Schwieriges Thema Demografie: Im Zweifelsfall Beten

Russland positioniert sich gerade in letzter Zeit als geschützten Raum für die traditionelle Familie. Der erwünschte Effekt auf die demografischen Daten ist bisher aber nicht eingetreten. An Rezepten, wie sich das ändern soll, fehlt es allerdings nicht.

Auch Präsident Putin sprach diesen Sommer von einer „schwierigen“ Situation bei der Demografie in Russland. (Foto: Tino Künzel)

Mitte Oktober hat das staatliche Statistikamt Rosstat seine neueste Langzeitprognose für die Bevölkerungszahl veröffentlicht. Demnach würde Russland in den kommenden 22 Jahren knapp acht Millionen Einwohner verlieren. Statt 146,5 Millionen wie zu Jahresbeginn wären es zum 1. Januar 2046 nur noch 138,8 Millionen. Besonders ernüchternd: Bis 2027 sagt Rosstat weiter sinkende Geburtenzahlen voraus.

Hoffnungen nicht erfüllt

Dabei hatte sich Russland gerade auf diesem Gebiet eine Trendwende erhofft, darunter mit vergleichsweise hohen Einmalzahlungen für Mütter, die beim ersten Kind derzeit bei umgerechnet 5869 Euro liegen, beim zweiten bei 7756 Euro. Doch die Lage sei „katastrophal“, sagte Pawel Poschigailo, ein achtfacher Vater, der in der Bürgerkammer sitzt, neulich bei der Eröffnung einer Sitzung. In den letzten sechs Jahren sei die Geburtenrate in Russland von 1,76 auf 1,41 gesunken.

Auch die Propaganda „traditioneller Werte“ hat bisher offenbar ihre Wirkung verfehlt, zumindest demografisch. Man müsse die Maßnahmen im sogenannten nationalen Projekt „Demografie“ auf ihre Effizienz überprüfen, sagte die frühere Kinderrechtsbeauftragte und heutige stellvertretende Vorsitzende der Staatsduma, Anna Kusnezowa, dieser Tage. Dabei machte sie Schlagzeilen mit der Aussage, Mütter sollten ihr erstes Kind mit etwa 20 Jahren zur Welt bringen, denn nur so sei statistisch eine Großfamilie zu begründen.

Beispiel an biblischem Paar nehmen

Ohne den Mann könne es jedenfalls keine Familie geben, äußerte sich der Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin kurz darauf. Die Erziehung zum Vatersein müsse noch in der Schule beginnen, denn heute stehe jungen Männern der Sinn nicht nach Familie: „Die legen sich lieber Kätzchen zu und gehen so durchs Leben.“

Leonid Sluzki, Parteichef der LDPR, erklärte in der Duma, man bereite eine Initiative vor, wie die Bevölkerungszahl binnen 50 Jahren zu verdoppeln sei. Derweil riet der Metropolit von Rostow am Don, Merkuri, in einer Predigt Paaren, deren Kinderwunsch nicht in Erfüllung gehen will, zum Gebet. Das habe schon bei Joachim und Anna – in der Bibel die Eltern der Gottesmutter Maria – funktioniert und sei der richtige Weg, ganz anders als künstliche Befruchtung im Reagenzglas. Die sei widernatürlich und gegen den Willen Gottes. Glücklich werde man damit nicht.

Tino Künzel

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