Ryanair & Co. im Anflug auf St. Petersburg

Für die großen ausländischen Billigflieger war Russland bisher eher uninteressant. Doch nun stehen sie fast schon Schlange, um St. Petersburg in ihr Streckennetz aufzunehmen. Bereits mit dem Sommerflugplan soll es soweit sein.

Mit der irischen Ryanair etwa von Köln nach Barcelona, Sofia oder Warschau zu fliegen, ist inzwischen die normalste Sache der Welt. Verbindungen in russische Städte unterhält Europas größter Billigflieger bisher nicht. Der Luftverkehr zwischen Russland und europäischen Ländern ist durch bilaterale Abkommen nach paritätischen Prinzipien geregelt. Strecken zwischen den jeweiligen Staaten können demnach nur von Airlines betrieben werden, die dort auch regis­triert sind. Flüge von Ryanair nach Russland müssten also von Irland aus erfolgen, woran der Low-Cost-Krösus aus naheliegenden Gründen keinerlei Interesse hat.

Eine Ryanair-Boeing beim Landeanflug in Brünn (Foto: KGyST/Wikimedia Commons)

Doch nun tut sich etwas. Seit dem 1. Januar verfügt der St.  Petersburger Flughafen Pulkowo über die sogenannte siebente Freiheit der Luft und kann von Fluggesellschaften somit auch aus Drittstaaten angeflogen werden, zunächst in einer auf fünf Jahre befristeten Testphase. Die russische Regierung hatte einem entsprechenden Ansinnen der Betreibergesellschaft entsprochen, die das internationale Geschäft stark ausbauen möchte. An Pulkowo sind unter anderem die deutsche Fraport und die russische VTB-Bank beteiligt. 2018 fertigte der Flughafen 18,1 Millionen Passagiere ab und war damit die Nummer vier im Lande nach den drei Moskauer Großflughäfen. Der St. Petersburger Gouverneur Alexander Beglow sprach in einem Interview unlängst davon, diese Zahl solle bis 2025 nahezu verdoppelt werden. Zum 1. Oktober 2019 waren E-Visa für St. Petersburg und die es umgebende Leningrader Region eingeführt worden, was das Verfahren erheblich abkürzt und erleichtert.

Mit der neuen Freiheit für Pulkowo ist der Weg nun frei für die Marktführer im Billigsegment, ihr Streckennetz nach Russland auszudehnen. Neben Ryanair haben bereits im Herbst auch die britische Easyjet und die ungarische Wizz Air konkrete Pläne vorgelegt, hieß es aus dem russischen Verkehrsministerium. Es wird erwartet, dass sie ab dem Frühjahr Flüge in Russlands zweitgrößte Stadt anbieten. Wizz Air fliegt bereits aus Budapest nach Pulkowo und – über seine britische Tochter Wizz Air UK – von London. Nun will die Nummer vier auf dem europäischen Billigfliegermarkt dem Vernehmen nach auch Verbindungen zwischen St. Petersburg und Vilnius, Bratislava, Sofia und Bukarest einrichten.

Flughafen Pulkowo: 2013 wurde hier ein neues Abfertigungsgebäude eingeweiht. (Foto: pulkovoairport.ru)

Easyjet hatte sich 2016 aus dem russischen Markt zurückgezogen, als wegen des Rubelverfalls die Nachfrage von Seiten russischer Fluggäste eingebrochen war. Ryanair bedient seit 2018 auch den Flughafen von Lappeenranta in Finnland nahe der russischen Grenze – nur 200 Kilometer von St. Petersburg entfernt und 60 Kilometer von Wyborg. Derzeit werden von dort jeweils zweimal pro Woche Berlin, Bergamo und Budapest angeflogen. Dass Ryanair es damit auf Kundschaft aus Russland abgesehen hat, ist ein offenes Geheimnis.

Die neue Regelung für Pulkowo erstreckt sich zunächst auf 30 Staaten, beinhaltet aber für neun aus der Liste Einschränkungen. So sind zum Beispiel in Deutschland die Städte Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf davon ausgenommen. Damit sollen russische Fluggesellschaften vor unliebsamer Konkurrenz geschützt werden. Sie hatten nach Medien­berichten die Liberalisierung scharf kritisiert, zumal es sich um einen einseitigen Schritt handelt und vergleichbare Präferenzen für sie in europäischen Ländern nicht abzusehen sind. Die besagten vier deutschen Städte stehen im Flugplan der Aero­flot-Tochter Rossija von und nach St. Petersburg.

Tino Künzel

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