Trickfilmwelt: Moskauer Museen und Ausstellungen für Animation

Auf dem WDNCh-Gelände läuft bis Oktober die große Ausstellung „In Freundschaft leben!“, die dem 110. Jahrestag der russischen Trickfilmproduktion gewidmet ist. Aber es gibt in Moskau auch Museen, wo man sich zu jeder Jahreszeit mit der Geschichte der Animation bekannt machen kann.

Fontäne der Freundschaft der Trickfilme ähnelt sich dem Brunnen der Völkerfreundschaft auf dem Gelände der WDNCh (Foto: Planet9)

Anfänge der Animation in Russland

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Animation in Russland viermal geboren. Die ersten Versuche sind mit dem Namen des Choreografen Alexander Schirjaew verbunden. Dann, am 26. März 1912 kam der Film von Wladislaw Starewitsch „Die schöne Ljukanida oder Der Krieg der Gehörnten mit den Schnurrbärtigen“ in Moskau ins Kino. Mit ihm beginnt die Geschichte der einheimischen Animation.

Starewitsch, ein russischer Trickfilmer polnischer Abstammung, gilt auch als Erfinder einer neuen Unterart der Kinematografie, des Puppentrickfilms. Er nahm „Helden“ aus seiner eigenen entomologischen Sammlung auf. Da er das Leben der Insekten erforschte, empfand er ihr Verhalten so genau nach, dass die Zuschauer die Käfer für lebendig hielten. In der Ausstellung „In Freundschaft leben!“ kann man diesen ersten russischen Trickfilm sehen. Und noch viele andere, die seitdem in Russland entstanden sind. Man kann verfolgen, wie sich die einheimische Animation von den Puppenkäfern Starewitschs bis zu den Insekten in 4D im „Luntik“ entwickelte (in 4D wird er seit 2020 gezeigt).

Für Groß und Klein

Das ist sowohl für Erwachsene als auch für Kinder interessant. Die etwas Größeren fesseln Entwürfe und Szenenbücher der Trickfilme, aber auch Ausführungen zur Entwicklung verschiedener Animationstechniken, über die Prototypen der einen oder anderen Figur oder darüber, wie einige Szenen entstanden sind. Viele Geschichten kann man sich anhören, denn jeder Besucher bekommt einen Audioguide.

In der Ausstellung „In Freundschaft leben!“ (Foto: Planet9)

Etwas weiter unten sind die Exponate angeordnet, die die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich ziehen. Sie können ihre Lieblingshelden umarmen, in Fensterchen  schauen, um die Geheimnisse der Produktion bekannter Geschichten zu erfahren. Sie können mit Bauklötzen spielen, sich Trickfilme anschauen, während sie auf Baumstümpfen oder Holzpferdchen sitzen. Die Kinder finden selbst heraus, womit sie sich in der Ausstellung beschäftigen können. Und garantiert werden sie die Eltern, die die Geschichte der Animation studieren, nicht mit der Frage nerven: „Wann gehen wir denn endlich?“ „Lasst uns in Freundschaft leben!“ ist nicht nur ein Satz aus dem Trickfilm „Der Kater Leopold“, der der Ausstellung den Namen gegeben hat. Er ist ihr Motto.

Man kann mit Bauklötzen spielen (Foto: Planet9)

Die goldäne Ära

Ein Erwachsener, der etwas Neues für sich entdeckt hat, kann sein Kind rufen und mit ihm das Entdeckte teilen. Wisst ihr, wie der Wolf in „Hase und Wolf“ entstand? Sein Prototyp war ein Flegel, den der Maler Swetosar Russakow 1941 in Nowosibirsk getroffen hatte. Später erinnerte er sich: „Es herrschte eisiger Frost, aber ich wollte ins Kino gehen, um einen neuen Film zu sehen. Als ich am Kino ankam, stand dort eine Schlange. Und plötzlich drängelt sich da ein Typ, ein ,eigener‘, ein Nowosibirsker, vor! Wir, die Evakuierten, waren so etwas wie zweite Wahl. Ich packte ihn am Kragen, zog ihn zu mir heran und sagte: ,Hör zu, du Gentleman, wieso drängelst du dich vor?‘ Wenn Sie seine Reaktion gesehen hätten! ,Ich und ein Gentleman? Wie hast du mich genannt?‘ Er blieb ein Leben lang in meinem Gedächtnis.“

Dieser Wolf ist einer der nationalen Bestseller, die zu Beginn der 1970er Jahre das Licht der Welt erblickten. Zu dieser Zeit kamen auch Krokodil Gena mit Tscheburaschka, Pu der Bär, der Kleine und Karlsson, die Bremer Stadtmusikanten und der Kater Leopold heraus. All diese Lieblinge sowjetischer Kinder mit ihren Aussprüchen und Liedern sind heute ein Teil des kulturellen Codes der Russen.

Die Autorenanimation

In der Ausstellung sind nicht nur bekannte Figuren der „goldenen“ und „volkstümlichen“ Perioden der russischen Trickfilmgeschichte zu finden. So kennen wir die Trickfilmhelden der 1990er Jahre nicht, denn sie hatten praktisch keine Zuschauer.

Aber gerade in dieser Zeit tauchten Trickfilmer auf, die in der weltweiten Geschichte der Animation ihren Platz haben. So zum Beispiel Alexander Petrow. Sein Film „Der alte Mann und das Meer“ (1999) nach der gleichnamigen Erzählung Ernest Hemingways war der erste Trickfilm der Geschichte für das große Kinoformat IMAX und erhielt einen „Oscar.“ Er wurde in der Technik der lebendig gewordenen Farbe hergestellt, wenn Ölfarbe auf Glas aufgetragen wird und während sie trocknet, Szene für Szene die Veränderungen eingebracht werden.

