Roter Hammer: Wichtig ist nicht nur auf dem Platz

Muss man sich Sorgen um den deutschen Fußball in Moskau machen? Beim Expatverein „Roter Hammer“ zeigte die Leistungskurve nach einem Aderlass im Frühjahr nach unten. Dafür kamen andere Qualitäten zum Tragen, die in diesen unsicheren Zeiten stark an Bedeutung gewonnen haben. Nun soll es aber auch sportlich wieder aufwärts gehen.

Gruppenbild mit Fahne: Beim „Roten Hammer“ wird nach vorn geschaut. (Foto: Roter Hammer Moskau)

Flanke, Kopfball, Tor – aber auf der falschen Seite! Wieder hat sich der „Rote Hammer“ einen vermeidbaren Treffer eingefangen. Beim jährlichen MGIMO-Fußballturnier ist der deutsche Expatverein seit vielen Jahren ein gern gesehener Gast. In der Vergangenheit stand auch die eine oder andere Medaille zu Buche. Doch als sich diesmal 20 international besetzte Mannschaften zur Endrunde im Moskauer Südwesten treffen, scheidet der traditionsreiche Club nach teils deftigen Niederlagen schon in der Vorrunde aus. Dabei waren Gegner wie die Armenische Botschaft und ein serbisches Expatteam sicher nicht übermächtig.

Abgänge machen dem Club zu schaffen

Doch die Krisenzeiten sind auch am „Roten Hammer“ nicht spurlos vorbeigegangen. Man habe gleich mehrere Leistungsträger verloren, sagt Präsident Sven Lindenberg. Bei dem Verein spielen seit seiner Gründung im Jahr 1989 unter anderem deutsche Diplomaten, Journalisten und Fachleute aus der Wirtschaft sowie deren russische Kollegen. In den letzten Monaten verließen mit den Firmen und Institutionen auch deren Mitarbeiter Russland. „Die Mannschaft muss sich nach den Abgängen erst neu zusammenfinden“, sagt Lindenberg. Das brauche Zeit. Optimistisch stimmt ihn die rege Trainingsbeteiligung von etwa 30 aktiven Spielern. Auch halten einige, die ihre Fußballschuhe bereits an den Nagel hängen wollten, weiter zur Stange. Finanziell ist die weitere Existenz ohnehin durch Mitgliedsbeiträge abgesichert. Für das Halbjahr von März bis August, die Sommersaison also, zahlte jeder 10.500 Rubel. Nach heutigem Kurs sind das 170 Euro.

Ein bisschen Normalität

Bei den monatlichen Stammtischen merkt man schnell, dass viel Redebedarf über die aktuelle Situation im Verein und darüber hinaus besteht. Während der Gespräche über Gott und die Welt werden auch Tipps zu praktischen Dingen ausgetauscht: Auf welcher Route kommt man heute am besten nach Deutschland? Und welche Bar bietet jetzt noch Bier aus der Heimat an? Man freut sich auch einfach über ein offenes Ohr und etwas Normalität. Dabei zeigt sich die wahre Bedeutung des Vereins als Gemeinschaft auf und neben dem Platz.

Nach der Pleite im Sommerturnier geht es sportlich um den strategischen Neuaufbau. Beim dienstagabendlichen Training im heimischen Sportpark am MIREA-Institut nahe der Metro­station Jugo-Sapadnaja, wo sommers wie winters bei Wind und Wetter gekickt wird, ist von Frust nichts zu spüren. Spielertrainer André Schumann baut als Torwart vor allem auf eine starke Defensive, aus der mit klugen Pässen über die Außenbahnen nach vorne gespielt wird.

In Testspielen gegen befreundete Teams konnten bereits erste Erfolge eingefahren werden. Im gewohnten Format mit fünf Feldspielern und einem Torwart auf Kleinfeld zeigte sich, was möglich ist, wenn die Abwehrrecken Micha und Sergej hinten nichts anbrennen lassen, Christian die Bälle von außen gefährlich vors Tor bringt und vorn Jewgeni und Daniel lauern, um sie zu verwerten. Auch die Rückkehr von Viktor, dem Zauberer im Mittelfeld, hat wieder für mehr Stabilität und Kreativität gesorgt.

Kader vom Jugendspieler bis zum Veteran

Auch der Nachwuchs mischt schon kräftig mit. Regelmäßig kommen Jugendspieler zum Einsatz, deren Väter oft dem Verein angehören und die auf die Deutsche Schule Moskau gehen. Damit deckt der „Rote Hammer“ eine Altersspanne von fast 50 Jahren ab. Pläne für eine eigene Jugend- oder Frauen-Mannschaft werden zwar immer wieder diskutiert, konnten aber bisher noch nicht umgesetzt werden.

Das jüngste Testspiel gegen die Betriebsmannschaft eines Moskauer Unternehmens gab Anlass zu vorsichtigem Optimismus. „Es sieht schon besser aus“, meinte Trainer Schumann. Die Spieler verstünden das Spielkonzept. Der eine oder andere „darf aber gern an seiner Fitness arbeiten“, fügte er schmunzelnd hinzu. In der letzten Minute des Spiels jagte ein Spieler des „Roten Hammers“ den Ball auf der rechten Seite nach vorne. Flanke, Kopfball, Tor – diesmal auf der richtigen Seite.

Jonas Prien

Der Autor lebt seit einigen Jahren in Russland und kickt selbst leidenschaftlich für den „Roten Hammer“. Nach einem Auslandssemester an der Lomonossow-Universität und einem Praktikum in einer deutschen Firma in Moskau zog es den 24-Jährigen zum Masterstudium an die Higher School of Economics. Auf dem Foto oben ist er der Zweite von rechts.

Mehr Infos zum Verein: roterhammermoskau.wordpress.com, www.facebook.com/RoterHammer

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