Mit Jazz zum Wissen: Ein Festival in Skolkowo verbindet Wissenschaft und Kunst

Wissensvermittlung findet für gewöhnlich an Schulen und Universitäten statt und hat den Ruf, sehr trocken zu sein. Dass man aber auch in einer Wohlfühlatmosphäre Neues lernen kann, bewies das Festival „Science Jazz“, das am 24. August im Innovationszentrum Skolkowo stattfand.

Wissenschaft

Entspannte Atmosphäre beim „Science Jazz“ /Foto: Skolkovo Foundation

Wissenschaft ist für viele Menschen immer noch gleichbedeutend mit dem berühmten Elfenbeinturm. Abseits der Gesellschaft gehen die Forscher ihrer Arbeit nach und werden von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, wenn es nicht gerade bahnbrechende Entwicklungen zu verkünden gibt.

Es ist ein Problem, mit dem auch das Innovationszentrum Skolkowo am südwestlichen Moskauer Stadtrand zu kämpfen hat. Im Jahr 2010 mit dem Ziel  ins Leben gerufen, das „russische Silicon Valley“ zu werden, gleicht es bis heute einer riesigen Baustelle, auf der sich nur vereinzelt Leben abzeichnet. Eine Umfrage des Lewada-Instituts aus dem Jahr 2015 ergab, dass nur jeder zweite Russe eine ungefähre Vorstellung davon hat, was in Skolkowo geschieht. Jeder Dritte hatte sogar noch nie etwas vom Innovationszentrum gehört.

Um den Moskauern den Forschungsstandort Skolkowo näherzubringen und eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, initiierte Jelena Selenzowa, Vizepräsidentin für die Entwicklung der Stadtlandschaft bei der Stiftung Skolkowo, im Jahr 2016 das Festival „Science Jazz“, dass am 24. August zum dritten Mal stattfand.

Jazz ist beliebt unter Wissenschaftlern

Die Entscheidung, Wissenschaft mit Hilfe von Jazzmusik beliebter zu machen, fiel nicht zufällig. Beide Bereiche seien in Russland historisch eng miteinander verbunden, sagt Selenzowa. Sowohl Jazz als auch Wissenschaft leben von der Improvisation. Selenzowa und ihre Kollegen fanden die Kombination so logisch und richtig für Skolkowo, dass ihnen die Idee eines Festivals als notwendig erschien. Das „Science Jazz“ möchte dabei auch eine Traditionslinie mit  der Wissenschaftlerkolonie „Akademgorodok“ bei Nowosibirsk aufbauen. In der zu sowjetischen Zeiten prestigeträchtigen Forschungseinrichtung, unter anderem bekannt für ihre Computerproduktion, war der Jazz die Lieblingsmusik der Wissenschaftler, erklärt Selenzowa.

Im 21. Jahrhundert interpretiert das Innovationszentrum Skolkowo die Verbindung zur Musik neu. Der Jazz bildet den Rahmen, um Menschen aus dem nichtwissenschaftlichen Bereich Forschung näherzubringen und ihnen letztendlich eine Vorstellung von dem zu vermitteln, was in Skolkowo geschieht. Auch Igor Butman, Jazzmusiker und künstlerischer Leiter des „Science Jazz“, erklärt anhand des Mottos des diesjährigen Festivals „Wissenschaft und Musik werden zu Magie“, dass der Ort Skolkowo einen Zauber entfalten solle. Und das ginge nur mittels des Jazz.

Butman treibt die Vision an, dass das Innovationszentrum nicht nur herausragende Wissenschaft betreiben, sondern auch in anderen Bereichen eine Vorreiterstellung einnehmen solle. Im Sinn hat Butman damit in erster Linie die Kunst, aber auch Geisteswissenschaften sollen gefördert werden.

Neuer Weg in der Wissensvermittlung

Und so entfernt sich das „Science Jazz“ von der klassischen Wissenschaftsvermittlung und schlägt einen neuen Weg ein. Um einen besseren Zugang zu den Menschen zu erhalten, hat sich das Festival dem noch jungen Gebiet der „Art & Science“ verpflichtet. Diese versteht sich als Symbiose von Wissenschaft und Kunst, als Raum für innovative Ideen, der unser Verständnis von wissenschaftlichen und künstlerischen Prozessen erweitern will. Dafür sollen Künstler, Designer, Wissenschaftler und Ingenieure zusammengebracht werden.

Wie das funktionieren kann, zeigen unter anderem die Vorträge, die an diesem Tag gehalten werden. Referiert wird über „Chemie und Malerei“, „Mathematik und Kunst“ oder auch über „die Schönheit wissenschaftlicher Experimente“. Die Themen kommen bei den Festivalbesuchern an. Bei den Vorträgen habe es keine freien Plätze gegeben, freut sich Selenzowa und schiebt hinterher, dass das „Science Jazz“ mit Sicherheit das schlaueste Publikum aller Festivals in Moskau habe.

Die Verbindung von Wissenschaft und Kunst ist auch der Grund für die Teilnahme der British Higher School of Art & Design, erklärt Wera Baklaschowa, Leiterin des Studienganges  Art & Science. Am Stand der Designschule präsentieren Studentinnen ihre Abschlussarbeiten, die allesamt interaktiv sind. Interessierte haben die Möglichkeit, Tropfen aus Ton zu erzeugen oder mittels einer lichtbasierten Tastatur zu musizieren. Man wolle den Menschen etwas Neues bieten und zeigen, dass Technologien in alle Sphären des Lebens reichen, so Baklaschowa.

Das Programm ist interaktiv

An den interaktiven Ständen ist vor allem junges Publikum zu finden, das Papierflieger bastelt, mit Robotern Fußball spielt und Stromkreisläufe steckt. Und das mit Begeisterung. Viele Eltern nutzen die Zeit zwischen den Konzerten, um mit ihren Kindern die ersten wissenschaftlichen Schritte zu unternehmen.

Das Konzept des „Science Jazz“ überzeugte auch die Bibliothek für ausländische Literatur. Lilija Sinowjewa sieht ihr Angebot als geisteswissenschaftliche Ergänzung zur naturwissenschaftlichen Ausrichtung Skolkowos. Die Bibliothek präsentiert auf dem Festival in erster Linie französisch- und englischsprachige Literatur. Und Diskussionsrunden über Jazz und Fußball. Alles auf Englisch. Im zweiten Jahr der Teilnahme zieht Sinowjewa eine positive Bilanz. So konnte die Bibliothek bereits viele neue Leser gewinnen.

Auch bei den Organisatoren des Festivals herrschte an diesem Tag Zufriedenheit. Mit ihrer Idee, Jazz und Wissenschaft zu verbinden und so das Innovationszentrum Skolkowo bekannter zu machen, erreichten sie an diesem Tag 6500 Menschen, die bis in den späten Abend feierten.

Daniel Säwert

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