unmöglich ist zu leben, zu arbeiten und wichtige wissenschaftliche Forschung zu betreiben“.

Längst nicht mehr zeitgemäß

Die Station verfügte in ihrem bisherigen Zustand weder über eine Wasserversorgung noch ein zeitgemäßes Abwassersystem. Die Polarforscher mussten Tunnel in den Schnee graben, um von einem Gebäude zum anderen zu gelangen. Sie benutzten selbstgebastelte Handwaschbecken und gewannen das Wasser aus Schneewürfeln in Schmelztanks. Die Anlage hatte zwar eine Banja, aber sie wurde nicht jeden Tag geheizt. Das wissenschaftliche Labor war nicht gerade geräumig und eher schlecht ausgestattet.

Daher sei die Idee entstanden, eine neue, allen heutigen Ansprüchen genügende und ganzjährig zu betreibende Station am selben Ort zu bauen, sagte Michelson bei deren Online-Eröffnung am 28.  Januar gegenüber Präsident Wladimir Putin. Einer der laut Forbes reichsten Menschen Russlands investierte vier Milliarden Rubel (ca. 40 Millionen Euro) aus seinem Privatvermögen in das Vorhaben. Der Staat übernahm die Kosten für die Lieferung der modularen Einheiten auf den Weißen Kontinent und den Zusammenbau vor Ort. Die Gesamtkosten des Projekts wurden ursprünglich auf sieben Milliarden Rubel (etwa 70 Millionen Euro) geschätzt.

Auch Deutschland gut im Rennen

Für den Stationsneubau sprach wohl auch die Tatsache, dass Russlands Hauptkonkurrenten im „Antarktis-Rennen“, die USA und Großbritannien, ihre Stationen schon längst „aufgerüstet“ haben. Die neue amerikanische Station Amundsen-Scott wurde 2008 eingeweiht, während die britische Polarstation Halley VI, die bisher als die modernste galt und deren Bau übrigens „nur“ 30 Millionen Euro gekostet hat, im Februar 2013 eröffnet wurde.

Ganz zu schweigen davon, dass Deutschland zwar nie die Rolle einer „antarktischen Supermacht“ beansprucht hat, die neueste deutsche Neumayer-Sta­tion III (Kosten: 39 Millionen Euro) aber bereits im Februar 2009 in Betrieb genommen wurde. Die ersten Deutschen, die in der Antarktis überwinterten, waren übrigens DDR-Polarforscher auf der 1987 eröffneten Georg-Forster-Station.

Novum am Kältepol der Erde

Den Entwurf des für die Überwinterung in der Antarktis geeigneten Komplexes stellte Michelson auf einer Sitzung des Kuratoriums der Russischen Geografischen Gesellschaft im April 2019 vor. Im Oktober desselben Jahres begann der Generalunternehmer Zapsibgazprom mit der Arbeit an neuen Planungslösungen, da das ursprüngliche Konzept der dänischen Firma Ramboll den extremen Anforderungen der Antarktis nicht standhielt. Jelena Fokina, die leitende Architektin des Projekts, sagte damals: „Die Anlage wird am Kältepol der Erde entstehen, wo das absolute Temperaturminimum von minus 89,2 Grad Celsius gemessen wurde. Unter solchen klimatischen Bedingungen wurde noch kein modernes Gebäude auf der Welt gebaut.“

Mehr als 25 Länder hätten Forschungsstationen in der Antarktis, erfuhr Putin von Michelson am Rande bei der Eröffnung. „Russland hat fünf saisonale und fünf ganzjährige Stationen. Aber die Wostok-Station ist die südlichste und besonderste von allen. Und jetzt wird sie die modernste sein.“

Zehn Monate autark

Bei der neuen Überwinterungsstation handelt es sich um eine modulare Konstruktion aus fünf Blöcken mit einer Gesamtfläche von mehr als 3000 Quadratmetern. Sie ist für die komfortable Unterbringung von bis zu 15 Personen während der Überwinterung und bis zu 35 Personen im antarktischen Sommer ausgelegt. Nach den Worten von Michelson ist die „Sicherheitsmarge“ der Station so bemessen, dass die Insassen dort zehn Monate im Jahr ohne Kontakt zur Außenwelt verbringen können.

„Eine der wichtigsten Aufgaben der Station ist es, den subglazialen Wostoksee zu untersuchen und in einem Umkreis von 300 Kilometern nach uraltem Eis zu suchen“, sagte der russische Umweltminister Alexander Koslow bei der Eröffnungsfeier. Der Einzug der Polarforscher könne bereits Anfang 2025 erfolgen.

Die weitere Finanzierung des Projekts steht offenbar nicht in Frage. „Ich weiß, dass für 2025-2027 mehrere Milliarden benötigt werden, um diese Arbeit fortzusetzen. Die Regierung hat noch keine Entscheidung getroffen, aber sie wird getroffen werden. Ich versichere Ihnen, alles wird gut“, beruhigte Wladimir Putin die Anwesenden per Videolink.

Alexej Karelski

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