Fünf Fakten zur Finanzkompetenz der Russen

Um die finanzielle Bildung steht es in Russland nicht gut. Das belegt eine Studie der Higher School of Economics. Wirtschaftsprofessorin Olga Kusina untersucht seit zehn Jahren, wie Russen haushalten. Doch in manchen Punkten kann das Land trotz mangelhafter Noten im weltweiten Vergleich punkten.

Planen ohne Weitsicht: Viele Russen führen kein Haushaltsbuch. /Foto: Pixabay.

Finanzielle Bildung? Ungenügend

Fast jeder zweite Russe gibt zu, von Finanzen nichts zu verstehen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Higher School of Economics. Nur ein Prozent der Befragten gab an, über eine sehr gute finanzielle Bildung zu verfügen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert diese als „das Wissen und die Kenntnisse über finanzielle Konzepte und Risiken sowie die Kompetenz, dieses anzuwenden, um effektive Entscheidungen zu treffen, das finanzielle Wohlergehen Einzelner und der Gesellschaft zu verbessern und die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen.“

Seit zehn Jahren untersucht Olga Kusina, Professorin an der Higher School of Economics, das Finanzverhalten der Russen. Trotz schlechter Noten gibt es auch Positives zu berichten: In den letzten zehn Jahren nahm die finanzielle Kompetenz zu. So ist seit 2008 die Zahl der Befragten, die sich die Note befriedigend attestieren würden, von 34 Prozent auf 41 Prozent gewachsen.

Mathekenntnisse höher als OECDSchnitt

Im OECD Ranking zur finanziellen Bildung Erwachsenen liegt Russland im Mittelfeld. Unter den G20-Staaten nimmt das Land sogar den neunten Platz ein. In einigen Kategorien schneiden Russen besonders gut Bei Finanzfragen Zinsen und Inflation haben 47 Prozent der Studienteilnehmer die Minimalpunktzahl erreicht – knapp hinter Deutschland (47 Prozent). Nur Südkorea ist besser: Hier lagen 67 Prozent der Teilnehmer richtig.

Russen leben nicht über ihre Verhältnisse

Schlechte finanzielle Allgemeinbildung bringt nicht zwingend schlechtes finanzielles Verhalten mit sich. Laut einer Studie der Weltbank sind Russen sehr gut in der Lage, im Rahmen ihrer Verhältnisse zu leben. Das Land bekam von 100 möglichen Punkten 80. Demnach bleibt nach Abzug aller wichtigen Ausgaben am Monatsende noch etwas Geld übrig, die Befragten müssen sich kein Geld leihen, um Essen zu kaufen oder kommen nicht in den Verzug, ihre Schulden zu begleichen.

Budgetplanung ohne Haushaltsbuch

Obwohl Russen nicht über ihre Verhältnisse leben, führen nur zwölf Prozent der Russen ein Haushaltsbuch, so das Ergebnis der HSE-Studie. Noch vor zehn Jahren lag der Wert bei 24 Prozent. Elf Prozent der Befragten wissen überhaupt nicht, wie viele Einnahmen und Ausgaben sie monatlich haben. 56 Prozent schreiben ihre Einnahmen und Ausgaben zwar nicht auf, wissen jedoch, wohin das Geld fließt.

Wunsch vs. Wirklichkeit

Nur ein kleiner Prozentsatz plant seine Finanzen aufs Jahr gesehen – zwischen 14 bis 16 Prozent. Die große Mehrheit der russischen Bevölkerung lebt von Monat zu Monat. Dabei spielt das Budget keine Rolle, wie Olga Kusina herausgefunden hat. In allen Einkommensgruppen sei die Anzahl der Verbraucher, die ein Haushaltsbuch führen etwa gleich. Der Grund: Viele Russen verfolgen keine langfristigen finanziellen Strategien oder rechnen nicht damit, langfristig auf ein Ziel zu sparen. Beispielsweise für den Kauf einer Datscha. Doch das könnte sich auszahlen. Die Forscher haben herausgefunden, dass bei gleichen Voraussetzungen wie Ausbildung und Haushalte fast viel Budget Verfügung haben, sie ihr Einkommen für sechs bis zwölf Monate voraus planen und ein Haushaltsbuch führen. Je höher die Weitsicht, desto mehr Spielraum haben sie.

Russen sparen nicht langfristig

Am wenigsten vertrauen Russen Versicherungsgesellschaften, Investitionsfonds und ausländischen Banken. Nur ein Drittel der Befragten weiß, wie Versicherungen bei Banken funktionieren. Viele wissen nicht, dass es ein staatliches System gibt, dass Sparer schützt – beispielsweise, wenn Banken die Lizenz verlieren. 49 Prozent wissen nicht annähernd, welche Garantien es gibt. Deshalb sparen Russen nicht langfristig – auch wenn die Bereitschaft da sei. „Im Rahmen unseres Rentensystems ist es unmöglich, sich finanziell richtig zu benehmen, denn die Spielregeln ändern sich ständig“, sagt Kusina. Eine abgeschlossene Rentenversicherung könne in ein paar Jahren nicht mehr gültig sein.

Ohne institutionelle Veränderungen werde die finanzielle Alphabetisierung keine Ergebnisse bringen. Ähnlich verhält es sich mit dem kurzen Planungshorizont – es liege nicht daran, dass die Menschen unwissend seien, sondern am System.

Katharina Lindt

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