Lieblich war mal: russischer Weinmarkt im Umbruch

Im Land des Wodkas wird Wein immer beliebter. Abweichend vom Trend der vergangenen Jahre, werden heute auch hochwertige Weine aus dem Ausland geschätzt - eine Chance auch für deutsche Qualitätsweine.

Von Alina Bertels

Seit Gérard Depardieu die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat, ist er das Aushängeschild auch des russischen Weins / RIA Novosti

Seit Gérard Depardieu die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat, ist er das Aushängeschild auch des russischen Weins / RIA Novosti

Die Geschichte des russischen Weins ist gezeichnet von einem Auf und Ab der Gefühle. 1980 war die Sowjetunion noch viertgrößter Weinproduzent im globalen Vergleich und lag damit sogar vor den USA. Aufgrund der großen Anti-Alkohol-Kampagne von Gorbatschow und dem Zerfall der Sowjetunion, mit dem wichtige Weinstandorte wegfielen, ging die russische Weinproduktion erheblich zurück. Im Jahr 2013 befand sich Russland nicht einmal mehr unter den Top-Ten der weltweit größten Weinproduzenten. In den letzten Jahren erfreut sich Wein in Russland wieder größerer Beliebtheit. Von 1995 bis 2012 hat sich der Weinverbrauch auf 6,2 Liter pro Kopf verdoppelt.
Etabliert hatte sich über die Jahre indessen ein Trend, der in Deutschland wohl eher auf Unverständnis treffen würde: Süße Billigweine dominierten den russischen Weinmarkt. Laut eines Berichts der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) von 2012 gingen 45 Prozent aller in Russland verkauften Weine zum Preis von maximal 2,30 Euro über die Ladentheke. Die Produktion des süßen Saftes basierte nur zu einem geringen Anteil auf russischen Weintrauben, ein großer Teil wurde aus importierten, sogenannten „Weinmaterialien“ in Russland zu Wein verarbeitet. Verkauft wurde der Fusel dann überwiegend im Supermarkt. Auch der Weinimport aus Deutschland beschränkte sich lange Zeit auf sehr günstige, liebliche Weine.
Schon in dem AHK-Bericht von 2012 konnte allerdings eine Tendenz hin zu qualitativ hochwertigen, trockenen Weinen ausgemacht werden. Damals nahm die Kaufkraft in Russland zu und man investierte bereitwilliger in einen edlen Tropfen aus dem Ausland – Qualitätsweine werden in Russland überwiegend aus Frankreich, Italien und Spanien importiert. Das Interesse an deutschen Qualitätsweinen wie Grau- und Weißburgundern sei groß, schrieb die AHK, doch es gebe noch keinen Importeur, der ein entsprechendes Sortiment anbiete. Hans-Dieter Weingärtner von der Weinmanagementfirma NomisGroup aus Ettlingen nahm diese Entwicklung 2012 zum Anlass, deutsche Qualitätsweine in Russland zu etablieren. Aber so einfach erschließt man den russischen Markt für Alkohol nicht.
Aktuell wird wieder verstärkt gegen den Alkoholismus im Land vorgegangen: Dementsprechend ist Werbung für alkoholische Produkte seit 2013 fast gänzlich von der Bildfläche verschwunden und auch der öffentliche Ausschank und Konsum von Alkohol ist eingeschränkt und konzentriert sich somit auf Restaurants und Bars. Das bedeutet, dass herkömmliche Werbung und öffentliche Weinfeste als Marketingkonzepte nicht infrage kommen. Nicht einmal auf russischen Internetseiten darf Werbung für alkoholische Getränke gemacht werden. „Das Entwicklungspotenzial ist groß, aber die Restriktionen sind genauso umfänglich“, sagt Weingärtner. Für den Weinmarkt ist das Werbeverbot ein großes Problem: „Der Wodkamarkt ist etabliert, denen tut das nicht so weh. Aber Wein braucht Promotion, das Angebot ist sehr vielfältig“, merkt der Weinmanager an. Umgehen könne man das Problem, zum einen, indem man einen sehr nahen Kontakt zum Kunden pflegt und diesen auf exklusive Weinverköstigungen, die in Moskau zurzeit zahlreich stattfinden, persönlich einlädt. Zum anderen wären Social Media eine gute Möglichkeit für Restaurants und Vertreiber, ein Netzwerk aufzubauen und den direkten Kontakt auch auf größere Entfernung aufrechtzuerhalten.
Trotz des Hürdenlaufs auf den russischen Markt haben in den letzten fünf Jahren viele deutsche Produzenten Fuß fassen können. Gehobene Restaurants in Russlands Großstädten und gut situierte Privatleute gehören, Weingärtner zufolge, zu den Hauptabnehmern der vergleichsweise teuren deutschen Weine. Der Weinliebhaber möchte nun auch die deutschen Konsumenten auf den Geschmack russischer Weine bringen: „Die Qualität des russischen Weines ist mittlerweile sehr gut.“ Aufgrund der Wirtschaftskrise stagniert die Entwicklung des Weinmarktes in Russland jedoch zurzeit. Eine Analyse vom Marktforschungsunternehmen Businesstat zeigt, dass sich das Volumen des Weinverkaufs im Zeitraum von 2011 bis 2015 um 17,8 Prozent verringerte. Da der Rubel massiv an Wert verloren hat, mussten große Importeure insbesondere von französischen und italienischen Weinen etwa 40 Prozent Einbuße verzeichnen. Dementsprechend öffnet sich auf dem russischen Markt ein Fenster für einheimische Weine.
Um jedoch gegenwärtig einen russischen Wein zu bekommen, der qualitativ annehmbar ist, muss man Wladimir Zapelik zufolge um die zehn Euro bezahlen. Zapelik ist Präsident des Weinclubs „Winepages“ in Moskau. Er erklärt, dass die Produktionskosten für Wein in Russland sehr hoch seien und es eines Regelwerkes bedürfe, welches die gesamte Produktionskette der Weinerzeugung durch Subventionen unterstützt und nicht nur den Weinanbau. Dass sich Weinkultur und der Kampf gegen den Alkoholismus nicht ausschließen, hat nämlich auch die Regierung eingesehen und will den staatlichen Weinbau zukünftig explizit fördern. Die Rebfläche soll bis zum Jahr 2020 auf 140 000 Hektar verdoppelt werden. Einheimische Weine dürfen seit 2015 auch wieder im Fernsehen beworben werden. Darüber hinaus kommen auf russische Weinerzeuger viele weitere Gesetzesänderungen zu, die ihr Geschäft erleichtern und den russischen Wein wettbewerbsfähig machen sollen. Diesen Monat wurde in einer ersten Lesung eine Herabsetzung des Lizenzpreises für Weinerzeuger von 800 000 auf 65 000 Rubel beschlossen (von etwa 11 000 auf 900 Euro). „Das alles braucht Zeit, um sich zu entwickeln“, sagt Zapelik. Unterdessen sei es für ost- und zentraleuropäische Weine an der Zeit, die entstehenden Marktlücken in Russland auszufüllen.

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