Terror? Bei uns doch nicht

In Sachen Terror scheint es keine Gewissheiten mehr zu geben. Außer einer: dass sich jederzeit und überall der nächste Anschlag ereignen kann. Auch Russland war oft genug Zielscheibe von Terroristen. Wie leben Moskauer Schüler mit dieser Gefahr? Am Rande einer Veranstaltung des Zentrums für Toleranz am Jüdischen Museum hat MDZ-Redakteurin Ljubawa Winkokurowa Teilnehmer und die Organisatorin befragt.

Blumen in der Moskauer Metrostation Lubjanka nach einem Anschlag 2010. / Wikipedia

Alichan Ismanow, 12 Jahre, Gymnasium Nummer 1576

Angst habe ich keine. Aber bestimmte Verhaltensregeln hält man ein, na klar: Man geht nicht spätabends aus dem Haus und redet nicht mit Fremden. Mir will nicht in den Kopf, was Terroristen anrichten. Wenn du etwas ändern willst, wieso müssen dafür Leute sterben? Werde Volksvertreter, schreib Projekte, Programme! Was ich noch weiß, ist: Einer allein gewinnt keine Kriege, wir müssen uns dieser Gefahr gemeinsam entgegenstellen.

Anastassija Klischnewa, 13 Jahre, Gymnasium Nummer 1576

Ich würde sagen, dass ich in der sichersten Stadt der Welt lebe, und kann nicht behaupten, mich nach irgendwelchen besonderen Vorsichtsmaßnahmen zu richten. Was wollen Terroristen denn? Alle in Angst und Schrecken versetzen! Ich fürchte mich nicht, also kann ich ihnen die Stirn bieten. Heute habe ich allerdings verstanden: Man sollte trotz allem Umsicht walten lassen und sich mit dem Terrorismus beschäftigen.

Oleg Karpelewitsch, 14 Jahre,  Schule Nummer 919

Ich fühle mich sicher. Statistisch gesehen ist das Risiko, bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen, sehr gering. Außerdem sind solche Anschläge in Russland dann doch selten. Dass man Terror generell ausschließen kann, glaube ich nicht. Es wird immer Leute geben, die unzufrieden mit der Regierung, mit dem System sind. Ich weiß nicht, was Terroristen erreichen wollen. Uns wurde heute erzählt, dass ihr Hauptziel ist, Angst zu verbreiten. Für mich ist es am wichtigsten, nicht selbst per Zufall in solche Kreise zu geraten. Viele werden ja über soziale Netzwerke angeworben. Freundschaftsanfragen von Unbekannten lehne ich ab.

Swetlana Jegorowa, Lehrerin am Gymnasium Nummer 1576

Als gebürtige Moskauerin liebe ich diese Stadt. Ich bin überzeugt, dass für unseren Schutz alles getan wird. Wenn ich Polizisten auf der Straße sehe, dann fühle ich mich noch sicherer. Angst habe ich nur davor, nachts einem Strolch in einer dunklen Gasse zu begegnen. Meinen Schülern sage ich immer: Alles hängt davon ab, wie ihr euch selbst verhaltet! Seid anständig, lasst euch nicht zu Aggressionen hinreißen, dann wird euch auch nichts passieren.

Anna Makartschuk, Direktorin des Zentrums für Toleranz am Jüdischen Museum

Vor 13 Jahren gehörte ich dem Stab von Moskauer Psychologen an, in dem Fachleute auf ihren Einsatz im Nordkaukasus vorbereitet wurden. Sie leisteten dann den Opfern des Terroranschlags an der Schule in Beslan und deren Angehörigen psychologische Hilfe. Ich selbst war damals nicht vor Ort, doch das Grauen dessen, was sich dort ereignet hatte, vermittelten mir die Kollegen.

Ich bin ein relativ sorgloser Mensch und mache mir kaum Gedanken darüber, dass ich selbst von einem Anschlag betroffen sein könnte. Aber wenn ich anfange, mir dessen bewusst zu werden, dann wird mir angst und bange. Es kommt vor, dass ich in den ersten Waggon eines Metrozuges einsteige und plötzlich mit Erschrecken feststelle: Wenn den jetzt einer in die Luft jagt, dann bin ich eines der ersten Opfer.

Das soll aber nicht heißen, dass ich mich unsicher fühle. Und schon gar nicht wecken Menschen in muslimischer Kleidung irgendwelches Misstrauen. Ich bringe solche Attribute und die Attentate nicht in einen Zusammenhang. Für mich ist religiöse Vielfalt im Gegenteil eine Bereicherung für Moskau.

Die Zeiten haben sich schon geändert seit 1999 und den Explosionen in Moskauer Wohnhäusern, als die Leute anschließend Nacht für Nacht abwechselnd Wache geschoben haben in den Hinterhöfen. Auch das ging nur einen Monat so. Man kann nicht ewig auf der Hut sein. Es ist uns eigen, Gefahren zu verdrängen und zu vergessen.

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Erst im April dieses Jahres wurde Russland durch einen Anschlag in der St. Petersburger Metro mit 16 Toten erschüttert. In Moskau ereignete sich zuletzt 2011 ein Attentat, als sich ein Terrorist im Flughafen Domodedowo in die Luft sprengte und 36 Menschen mit in den Tod riss. Insgesamt ging die Zahl der Anschläge in ganz Russland in den vergangenen drei, vier Jahren stark zurück.

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