Die Ausstellungsräume, die dem modernem Trickfilm gewidmet sind, zeigen den kommerziellen Erfolg der Projekte der letzten zehn Jahre und geben Anlass zu Optimismus: Die Zuschauer erwarten neue Filme. Und das bedeutet, dass in der „Fontäne der Freundschaft der Trickfilme“, die das zentrale Exponat der Ausstellung ist, schon neue Helden des Animationsfilms warten.

Weitere Museen und Ausstellungen:

Interaktive Spiele im „Sojusmultpark“ (Foto: Olga Silantjewa)

Museum von „Sojusmultfilm“ im Zentrum „Sojusmutpark“

Das kleine Museum von „Sojusmultfilm“, des ältesten russischen Trickfilmstudios, befindet sich im multimedialen Zentrum „Sojusmultpark“ auf der WDNCh. Das Museum ist interaktiv. Das Bild an der Wand wird lebendig, wenn man es mit der Hand berührt. Dann beleuchtet es die jeweilige Entwicklungsetappe des Filmstudios. Das Museum erzählt zum Beispiel, wer in „Hase und Wolf“ noch einstecken musste und wer davonkommen konnte. Es gab viele Vorschläge, auch der Fuchs und der Hase, der Fuchs und der Hahn. Es ist nicht einfach, das Museum zu erreichen. Vorher muss man mit Karlsson über die Dächer eilen, den Honigtopf von Pu der Bär vor den Bienen retten, den Nebel zusammen mit dem Igel aus dem Trickfilm Juri Norsteins mit Lampen auflösen und andere interessante Abenteuer auf der Reise durch die Welt der Trickfilme von „Sojusmultfilm“ bestehen.

Prospekt Mira, 119

www.souzmultpark.ru

Museum „Die goldene Kollektion des Filmstudios Sojusmultfilm“

Das kleine Museum „Die goldene Kollektion des Filmstudios Sojusmultfilm“ befindet sich direkt im Filmstudio. Hier kann der Besucher in die Atmosphäre der Welt der Animation eintauchen, die beliebten sowjetischen Helden anschauen, die Eigenheiten bei der Schaffung von Trickfilmen ergründen. Im Vergleich zum „Sojusmultpark“ auf der WDNCh, der sich über drei Etagen erstreckt, ist hier alles bescheidener: Ausstellungsstände mit Skizzen der Trickfilme, der Arbeitstisch eines Trickfilmers aus vergangenen Zeiten, einige Vitrinen mit Trickfilmfiguren. Dafür kann man aber selbst einen kleinen Trickfilm herstellen, der dann an die eigene Mailadresse geschickt wird und Filme sehen, die noch nicht im Verleih sind.

Theoretisch kann man beide Museen mit einem Mal schaffen, denn sie liegen nicht weit voneinander entfernt. Aber die Eintrittspreise verführen eher nicht zu solch einem Gewaltritt.

Ul. Akademika Koroljowa, 21/1

www.souzmultclub.ru

Moskauer Museum für Animation

Das Moskauer Museum für Animation im Kreml von Ismailowo erzählt über die Geschichte sowohl der russischen als auch der ausländischen Trickfilmindustrie. Das unterscheidet das kleine private Museum vorteilhaft von ähnlichen Einrichtungen in Moskau. Hier kann man Puppen, Modelle, Dekorationen und Geräte besichtigen, mit denen die Trickfilmer vergangener Zeiten gearbeitet haben, sowie einzigartige Dokumente, Preise, persönliche Sachen bekannter Zeichner und Künstler, die aus privaten Archiven stammen. In der Ausstellung gibt es etwa 5000 Exponate. Die Ausführungen darüber interessieren aber eher Erwachsene als Kinder. Für 50 000 Rubel (etwa 500 Euro) bringen die Mitarbeiter des Museums den Besuchern in drei Tagen bei, einen eigenen Trickfilm zu drehen.

Ismailowoer Chaussee, 73

www.animamuseum.ru

Auf dem Planet von Smeschariki (Foto: Olga Silantjewa)

Ausstellung „Smeschariki. Die Kunst, rund zu sein“

Bis zum 25. September läuft im Art-Zentrum „Brotfabrik“ die Ausstellung „Smeschariki. Die Kunst, rund zu sein“. Sie ist dem 20. Jahrestag einer der beliebtesten Trickfilmserie des heutigen Russlands gewidmet – „Smeschariki“ (was so viel bedeutet wie lustige Ballons, im deutschen Verleih „Kikoriki“). Das Herzstück der Ausstellung bilden thematisch gestaltete Flächen, die den Figuren, ihrer Philosophie, den Besonderheiten der Charaktere vorbehalten sind. So schlägt zum Beispiel die modebewusste Njuscha vor, Hüte und Schmuck anzuprobieren. Der Igel ist ein Sammler, in seinem Ausstellungsraum sind verschiedene Sammlungen zu sehen, von Kakteen bis zu Korallen. Der Deutsche Pin lädt die Besucher ein, einen Blick in sein Labor zu werfen und sich als Erfinder auszuprobieren. Die Ausstellung wurde übrigens von der Firma Planet9 organisiert, die auch die Ausstellungen „In Freundschaft leben!“ auf der WDNCh und „Wiktor Zoi“ in der Manege ausgerichtet hat.

Nowodmitrowskaja 1/17

www.smeshariki20.ru

Olga Silantjewa

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