Und fast keine Matrjoschka

Russland ist einzigartig, wer würde das bestreiten? Was die Veranstalter einer so benannten Ausstellung im Herzen von Moskau unter dieser Einzigartigkeit verstehen, kann noch bis 5. Februar besichtigt werden.

Schauplatz der Ausstellung ist der Gostiny Dwor, einer der ältesten und zentralsten Veranstaltungsorte in Moskau unweit vom Roten Platz (Foto: Tino Künzel)

Zwei dicke Wälzer, Seite an Seite auf einem Tisch. „Russisch-Orthodoxe Kirche“ ist der eine betitelt, „100 Jahre UdSSR“ der andere. Die beiden Bücher mit ihren edel anmutenden Einbänden sind in einer Reihe namens „Das große Erbe“ erschienen. Auch ohne sie aufzuschlagen, ist klar, dass hier sowohl der Kirche gehuldigt wird als auch der Sowjetunion, in der Religion verfolgt, im besten Falle geduldet wurde und öffentlich praktisch nicht in Erscheinung treten durfte.

„Groß angelegte patriotische Veranstaltung“

Aber solche Gegensätze kommen in der Ausstellung „Einzigartiges Russland“ im Moskauer Gostiny Dwor, die seit dem 24. Januar und noch bis 5. Februar bereits zum dritten Mal stattfindet, nicht vor. Sie will den Nationalstolz fördern, Russland in seiner Schönheit und Vielfalt zeigen. Als „groß angelegte patriotische Veranstaltung“, die „wenig bekannte Fakten über große Errungenschaften und einzigartige kulturelle Besonderheiten“ demonstriere, wird sie von ihren Veranstaltern beworben. Russland solle als „Land einzigartiger Möglichkeiten“ dargestellt werden, das sich „unablässig entwickelt und die Traditionen seines aus vielen Nationalitäten bestehenden Volkes, die Mannigfaltigkeit seiner Kultur und Volkskunst sorgsam pflegt“. Als Unterstützer werden unter anderem das Verteidigungsministerium, das Finanz- und das Wirtschaftsministerium genannt. Man wünscht sich eine „breite Berichterstattung in in- und ausländischen Medien“.

Und wie wird Russland nun auf 12.000 Quadratmetern an historischer Stätte ein paar Schritte vom Roten Platz präsentiert? Als Land, zu dessen Selbstverständnis irgendwie alles zu passen scheint: Heiligenbilder und Sowjetbanner, der Saal „Wir beten für Russland“ und Figuren von Lenin und Stalin in einem Schaukasten. Ob Verfolgte oder Verfolger, ob Zarismus oder Kommunismus, der keinen äußeren Feind so bekämpfte wie das alte Russland und sich beileibe nicht in dessen Tradition sah, sondern auf seinen Trümmern etwas ganz Neues errichten wollte – in der Ausstellung sind das keine krachenden Gegensätze, sondern Teile eines großen Ganzen. So als hätten alle auf der richtigen Seite gestanden und den Ruhm, die Geltung der Nation gemehrt.

Russland ist einzigartig, weil …

Was Russland denn so einzigartig mache, haben die Veranstalter bereits auf der Homepage beantwortet. Das Land sei eine eigene Zivilisation und überhaupt „einzigartig in allem“. Darunter wegen seiner Menschen, die offen, aufrichtig, freundlich, kreativ, strebsam und „für die Wahrheit“ seien. Und wegen seiner „Rolle in der Welt – es nimmt immer die Rolle des Friedensstifters ein“.

Ob das ein Selbstbild ist, das diese Ausstellung interessant oder unmöglich macht, wird jeder potenzielle Besucher für sich entscheiden. Zu sehen (und zu kaufen) gibt es durchaus eine Menge. Feilgeboten wird alles erdenkliche Handwerks, Kunst- und Kulturgut aus den unterschiedlichsten Bereichen: Pantoffeln aus Tatarstan, Bernsteinarbeiten aus Kaliningrad, Goldstickereinen aus Torschok und vieles mehr. Das typische Sortiment von Touristenmärkten ist das nicht. Matrjoschkas zum Beispiel gibt es fast keine.

Immer mal wieder wird man angesprochen: „Junger Mann, wir machen hier Physiotherapie, treten Sie näher“, heißt es dann oder „Bei uns wird getanzt, haben Sie Lust?“. Apropos Tanzen: Am Ende des Saales treten auf einer Bühne, vor der Zuschauertribünen aufgebaut sind, ständig Volkskunstkollektive auf.

Die Zahl der Teilnehmer an „Einzigartiges Russland“ geben die Veranstalter mit 1100 aus 50 Regionen an. Geöffnet ist die Ausstellung täglich von 11 bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet 300 Rubel. Bei Nichtgefallen: Nebenan findet zeitgleich ein Honigmarkt statt.

Tino Künzel

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